Den jungen Elfmeterfehlschützen schlägt eine Welle des Hasses entgegen. Dabei sah es zwischenzeitlich aus, als könne das Team das gespaltene Land einen.
Es endete, so titelte auch die „Daily Mail“ am Montagmorgen, mit Tränen. Schon wieder musste England nach einem euphorischen Turnier im Elfmeterschießen weinen. Schon wieder war innerhalb von ein paar Minuten die ganze Hoffnung in Schutt und Asche. Die Hoffnung auf den Sieg vor den eigenen Fans. Die Hoffnung auf das Ende der 55-jährigen Titelflaute. Aber auch die Hoffnungen auf ein besseres England.
„Wir waren ein Leuchtturm, wir haben die Menschen zusammengebracht“, sagte ein etwas fahler Gareth Southgate am Morgen nach dem verlorenen EM-Finale. „Die Nationalmannschaft steht für alle, und das muss weitergehen. Wir haben gezeigt, was dieses Land schaffen kann, wenn wir zusammenkommen.“
So haben es auch andere gesehen. Southgates junge Mannschaft galt für viele als Symbol eines Landes, dessen Stärke in seiner Vielfalt liegt. Mit ihren klaren Botschaften gegen Rassismus und Diskriminierung galt sie als Gegenmodell zu der spaltenden Rhetorik einer populistischen Regierung.
Viele Menschen hatten Freude an den Erfolgen dieser Mannschaft, weil sie ihres Erachtens nach für das Beste an England stand. Und irgendwie stimmte das auch. Doch wer gehofft hatte, dass diese Mannschaft ein gespaltenes Land wirklich zusammenbringen könnte, wurde am Sonntagabend auf bitterste Art und Weise enttäuscht. Denn unmittelbar nach ihren entscheidenden Fehlschüssen im Elfmeterschießen gegen Italien wurden Marcus Rashford, Jadon Sancho und Bukayo Saka mit einer Flut an rassistischen Beleidigungen in den Sozialen Netzwerken angegriffen. Das vereinte Land zeigte sich doch wieder gespalten. England zeigte doch sein hässlichstes Gesicht.
Warum ausgerechnet Saka den letzten Elfmeter schießen musste, bleibt ein Rätsel. Es gab erfahrenere Spieler wie etwa Jack Grealish oder Raheem Sterling, die noch nicht angetreten waren. Aber Southgate, der die große Bürde eines verschossenen Elfmeters selbst allzu gut kennt, schickte trotzdem einen 19-Jährigen vor.
„Bukayo hat die Unterstützung von uns allen“, sagte Southgate am Montag, und nahm gleichzeitig die volle Verantwortung für die stark kritisierte Schützenreihung an. Saka hatte ein fantastisches Turnier gespielt, machte sich mit seiner freudvollen und furchtlosen Kreativität erstmals zum weltweit bekannten Namen. Nun wird sein Erfolg von einem Fehlschuss überschattet. Und nun muss er – wie schon Raheem Sterling vor ihm – sehr schnell ein dickes Fell gegen die Rassisten und die zynischen Kulturkämpfer entwickeln.
„Gestern sahen wir die Führungsqualitäten und den Charakter, den wir von Bukayo kennen. Dieser Stolz wurde aber schnell zu Traurigkeit wegen der rassistischen Kommentare gegen unseren jungen Spieler in den sozialen Netzwerken“, schrieb Sakas Verein FC Arsenal in einem Statement und versprach, den Spieler „emotional und praktisch“ zu unterstützen. „Nicht zum ersten Mal müssen wir den Rassismus gegen einige schwarze Spieler verurteilen.“