Vicente Sanchez
Andreas Müller hat es als aktiver Spieler auf 338 Bundesligaspiele gebracht, er war ein seriöser Arbeiter im Mittelfeld, dessen Talente zwar überschaubar waren, dem man aber ein überdurchschnittliches Maß an Übersicht und taktischem Gespür nachsagte. Als Manager von Schalke 04 hat Müller diese Fähigkeiten dem Gelsenkirchener Anhang bislang noch vorenthalten, im kollektiven Gedächtnis sind indes Aussagen geblieben, die Phrasenfreunde wohl eher als »taktisch unklug« bezeichnen würden.
Mitte Januar 2008 stellte 04 den Uruguayer Vicente Sanchez vor, einen Spieler, der kurioserweise aussieht wie Pablo Antonio »Dios« Di Ospeo, dem launigen Schalker Stareinkauf im Fußball-Film «Fußball ist unser Leben«. Den Transfer der Wirklichkeit vorstellend sprach Manager Müller stolze Sätze: »Vicente Sanchez war unser absoluter Wunschkandidat für den Angriff. Er ist schnell, dribbelstark und hat einen guten Torabschluss.«
Große Worte, die inzwischen so unangebracht wirken, dass man sich fast schon fremdschämen muss. Sanchez absolvierte zunächst eine eher mäßige Rückrunde, in der er 14 Mal eingewechselt und viermal ausgewechselt wurde, schoss ein Tor, gab eine Vorlage und konnte eigentlich nur gegen Energie Cottbus die angepriesenen Fähigkeiten andeuten. Beim rasanten 5:0‑Erfolg am 29. Spieltag war das allerdings auch kein großes Kunststück mehr.
Die aktuelle Spielrunde läuft bislang – man muss es so deutlich sagen – desolat für den 29-Jährigen, der 2007 noch zum besten Offensivmann und wertvollsten Spieler Mexikos gekürt wurde. Die Zahlen sind beängstigend: Achtmal stand Sanchez auf dem Platz, achtmal wurde er eingewechselt, spielte nie mehr als eine Halbzeit und schoss nicht ein einziges Tor. Zweimal wurde er von den kicker-Lehrkräften benotet, sein Durchschnitt: 5,25. Dass der Stürmer in seinem Land vor nicht einmal zwei Jahren noch ein gefeierter Held im Nationaltrikot war, dürfte dem Schalker Anhang heute wie ein schlechter Witz vorkommen.
Film-Held »Dios« wird nach schlechten Leistungen von empörten Schalke-Fans gekidnappt und schießt am Ende das entscheidende Tor. Gegen das Ende der Geschichte hätte Vicente Sanchez sicherlich auch nichts einzuwenden.
Albert Streit
Dem Fußballer Albert Streit sagt man nach, dass er sehr unerwartete Dinge tut. Auf dem Platz sind es wilde Offensivaktionen gepickt mit herrlichen Haken, die einer nur so schlagen kann, wenn er über ein erhebliches Maß an Technik und Spielwitz verfügt.
Es sind allerdings auch träge Vorstellungen mit einer enorm hohen Fehlpassquote, die das Bild der Schalker Anhänger vom Winterzukauf Albert Streit geprägt haben. Auch abseits des Platzes ist der in Bukarest geborene 28-Jährige immer wieder für Überraschungen gut: Streit war knapp zwei Monate auf Schalke, als er sich in der Frankfurter Rundschau ausweinte. »Es läuft hier alles ein bisschen komisch, sehr komisch sogar. Die Situation ist unbefriedigend und ungewohnt«, sprach der Flügelspieler ob seiner Kurzeinsätze und der drohenden Karriere auf der Ersatzbank. »Das ist ungewohnt und eine neue Erfahrung für mich. Ich habe mir das alles ganz, ganz anders vorgestellt«, maulte Streit und deutete an sich bereits nach anderen Vereinen umzuschauen. Trainer Mirko Slomka schenkte ihm dann tatsächlich häufiger das Vertrauen und setzte den 2,5 Millionen Euro teuren Spieler mehrfach ein, doch bei insgesamt zehn Einsätzen spielte Streit nur einmal die komplette Spielzeit durch: bei der höchsten Schalker Niederlage unter Trainer Slomka (1:5 gegen Werder Bremen) gehörte Streit zu den schwächsten Spielern im Mittelfeld. Eine Woche später saß er im Heimspiel gegen Cottbus nur auf der Bank und wurde nach 76 Minuten eingewechselt – da führte S04 bereits mit 4:0.
Noch schlechter sieht Streits Bilanz in der aktuellen Saison aus. Trainer Fred Rutten hat den flinken Rechtsfuß zum Dauerreservisten degradiert, viermal stand Streit auf dem Platz, nur einmal ließ ihn den Holländer von Beginn an spielen. Der Spieler reagierte – und forderte im September empört: »Wenn sich bis zum Winter an meiner Situation nichts ändert, will ich weg.« Zweimal schon musste offensiven Mittelfeldmann in der Schalker Amateurmannschaft ran, zu viel für den gekränkten Streit. Dass er Fähigkeiten hat, die die Bundesliga bereichern, hat Albert Streit während seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt bewiesen, nur auf Schalke warten sie jetzt schon ein Jahr lang darauf, dass der Spieler mit der Rückennummer sechs endlich mal wieder etwas Unerwartetes fabriziert. Auf Platz, wohlgemerkt.
Zé Roberto II
Geht es nach José Roberto de Oliviera, genannt Zé Roberto, genannt Zé Roberto II, hat sich die Liaison mit dem Bundesligisten aus Deutschland bereits erledigt. »Ich kehre nicht mehr nach Deutschland zurück«, sagte er dem brasilianischen Internetportal globoesporte.com kurz vor Weihnachten. Zu kalt das Klima, zu früh der Trainingsbeginn beim FC Schalke 04: Zé Roberto II hat die Nase voll von Deutschland.
Den Schalker Anhang wird das nicht sonderlich schocken, nur wenige wissen überhaupt noch, dass dieser ominöse Wintereinkauf vom Januar 2008 noch im Kader der Knappen“steht. Ganze 32 Minuten hat der 3 Millionen teure Brasilianer für seinen neuen Verein absolviert – und zwar in der vergangenen Saison. In dieser Spielzeit wurde Zé Roberto, der bei seiner Verpflichtung als energische Offensivkraft im Mittelfeld angepriesen wurde, nicht ein einziges Mal eingesetzt. Unter Trainer Rutten stagniert seine Karriere nicht, sie ist stillgelegt. Manager Andreas Müller muss sich vorwerfen lassen, dass er einen Spieler verpflichtete, dessen Qualitäten noch nicht einmal für ein Reservistendasein in der Bundesliga ausreichen. Der 28-Jährige reiht sich damit nahtlos ein in die Kette erfolgloser Wintertransfers.
Andreas Müllers Gespür im Schnee: Es hat nicht wirklich für ein Wintermärchen gereicht.