Lionel Messi will den FC Barcelona verlassen. Wenn der Klub einen echten Umbruch vollziehen will, sollte er dem Wunsch stattgeben. Auch, um sein Gesicht zu wahren.
„Kein Spieler ist größer als der Verein“, sagen Fußballromantiker gerne. Zum Beispiel, wenn sie trotzig den Abgang des besten Spielers hinnehmen müssen. Soll er doch gehen. Was ist schon ein einzelner Akteur im Vergleich zur großartigen Historie unseres ruhmreichen Vereins?
Beim FC Barcelona ist das anders. Denn der FC Barcelona will noch mehr sein als ein Klub: „Més que un club“. Doch dieses „Més“, das bestand nach den Abgängen von Identifikationsfiguren wie Carles Puyol, Xavi und Andrés Iniesta in den letzten Jahren fast ausschließlich aus Lionel Messi. Nun will der Argentinier den Verein nach 20 Jahren verlassen. Das teilte Messi dem Klub am Dienstagabend hochoffiziell per Einschreiben mit – und sorgte damit für ein Beben in Katalonien.
Noch in der Nacht versammelten sich wütende Anhänger vor dem Camp Nou. Sie forderten den sofortigen Rücktritt von Präsident Josep Bartomeu, dem sie vorwerfen, ihren Liebling vergrault zu haben. Auch ihre Reaktion zeigt: Der FC Barcelona der vergangenen Jahre war Lionel Messi. Das Problem ist: Entgegen seiner Definition war er darüber hinaus nicht viel mehr.
Sportlich ist Lionel Messi noch immer über jeden Zweifel erhaben. Er bricht Rekord um Rekord. Er trifft wie am Fließband. Er ist der Grund, weshalb Menschen sich Fußballspiele ansehen. Weil er sie begeistert. Weil er auf unerwartete Arten Erwartbares, also Tore, produziert. Weil er der beste Fußballer der Welt ist.
Doch das Problem ist: Der beste Fußballer der Welt spielt nicht mehr in der besten Mannschaft der Welt. In den vergangenen Jahren erlebte der FC Barcelona einen schleichenden Niedergang, der im historischen 2:8 im Champions-League-Viertelfinale gegen Bayern München kulminierte. Erstmals seit 2008 stehen die Katalanen in dieser Saison ganz ohne Titel da.
Und das liegt auch an Lionel Messi. Beziehungsweise: an der Abhängigkeit der Mannschaft von Lionel Messi. An mehr als der Hälfte der Tore war der 33-Jährige in dieser Saison direkt beteiligt. Doch weder Ernesto Valverde, noch seinem Nachfolger Quique Setién gelang es, ein funktionierendes System um den Argentinier herum zu bauen. Auch weil die Integration teurer Neuzugänge wie Philippe Coutinho, Ousmane Dembélé oder Antoine Griezmann scheiterte. Seit dem Weggang von Pep Guardiola fehlt eine übergeordnete Spielidee, als deren Teil sich alle Akteure begreifen.