Nach 26 Jahren und 295 Ausgaben ist Schluss für das berühmte United-Fanzine „Red Issue“. Gründer John-Paul O’Neill im Abschiedsinterview.
John-Paul O’Neill, wann haben Sie sich entschlossen, „Red Issue“ einzustellen?
Wir tragen den Gedanken schon eine ganze Weile mit uns herum. Wir dachten bereits 2005, dass die Glazers uns nach der Übernahme den Garaus machen, aber das passierte nicht. Doch je länger ihre Eigentümerschaft andauert, umso mehr wurde uns klar, dass wir das nicht mehr mittragen wollen. Hinzu kam der Deal mit Adidas im Sommer.
Warum?
Die haben für zehn Jahre Sponsoring eine Summe bezahlt, die nah an dem gesamten Wert des Klubs vor zehn Jahren lag. Bei solchen Geldströmen begreifst du, wie egal dem Verein das Anliegen der Fans ist, wie wenig er für sie tut. Wir sind einfach müde geworden von all der Kommerzialisierung und dem Unsinn des modernen Fußballs.
Was genau meinen Sie?
Drei Beispiele: Erstens diese totale Durchdringung des Geldes. Für die Fans hat ein Klub keinen monetären Wert, doch es ist schon so weit gekommen, dass manche Anhänger die Begriffe der Finanzwelt übernommen haben. Der Verkauf eines Starspielers ist mittlerweile eine „gute Einnahmequelle“ – so als würden sie zum Fußballplatz gehen, um sich von Geldbündeln auf dem Rasen unterhalten zu lassen. Und da ist diese Klebrigkeit von Unternehmen, die sich ganz oberflächlich an die Klubs ranschmeißen, um die Leidenschaft der Leute für sich auszunutzen. Drittens nervt dieser bittere Ernst, mit dem über absolute Nichtigkeiten des Fußballs wie Transfers und Schiedsrichter debattiert wird, als ginge es dabei um wirklich wichtige Themen wie die Entschlüsselung des Gesundheitssystems oder die Armutszunahme in der Welt.
Was werfen Sie Ihrem Klub konkret vor?
Manchester United verkauft alles an den Höchstbietenden, es geht bloß um Einnahmen. Das wäre in Ordnung, wenn sie dadurch die Eintrittskartenpreise subventionieren oder die Gemeinde unterstützen würden. Die Preise sind schon derart in die Höhe getrieben, dass der Markt es gerade so erlaubt. Doch wer bekommt das Geld? Es wandert in die Tasche der Glazers, um deren Schulden zu bezahlen.
Manche Fans mutmaßten, der Abschied von „Red Issue“ hänge mit finanziellen Problemen zusammen.
Das stimmt nicht. Wir waren bis zuletzt das bestverkaufte Fanzine am Old Trafford. Durch unsere Einnahmen konnten wir den Verkäufern, Druckern und Autoren ein anständiges Honorar zahlen. Wir hatten feste Schreiber und gelegentliche Mitarbeiter, alle wurden je nach Beitrag bezahlt.
Mitunter verspotten Stadiongänger die Fanzineverkäufer vor dem Eingang als „Zeugen Jehovas“. Kannten Sie so etwas auch?
Sprüche sind normal, aber nicht in dieser Richtung. Eigentlich bekamen wir immer positives Feedback. Das „Red Issue“ wurde seit 1989 vorm Old Trafford verkauft. Die Fans sahen es als integralen Bestandteil des Spieltages.
In Deutschland gibt es immer weniger gedruckte Fanzines. Wie sieht es in England aus?
Hier ist es ähnlich. Das Internet hat dazu beigetragen, dass viele Fanzines nicht mehr so eine große Auflage verkaufen. Jeder kann heutzutage mit vergleichsweise wenig Aufwand einen Blog starten. Nichtsdestotrotz wird die Fanzine-Kultur nicht sterben. Da draußen gibt es immer noch sehr gute Hefte – und die Leute werden immer bereit sein, für Qualität zu zahlen.
Als Liverpools Suarez beschuldigt wurde, Manchesters Patrice Evra rassistisch beleidigt zu haben, hat das „Red Issue“ Ku-Klux-Klan-Masken für Liverpool-Fans mit dem Aufdruck „LFC – Suarez ist unschuldig“ gedruckt. Einige empfanden das als Grenzübertritt.
Ein Grenzübertritt war eher die Reaktion der Greater Manchester Police, die uns dafür verhaften wollte. So weit ist der Fußball also schon, wenn die Polizei ein satirisches Bild als „aufhetzend“ erachtet. Wenn man sich diese Reaktion anschaut, war es im Nachhinein richtig von uns, das Bild zu drucken. Wir würden es heute noch einmal so machen.
In der Kolumne „The word on the street“ wurden Gerüchte und Spekulationen aufgegriffen – mit teilweise sehr verlässlichen Quellen. Stimmt es, dass das Fanzine bei manchen Meldungen schneller war als die englische Presse?
Ja, da gab es Unmengen an Stories, die wir zuerst brachten. Wir hatten eben viele Quellen: Langjährige Leser mit unterschiedlichen Berufen aus jeder Ecke des Landes und der Welt versorgten uns mit Informationen. So berichteten wir vor allen anderen über das Comeback von Paul Scholes vor dem Spiel gegen Manchester City. Das war einer unserer größten Scoops.
Wie kam es damals dazu, dass Ihr ein United-Banner in den Fanblock von Manchester City schmuggeln konntet?
Ich hatte die Idee und habe eine blaue Fahne gekauft. Mein Bruder und sein Kumpel haben sich dann Tickets für den City-Block geholt und sie mit reingenommen. Die Umstehenden schöpften aufgrund der Farbe keinen Verdacht. Doch auf dem Banner stand in roten Buchstaben geschrieben: „Manchester is red“. Das sah aber keiner der City-Fans und so wurde das Banner über die Köpfe durch den gesamten Fanblock weitergereicht.