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Michael Hart­mann, was macht in Ihren Augen einen guten Nach­wuchs­trainer aus?

Das hängt von vielen Fak­toren ab. Weil du jedes Jahr quasi eine neue Mann­schaft hast, musst du dich immer wieder neuen Her­aus­for­de­rungen stellen und auf die unter­schied­li­chen Cha­rak­tere ein­gehen. Du musst an den Stärken der Spieler arbeiten, aber vor allem ihre Schwä­chen erkennen und da den Hebel ansetzen. Das können nicht fünf oder sechs Dinge sein, son­dern höchs­tens ein oder zwei.

Macht einen guten Nach­wuchs­trainer auch aus, dass er nicht so schnell wie mög­lich eine Profi- Mann­schaft trai­nieren will?

Es gibt leider Trainer, die den Nach­wuchs nur als Zwi­schen­sta­tion sehen und jede Gele­gen­heit nutzen, um nach oben zu kommen. Für mich ist das nicht die Ide­al­vor­stel­lung. Im Nach­wuchs brauchst du Kon­ti­nuität. Den­noch kann es ja das Ziel sein, dann irgend­wann auch eine Pro­fi­mann­schaft zu trai­nieren.

Ein guter Nach­wuchs­trainer sagt also: Ich bringe die Jungs voran – nicht mich selbst?

Richtig. Du musst lang­fristig denken. Wenn du sagst, ich will unbe­dingt zu den Män­nern, wirst du nur noch mann­schafts­ori­en­tiert denken, und nicht daran, wie sich der Ein­zelne ver­bes­sern kann.

Wollen Sie dau­er­haft im Nach­wuchs bleiben?

Momentan ist das geplant, ja.

Was ist da anders als bei den Män­nern?

Der größte Unter­schied ist die mediale Beglei­tung. Wenn es mal schlecht läuft, muss man sich nicht ständig recht­fer­tigen. Dadurch kannst du dich viel mehr auf die Spieler kon­zen­trieren. Aber mitt­ler­weile wird auch im Nach­wuchs viel auf Ergeb­nisse geschaut.

Ist das ein Pro­blem im deut­schen Fuß­ball?

Ich glaube, das Pro­blem liegt eher in der Trai­ner­aus­bil­dung. Viele machen mit Mitte 20 ihre Lizenzen. Die sind dann in der Theorie sehr gut, haben aber kaum prak­ti­sche Erfah­rung. Das ist nicht der rich­tige Weg. Wichtig wäre es, mehr Wert auf die indi­vi­du­elle Aus­bil­dung der Spieler zu legen und nicht nur auf das System der Mann­schaft. Wenn ein Spieler ständig gesagt bekommt: Spiel den Ball von A nach B, dann macht er das. Aber das bringt ihn indi­vi­duell nicht weiter. Er muss selbst Lösungen erkennen und umsetzen.

Inwie­fern haben Ihnen Ihre Erfah­rungen als Spieler geholfen?

Mir hat als Spieler immer die indi­vi­du­elle Betreuung gefehlt. Du warst mehr oder weniger auf dich selbst ange­wiesen. Das habe ich mit in den Nach­wuchs genommen. Ich stehe grund­sätz­lich für zusätz­liche Ein­heiten bereit. Ich gehe auch ganz alleine mit jemandem auf den Platz, aber er muss auch Bock darauf haben.

Wie unter­scheidet sich Ihre Arbeit bei Hertha von der bei Hansa Ros­tock, wo Sie eben­falls U19-Meister geworden sind?

In Ros­tock gab es nicht diese Fülle an Qua­lität wie hier. Und der Cha­rakter der Jungs war ganz anders. Ich habe damals ganz bewusst Kevin Pan­ne­witz aus Berlin geholt, weil du ein­fach einen Typen in der Mann­schaft brauch­test. Die anderen Spieler waren alle ein biss­chen zurück­hal­tend und sehr ruhig. Wir hatten drei dabei, die haben ihr Abitur mit 1,0 gemacht. Außerdem hatte ich in Ros­tock nur 18 Spieler. Hier sind es 28.

Dass ein Trainer unter beiden Bedin­gungen erfolg­reich ist, spricht ja auch ein biss­chen für ihn, oder?

Als wir mit Ros­tock Meister geworden sind, war ich seit gerade zwei Jahren Trainer. Wir haben auch gegen Mann­schaften wie Wolfs­burg oder Hertha gespielt, die zwei oder drei U‑Nationalspieler in ihren Reihen hatten. Wir hatten die nicht. Wenn du dich trotzdem durch­setzt, ist das sicher­lich ein toller Erfolg.

Der DFB will in der Aus­bil­dung umsteuern und die Bolz­platz­men­ta­lität wieder stärker betonen. Gibt es die bei Hertha noch?

Das glaube ich schon. Wir haben noch den einen oder anderen echten Stra­ßen­fuß­baller, bei dem du dir manchmal denkst: Mensch, nicht nur immer den Kopf runter und dann düde­dü­delütt. Wir holen ja grund­sätz­lich nicht so viele Spieler von außer­halb. Wir haben in erster Linie Ber­liner und Bran­den­burger, die von den Schul­höfen zu uns kommen und tech­nisch schon ganz gut aus­ge­bildet sind.

Gibt es bei Hertha so was wie einen Käfig, um den Stra­ßen­fuß­ball zu simu­lieren?

Im Leis­tungs­zen­trum haben wir einen Court, wo die Klei­neren eins gegen eins spielen können. Und grund­sätz­lich können die Jungs immer früher auf den Platz gehen. Aber man darf auch nicht ver­gessen, dass sie in der Woche auf sieben, acht Trai­nings­ein­heiten kommen, neben der Schule. Irgend­wann müssen sie auch mal die Füße hoch­legen.

Meikel Schön­weitz, der Nach­wuchs-Chef­trainer des DFB, sagt, dass Berlin die letzte Stadt sei, in der es noch Stra­ßen­fuß­ball­men­ta­lität gebe.

Wir werden oft für unseren Weg gelobt: für die Durch­läs­sig­keit, den Aus­tausch mit Pal Dardai, die Zusam­men­ar­beit mit Ante Covic von der U 23. Wir haben alle einen guten Draht zuein­ander.

Ist es ein Vor­teil, dass Chef­trainer Pal Dardai ein frü­herer Kol­lege aus dem Nach­wuchs ist?

Ich sehe das als großes Plus. Pal kennt die Abläufe. Der Aus­tausch ist sehr gut, die Wege sind kurz. Wenn bei den Profis mal jemand aus­fällt im Trai­ning, kann ich schnell einen Jugend­spieler hoch­schi­cken. Wir kennen und schätzen uns, haben ja noch zusam­men­ge­spielt. Ich kann jeden Tag zu ihm gehen. Aber das kannst du eben nicht überall kopieren. Was du ändern kannst, ist die Men­ta­lität.

Was meinen Sie damit?

Die meisten Trainer fangen in der U12 oder U13 an. Da ver­dienen sie aber nur kleines Geld, oder sie sind nicht haupt­amt­lich ange­stellt. Dem­entspre­chend wollen sie so schnell wie mög­lich nach oben. Da müsste es ein Umdenken geben. Wir sagen ja nicht umsonst, dass wir die besten Trainer im unteren U‑Bereich brau­chen. Das gol­dene Lern­alter ist nun mal zwi­schen zehn und zwölf Jahren.

Seit Jahren hört man die Klagen, dass es im deut­schen Fuß­ball keine Eins-gegen-eins-Spieler mehr gibt. Hat es erst so ein Debakel gebraucht wie die WM 2018, damit sich etwas ändert?

Es gibt diese Spieler doch, auch in den U‑Mannschaften. Du musst sie nur lassen. Im Spiel hast du so viele unter­schied­liche Situa­tionen, die kann ich sowieso nicht alle von draußen coa­chen. Da muss der Spieler schon selbst Lösungen finden. Und ich als Trainer muss ihm das nötige Ver­trauen dafür ver­mit­teln. Wir sind viel­leicht gegen­über Eng­land und Frank­reich unter­legen in der Ath­letik und der­Schnel­lig­keit. Aber fuß­bal­le­risch müssen wir uns vor nie­mandem ver­ste­cken. Man sollte sich nicht blenden lassen von großen Tur­nieren, bei denen allein das Ergebnis zählt.

Als Hertha zu dieser Saison Javairo Dil­rosun ver­pflichtet hat, hat Pal Dardai gesagt: Einen sol­chen Spieler hatten wir nicht, auch nicht in unserer Aka­demie.

Die haben wir schon. Palko Dardai zum Bei­spiel. Oder Muhammet Kiprit. Der ist auch ein Eins-gegen-eins-Spieler. Aber die Jungs brau­chen eben noch ein biss­chen Zeit für das höchste Niveau.

Heute treffen Sie mit der U19 im Ach­tel­fi­nale der Youth League auf Paris St. Ger­main. Was erwartet Hertha da?

Paris hat eine sehr, sehr ordent­liche Mann­schaft mit vielen großen und schnellen Spie­lern, die richtig gut umschalten können. PSG will Fuß­ball spielen. Dabei machen sie den einen oder anderen Fehler, den du pro­vo­zieren kannst. Aber selbst beim 2:5 gegen Liver­pool waren sie besser. Das wird eine sehr große Her­aus­for­de­rung. Aber wir müssen uns auch nicht ver­ste­cken.

Sie dürfen nur drei Spieler aus dem 99er-Jahr­gang ein­setzen, mit dem Sie den Meis­ter­titel gewonnen haben. Wie oft hat man einen sol­chen Jahr­gang?

Selbst diese Mann­schaft musste sich erst ent­wi­ckeln. Bevor sie Meister wurde, hat sie in der U15 zum letzten Mal was geholt. Und für einen sol­chen Erfolg muss viel zusam­men­kommen. Das ist ganz normal. Genauso ist es normal, dass man mal einen etwas schwä­cheren Jahr­gang hat. Sonst wüssten wir ja gar nicht, wohin mit den Talenten.

Aber die nächsten kommen schon nach?

Wir haben in jedem Jahr­gang zwei, drei Spieler, die es ordent­lich machen. Aber auf Dauer wird es nicht ein­fa­cher.

Warum nicht?

Weil die Kon­kur­renz enorm ist. Wolfs­burg hat schon immer eine gute Jugend­ar­beit gemacht, Leipzig ist dazu gekommen, und im Moment sind vor allem die Bayern sehr aggressiv.

Wenn ein Klub wie Bayern einen Nach­wuchs­spieler von Hertha umwirbt, welche Argu­mente haben Sie dann noch?

Wir können mit unserem Weg werben. Näm­lich, dass sehr viele Spieler oben ankommen. Die Bayern wollen auch mal wieder einen Müller oder Schwein­steiger ent­wi­ckeln, aber auf ihrem Niveau ist es schwer. Pep Guar­diola hat es mal pro­biert mit Luca Scholl und Gian­luca Gau­dino. Und wo spielen die jetzt? Bei uns hast du als Nach­wuchs­spieler die rea­lis­ti­sche Chance, es zu den Profis zu schaffen. Das hat auch was mit der Kon­stel­la­tion zu tun, dass Pal Dardai Chef­trainer ist. Außerdem ist das die Phi­lo­so­phie des Verein. Mehr Argu­mente braucht man eigent­lich gar nicht.