Heute beginnt die neue Spielzeit der Frauenbundesliga. Ist Wolfsburg unbesiegbar? Und wie steht es um die letzten traditionellen Frauenfußballklubs? Fragen und Antworten zum Saisonstart.
Georgia Stanway zum FC Bayern. Die Münchner als Early Adopter? Im Falle von Georgia Stanway waren sie das auf jeden Fall. Der FCB verpflichtete die 23-Jährige noch vor dem Start der Europameisterschaft im Sommer, bei der Englands Nummer zehn als Stammspielerin entscheidenden Anteil daran hatte, dass ihr Heimatland mal wieder einen Titel gewinnen konnte. Auf dem Rasen ist Stanway eine Wucht. Unerbittlich im Zweikampf, aber mit feiner Technik am Ball. Außerdem hatte sie die Chuzpe, beim Karaokeabend der Bayern-Frauen „Sweet Caroline“ zum Besten zu geben. Direkt ins Gesicht der deutschen Nationalspielerinnen, denen von der Party im Wembley nach der Finalniederlage noch die Ohren geklingelt haben dürften.
Merle Frohms zum VfL Wolfsburg. Erst hat sie Almuth Schult in der Nationalmannschaft beerbt, nun macht sie das gleiche auch auf Vereinsebene. Deutschlands Nummer Eins verlässt Eintracht Frankfurt und macht das bereits absurd stark besetzte Team der Wolfsburgerin noch besser. Frohms wird sich in Wolfsburg allerdings keinen Konkurrenzkampf mit Schult liefern müssen. Die spielt mittlerweile nämlich in Los Angeles.
Selina Cerci zum 1. FC Köln. Der ligainterne Transfercoup des Sommers. Schließlich ist Selina Cerci mit ihren 22 Jahren bereits eine der besten Stürmerinnen des Landes. In der vergangenen Saison schoss sie in 15 Spielen starke 13 Tore für Turbine Potsdam, ehe ein Kreuzbandriss ihre Saison beendete und auch alle Hoffnungen auf eine EM-Teilnahme zerstörte. Beim Effzeh soll Cerci nun dafür sorgen, dass sich der Klub dauerhaft in der Frauen-Bundesliga etabliert.
Schlechte Nachricht für alle Bundesligisten: Der VfL Wolfsburg war schon zum Ende der vergangenen Saison extrem gut aufgestellt. Schlechtere Nachricht für alle Bundesligisten: Der Kader ist jetzt noch einen ganzen Zacken stärker. Denn während früher die Leistungsträgerinnen des Teams in bester Regelmäßigkeit den Absprung zu größeren Klubs im Ausland wagten, konnte der VfL den Kern nun zusammenhalten – und um etliche gute Spielerinnen erweitern. Neben Merle Frohms wechselte auch Jule Brand nach Wolfsburg. Die 19-jährige Flügelspielerin zeigte bei der EM in England mit ihrem Zug zum Tor und ihrer Liebe zum Dribbling, warum sie zu den größten Talenten im Weltfußball gehört.
Tja, und dann kam auch noch Martina Hegering vom FC Bayern zum VfL. Die Abwehrchefin der deutschen Nationalmannschaft spielte in England mitunter auf Weltklasseniveau – obwohl sie wegen einer Verletzung quasi ohne Spielpraxis ins Turnier gestartet war. Gemeinsam mit Spielerinnen wie Lena Oberdorf, der Niederländerin Jill Roord oder den Stürmerinnen Alexandra Popp und Ewa Pajor hat sich so eine Mannschaft zusammengefunden, die eigentlich gar nicht anders kann, als das Double aus Meisterschaft und Pokal zu verteidigen.
Wie groß die Diskrepanzen in der Liga in Sachen Niveau und Möglichkeiten noch sind, zeigt der Blick weg vom VfL Wolfsburg hin zu den Aufsteigern aus Duisburg und Meppen. Beim MSV verließen gleich zehn Spielerinnen nach dem Aufstieg den Klub, der nun radikal auf auf einen jungen, entwicklungsfähigen Kader setzt. Fünf der acht Neuzugänge sind unter 20 Jahre alt, das ganze Team ist im Schnitt jünger als 23. Geld, um eine Reihe von gestandenen Bundesligaspielerinnen zu verpflichten, gibt es einfach nicht. Für die junge MSV-Mannschaft wird die Bundesliga zu einer enormen Herausforderung.
Gleiches gilt für den SV Meppen. Im Kader der Emsländerinnen ist so gut wie keine Bundesligaerfahrung vorhanden, auch sie mussten ihre drei besten Torschützinnen ziehen lassen. Und sich auch auf der Trainerposition neu aufstellen. Aufstiegstrainer Theo Dedes entschied sich gegen die Frauenbundesliga und arbeitet lieber als Co-Trainer beim Männer-Drittligisten SV Waldhof Mannheim. Neue Cheftrainerin ist die Niederländerin Carin Bakhuis. Die 32-Jährige kommt von Twente Enschede, wo sie als Co-Trainerin unter Tommy Stroot (heute Cheftrainer beim VfL Wolfsburg) und Robert de Pauw (heute Cheftrainer bei Bayer Leverkusen) arbeitete.
Zumindest der Ligastart macht Hoffnung. Heute Abend empfängt Eintracht Frankfurt die Bayern. Und das nicht auf einem besseren Trainingsplatz, sondern im Waldstadion. Schon jetzt ist absehbar, dass dabei ein neuer Zuschauerrekord für die Liga aufgestellt wird. Im Juni 2014 kamen einst 12.464 Menschen in Wolfsburg zusammen, in Frankfurt werden es vermutlich deutlich mehr. Zwar möchte die SGE auf Nachfrage nichts zum aktuellen Vorverkaufsstand sagen, doch allein der Unterrang des Stadions, in den gut 20.000 Menschen passen, ist fast schon ausverkauft. Auch in Wolfsburg werden beim Auftakt gegen Essen immerhin 3000 Menschen erwartet. Zum Vergleich: Frankfurt stellte in der vergangenen Saison den höchsten Zuschauerschnitt der Liga – mit rund 1500 Fans.
Wie nachhaltig diese Entwicklung ist, muss sich noch zeigen. Langfristig könnte der Liga aber auch ein neuer TV-Vertrag helfen. Die Senderrechte für den Zeitraum der Saisons 2023/24 bis 2026/27 werden derzeit neu ausgeschrieben. Und der DFB hofft, die Spiele möglichst breit – sprich: in möglichst vielen Sendern – platzieren zu können. ARD/ZDF, Eurosport, Sport1 und ProSiebenSat.1 sollen interessiert sein, Sky ebenfalls. Zurzeit zahlt der DFB rund eine Million Euro aus den TV-Einnahmen an die Klubs. Holger Blask, Geschäftsführer der DFB GmbH, prognostiziert für die Zukunft aber „eine spürbare Steigerung“.
Jo, und das sogar als Verkaufsargument. Die Frauenbundesliga plant, ab 2023 Montagsspiele in den Spielplan aufzunehmen. Der übertragende Sender könne dann sogar mitentscheiden, wann angepfiffen wird. Was dahintersteckt, ist klar: Der Montag ist mittlerweile der weitestgehend einzige Wochentag, an dem kein Männerfußball stattfindet. Diese Lücke möchte der DFB nun für die Frauenbundesliga nutzen. Ob das gut gehen kann, steht auf einem ganz anderen Blatt. Leere Stadien, die ein Montagstermin traditionell mit sich bringen kann, dürften der Attraktivität der Liga nach außen hin eher nicht zuträglich sein. Ein Versuch ist es dem Verband aber wert.
Dass die Antwort hier „nicht unbedingt gut“ heißen muss, lässt sich allein daran erkennen, dass nur noch zwei traditionelle Frauenfußballvereine in der Bundesliga spielen. Die SGS Essen und Turbine Potsdam. Ansonsten? Wird der Druck auf diese Klubs durch die Machenschaften von Vereinen wie Eintracht Frankfurt, der TSG Hoffenheim oder Bayern Leverkusen immer größer. Längst ist klar, dass sich diese Entwicklung nicht mehr zurückdrehen lässt: Die Bundesliga wird auf kurz oder lang dem Vorbild der Engländerinnen folgen. Irgendwann wird für kleine Klubs wie Essen oder Potsdam im Konkurrenzkampf mit den deutlich finanzstärkeren Vereinen, die neben dem Männer-Profifußball nun auch in den Frauenfußball drängen, kein Platz mehr sein.
Das sagt auch Alexandra Popp in einem Podcast beim kicker: „Ich glaube schon, dass bei uns, um in diese Dimension der Professionalisierung zu kommen, dieser Weg eingeschlagen werden muss, was es für Mannschaft wie die SGS Essen oder Turbine Potsdam megaschwer macht, sich über längere Zeit zu halten.“ Markus Högner, Trainer der Essenerinnen, fand das gar nicht lustig. Und antwortete: „Im Männerfußball höre ich nicht, dass ein Thomas Müller sagt, für eine Mannschaft wie Greuther Fürth werde es schwierig.“ Natürlich registriere auch er, dass immer mehr Männervereine sich im Frauenfußball breitmachen. Aber: „Es ist nicht so, dass da die Traumwelt entsteht.“
Für Essen und Potsdam wird es dennoch in dieser Saison nur ums sportliche Überleben gehen. Speziell Turbine steht vor einer heiklen Spielzeit. Kickte das Team im Mai noch im Pokalfinale, wurde nur wenig später Trainer Sofian Chahed entlassen, woraufhin auch Präsident Rolf Kutzmutz den Verein verließ und etliche Spielerinnen abwanderten. Die Zeiten, in denen Turbine um Titel mitspielte, dürften endgültig vorbei sein.
Eines schlägt sich dort gar nicht mehr: Die Frauen von Eintracht Frankfurt sind bereits in der Qualifikation zur Champions League ausgeschieden. Die Bayern sind dagegen noch mittendrin und müssen in der Quali Real Sociedad bezwingen. Der VfL Wolfsburg ist als Meister qualifiziert. Und beide Vereine dürften den Anspruch haben, in der Königsklasse nicht nur wieder gut mitzuspielen, sondern sie auch zu gewinnen. Übertragen werden die Champions-League-Spiele übrigens weiter kostenfrei auf YouTube. Eine taktisch kluge Entscheidung von Rechteinhaber Dazn, um den Frauenfußball und letztlich auch das eigene Produkt zugänglicher und prominenter zu machen. Auch die Einschaltquoten waren erfreulich gut, nach der EM im Sommer dürften sie sogar noch besser werden.
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