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Was wisst ihr eigent­lich über Al-Ahly? Etwas unver­mit­telt steht die Frage im Raum, aber Ahmed Shawkat muss unbe­dingt klar machen, wie groß sein Klub ist. In diesem Restau­rant in Istanbul, mehr als tau­send Kilo­meter von Kairo ent­fernt, ist das natür­lich schwer nach­zu­voll­ziehen. Doch seinem Freund Amr Ali und ihm ist das wichtig. Also: Al-Ahly wurde 38 Mal ägyp­ti­scher Meister, häu­figer als alle anderen im Land. Al-Ahly gewann 19 afri­ka­ni­sche Pokale, mehr als alle anderen des Kon­ti­nents. Einen grö­ßeren Klub findet man nicht in Afrika, und auch nicht viele in der Welt. Ein­hun­dert Mil­lionen Anhänger zähle Al-Ahly, in Ägypten allein seien es sechzig Mil­lionen, schwärmen die beiden Ultras der ersten Stunde. Keine Partei, keine Gewerk­schaft, keine andere Orga­ni­sa­tion bringt dort so viele Men­schen zusammen. Wenn es den Klub nicht gäbe, würde ich das ganze Land nicht wollen“, sagt Shawkat.

Früher hätte Mus­tafa Mekki, der neben ihnen sitzt, in diesem Moment wahr­schein­lich zumin­dest abschätzig mit den Augen gerollt. Auch er ist Ultra, aber von Zamalek, Al-Ahlys großen Rivalen, der eben­falls Mil­lionen Anhänger hat. Doch in der Fremde ist das Ver­bin­dende wich­tiger als das Tren­nende. Mekki ist 26 Jahre alt, die beiden anderen sind ein Jahr jünger. Alle drei haben in ihrer Heimat Jura stu­diert und mal gehofft, aus Ägypten ein gerech­teres Land zu machen. Sie haben dafür auf den Straßen von Kairo gekämpft, als dort 2011 der Ara­bi­sche Früh­ling begann. Und sie haben irgend­wann auf­ge­geben, ver­ließen ihr Land, kamen nach Istanbul, als Aus­wan­derer und auch als Exi­lanten.

72 Men­schen wurden schlichtweg mas­sa­kriert

Sie sind in dieses Restau­rant gekommen, um ihre Geschichte zu erzählen und die Geschichte eines Fuß­ball­spiels, das sich in diesen Tagen jährt. Vor fünf Jahren, am 1. Februar 2012 in Port Said, spielte der hei­mi­sche Klub Al-Masry gegen Al-Ahly, danach starben bei Aus­schrei­tungen 72 Men­schen. Wobei Aus­schrei­tungen“ nicht einmal ansatz­weise das beschreibt, was in jener Nacht geschah. Denn die Men­schen in der Fan­kurve von Al-Ahly wurden in den Tod getrieben oder schlichtweg mas­sa­kriert.

Was an jenem Abend geschah, hatte Aus­wir­kungen auf die Lebens­wege einer ganzen Gene­ra­tion junger Ägypter. Ohne dieses Spiel wären auch die drei jungen Männer nicht in Istanbul; in die Türkei können Ägypter pro­blemlos gelangen. Ahmed Shawkat, den eine Aura großer Ernst­haf­tig­keit umgibt, kam vor zwei­ein­halb Jahren und arbeitet heute als Stadt­führer für ara­bi­sche Tou­risten. Der betont läs­sige und flip­pige Amr Ali ist erst seit gut einem halben Jahr da und schlägt sich mit Über­set­zungs­jobs durch, nebenbei betreut er ehren­amt­lich Kinder von Flücht­lingen. Mus­tafa Mekki kam schon 2013, ist inzwi­schen mit einer Türkin ver­lobt und jobbt als Auf­seher in einer kleinen Tex­til­fa­brik. Ihr Leben in der Türkei ist nicht ein­fach, oft ist das Geld knapp, aber hier können sie ihre Geschichte offen erzählen, ohne Angst vor den Spit­zeln der Geheim­po­lizei, die in Kairo an jeder Ecke lauern. Denn aus dem Ara­bi­schen Früh­ling ist in ihrer Heimat längst ein eisiger Winter der Repres­sion geworden.

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Die Mutter eines der Ermor­deten von Port Said zeigt kurz nach dem Mas­saker ein Foto seiner Leiche.

Luca Sola
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Der Bruder eines anderen Toten wäh­rend einer Demons­tra­tion.

Luca Sola
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Sit-in am 27. März 2012 in Kairo. Bei Demons­tra­tionen konnten die Ultras Ahlawy bis zu 40 000 Leute mobi­li­sieren und die Polizei her­aus­for­dern.

Luca Sola
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An einem Graf­fiti, das einer der Toten von Port Said gemalt hat, trauert sein Bruder.

Luca Sola
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Ein Ultra Ahlawy, der nicht erkannt werden will, vor einem Pro­test­slogan.

Luca Sola
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In einem Zelt des Pro­test­la­gers nach dem Mas­saker von Port Said.

Luca Sola
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Die Zahl 74 erin­nert an die 72 dort Getö­teten und zwei wei­tere Ultras, die vorher bei Demos umkamen.

Luca Sola
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Zimmer von Mohammed Kota, Ultra von Al-Masry, der wegen des Mas­sa­kers in Port Said zum Tode ver­ur­teilt wurde.

Luca Sola
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Nasra Fahmi, die Mutter eines wei­teren zu Tode Ver­ur­teilten.

Luca Sola
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