Bis heute hält Klaus Fichtel den Rekord als ältester Bundesliga-Spieler aller Zeiten. Am Anfang seiner Karriere spielte er gegen Uwe Seeler, am Ende gegen Jürgen Klinsmann. Heute wird er 75 Jahre alt. Ein Gespräch über Skandale, das Ruhrgebiet und 23 Bundesliga-Jahre.
1968 haben Sie die Kapitänsbinde übernommen, schon nach einem Jahr aber darauf bestanden, sie wieder abzustreifen. Was war da los?
Es gab ein paar Probleme vor dem Pokalendspiel. Es ging einfach ums Geld, wovon Schalke wie immer sehr wenig hatte. Weil die Bayern Meister waren, standen wir allerdings schon automatisch im Europapokal, was für den Verein gewaltige Einnahmen bedeutete. Trotzdem wollte uns Günter Siebert nur 2500 oder 3000 Mark Prämie zahlen, und das war uns zu wenig, so jedenfalls haben wir das als Mannschaft besprochen. Wie sich später aber herausstellte, sind mir einige Kollegen in den Rücken gefallen. Und da habe ich gesagt, wenn das so ist, dann will ich auch kein Spielführer mehr sein.
Ihr Nachfolger wurde „Stan“ Libuda, der große Querkopf im Team. Was war er für ein Typ?
Der war eigentlich ein sehr netter Kerl und als Mitspieler wirklich angenehm. Sicherlich war Stan ein bisschen kontaktscheu und privat vielleicht etwas schwierig, aber recht frei von Starallüren. Ich hatte überhaupt keine Probleme mit ihm und die meisten anderen auch nicht. Die bekam er dann erst, als er nach Dortmund ging, wo er einfach nie glücklich wurde. Er war eben sensibel und brauchte seine Schalker Umgebung. In Dortmund fühlte er sich nicht wohl und fand auch keinen Draht zu seinen Mitspielern. Er ist dort immer fremd geblieben.
Wie stand es ansonsten um die Rivalität zum BVB?
Die gab es im Grunde schon immer. Wenn es gegen Borussia ging, dann war das das Spiel des Jahres. Ich denke, es war früher sogar noch intensiver, denn vor dem Spiel und auch währenddessen gab es viele hässliche Szenen zwischen den Fans. Das war manchmal wirklich heftig.
Im September 1969 waren Sie bei einem der legendärsten Revierderbys dabei. Erzählen Sie mal.
Es geschah in Dortmund. Wie immer waren sehr viele Leute in der Kampfbahn Rote Erde, und die Absicherung war miserabel. Die Leute standen bis zur Aschenbahn, und es gab nur Ordner mit Hunden, die vielleicht zehn Meter neben dem Platz standen. Aus dem Spiel heraus kam es dann zu einem Tumult, plötzlich war der Platz voller Menschen und die Ordner mit ihren Hunden mittendrin. Man kann sich vorstellen, weil da so viele Menschen waren, da drehten die Tiere ein bisschen durch. So wurde dann Gerd Neuser in den Oberschenkel gebissen und Friedel Rausch in den Hintern, denn er stand wohl etwas ungünstig. Als Zugabe zu dieser Geschichte hat unser Präsident fürs Rückspiel dann drei junge Löwen besorgt und sie vor dem Anpfiff über den Platz geführt.
Friedel Rausch wurde von der Mannschaft sicher getröstet.
Naja, der Friedel war als Typ auch nicht unbedingt labil oder hilfsbedürftig. Der war ein gestandener Mann und sehr rustikal in seiner Spielweise. So hat er die Geschichte auch hingenommen und den Spott entsprechend angezogen. Doch, die Mitspieler haben schon gewaltig gestichelt.
Sie haben erlebt, wie Gladbach und Bayern als Aufsteiger sofort zu Spitzenteams wurden. Warum ging es auf Schalke nicht voran?
Es fehlte ganz einfach das Geld. Schalke hatte viele Altlasten und konnte dann keine großen Sprünge machen. Man hat dann immer auf die Jugendarbeit gehofft, aber es war auch damals schon sehr schwierig, jemanden von den Amateuren direkt in die Bundesliga zu schmeißen. Man konnte immer nur Spieler kaufen, die nicht so teuer waren und hoffen, dass mal einer groß rauskommt. Solche Juwelen wie Gerd Müller oder Bernd Rupp hatten wir nur leider nicht.
Gab es denn Mitspieler, denen Sie mehr zugetraut hätten?
Wir hatten sicherlich Leute, die sehr viel Veranlagung hatten. Ich kann mich zum Beispiel an Werner Weikamp erinnern, aus Bocholt kam der, das war so ein kleiner Linksfuß, der unheimlich viele Möglichkeiten hatte, aber irgendwie dann doch untergetaucht ist. Oder Werner Grau, der zu Anfang viele Tore geschossen hat und sehr guten Zug zum Tor hatte, ist dann auch plötzlich verschwunden.
War es auch für Sie ein Stück weit frustrierend? Zumindest anfangs mussten sie sich ja auf eine Karriere im Abstiegskampf einstellen.
Schon, aber ich war eben ein bodenständiger Spieler, der sich im Ruhrgebiet sehr wohl fühlt. Außerdem hat Schalke mir die Möglichkeit gegeben, mich weiterzuentwickeln, und ich bin hier ja auch Nationalspieler geworden. Zu wechseln kam mir nie in den Sinn. Ich war immer zufrieden mit den Angeboten, die vom Verein kamen. Und das war ja auch nicht unüblich. Ich würde sagen, dass fast drei Viertel der Spieler aus dem näheren Umkreis kamen. Da weiß man schon, wo die Wurzeln lagen.
Hatten Sie denn andere Angebote?
Ich hätte mal nach Gladbach gehen können, weil ich auch sehr gut mit Günter Netzer und Berti Vogts befreundet war. Oder auch zu den Bayern. Aber München war mir einfach zu weit weg, und Schalke hat mir immer ein Angebot für mehrere Jahre gemacht. Ich fand es so viel angenehmer, brauchte nicht umzuziehen, konnte zu Hause bleiben und die normalen Wege machen.