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Lionel Messi dürfte den Abspann des WM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiels gegen Vene­zuela genossen haben. Zur Abwechs­lung war es einmal nicht er, der sich nach dem Duschen dem größten Pulk an Medi­en­ver­tre­tern stellen musste. Zwar hatte der Welt­fuß­baller zuvor beim 3:0 der Argen­ti­nier wie gewohnt ein Tor erzielt und auch sonst eine seinem Niveau ent­spre­chende Partie geboten. Im Mit­tel­punkt in den Kata­komben des Monu­mental-Sta­dions von Buenos Aires stand diesmal aller­dings ein anderer: Dop­pel­tor­schütze Gon­zalo Higuaín.
 
Die Argen­ti­nier berau­schen sich der­zeit an ihrer Abtei­lung Attacke. Die große Tages­zei­tung Clarín titelte gar: Messi-Higuaín: Die Unsterb­li­chen“. Um tat­säch­lich in die Sphären eines Mario Kempes oder Diego Mara­dona auf­zu­steigen, fehlt dem Offen­sivduo frei­lich noch die Krö­nung in Form eines WM-Titels. Den­noch ist es beacht­lich, mit wel­cher Leich­tig­keit die Gau­chos nach der tur­bu­lenten Mara­dona-Ära und dem erfolg­losen Inter­mezzo von Sergio Batista der­zeit durch die Qua­li­fi­ka­tion für die Titel­kämpfe im kom­menden Jahr im Nach­bar­land Bra­si­lien spa­zieren.

Messi: Wir lernen uns immer besser kennen“
 
Unter dem eher nüch­tern daher­kom­menden Natio­nal­trainer Ale­jandro Sabella tritt die Sel­ección nach holp­rigem Start end­lich so auf, wie man es von einem Team erwartet, das den der­zeit welt­besten Kicker in seinen Reihen hat. Und eben einen treff­si­cheren Knipser namens Higuaín. Messi adelte den Haupt­ab­nehmer seiner Genie­streiche jüngst: Er ist ein groß­ar­tiger Spieler, der über einen enormen Tor­rie­cher ver­fügt. Wir lernen uns immer besser kennen.“
 
Von Sabella gab es eben­falls Lob: Messi ist der beste Fuß­baller der Welt, aber Higuaín ist auch ganz vorne mit dabei.“ Beim dritten Tor seines Goal­get­ters gegen Vene­zuela hatte der ansonsten nicht für seine Gefühls­aus­brüche bekannte Coach, den sie am Rio de la Plata lie­be­voll Schlaf­mütze“ („Pachorra“) nennen, begeis­tert Was für ein Monster!“ in den Abend­himmel von Buenos Aires gebrüllt.
 
Messi und Higuaín. Eigent­lich ein unglei­ches Paar.
 
Messi ist es in Bar­ce­lona gewohnt, in einem System ohne klas­si­sche Nummer 9“ zu spielen. Higuaín wie­derum hat bei Real Madrid mit Cris­tiano Ronaldo einen Partner an der Seite, der lieber selbst voll­streckt als für andere auf­zu­legen. Auch cha­rak­ter­lich sind beide höchst unter­schied­lich. Wäh­rend Messi eher der Gene­ra­tion Play­Sta­tion ange­hört, ver­treibt sich Higuaín im Kreise der Natio­nalelf seine Frei­zeit lieber an der Tisch­ten­nis­platte.

Messi und Higuain erzielten 37 Treffer in 30 Spielen
 
Im Dress der Sel­ección dagegen har­mo­nieren beide immer besser. In 30 Par­tien, in denen die Offen­siv­stars gemeinsam auf dem Platz standen, erzielten sie 37 Treffer: Higuaín 19, Messi 18. Sabella brachte die Erfolgs­formel vor einiger Zeit tref­fend auf den Punkt: Ich muss mir Gedanken dar­über machen, wie wir das Poten­zial des besten Spie­lers der Welt optimal aus­schöpfen können. Eine Mög­lich­keit ist, dies mit Stür­mern wie Higuaín zu errei­chen. Denn außer ein her­vor­ra­gender Voll­stre­cker ist Messi ein exzel­lenter Vor­be­reiter.“

Viel hätte dabei nicht gefehlt, und der 25 Jahre alte Higuaín würde seine Tore heute im Trikot von Frank­reich feiern.
 
In Brest geboren und dadurch im Besitz eines fran­zö­si­schen Passes, nomi­nierte ihn Frank­reichs dama­liger Aus­wahl­trainer Ray­mond Domenech Ende 2006 für ein Test­spiel gegen Grie­chen­land. Doch Higuaín lehnte ab. Er spricht kein Wort Fran­zö­sisch und ver­ließ Europa bereits im Alter von zehn Monaten.
 
Higuaín folgte damit nicht dem Bei­spiel von David Tre­ze­guet, der eben­falls in Frank­reich zur Welt gekommen war. Obwohl dieser anschlie­ßend seine Kind­heit nahe von Buenos Aires ver­brachte hatte, ent­schied sich der Sohn eines Argen­ti­niers für die Aus­wahl seines Geburts­landes – und wurde mit Les Bleus“ 1998 Welt­meister sowie zwei Jahre später Euro­pa­meister.

Warum ruft Mara­dona mich nicht an?“
 
Lange musste sich Higuaín gedulden, ehe ihn Diego Mara­dona am vor­letzten Spieltag der Qua­li­fi­ka­tion für die ver­gan­gene WM in Süd­afrika erst­mals in die Sel­ección berief. Bei Real Madrid war Angreifer zuvor längst zum Star gereift und hatte sich gegen namen­hafte Kon­kur­renz wie Raúl, Karim Ben­zema, Robinho oder Ruud van Nis­tel­rooy behauptet.
 
Rück­bli­ckend sagt Higuaín: Ich habe mich immer wieder gefragt, warum Mara­dona mich nicht anruft, denn ich habe stets betont, wie gerne ich in der Natio­nalelf spielen möchte. Für die Chance dazu war ich bereit, mich zu zer­reißen, um nie wieder außen vor zu bleiben.“
 
Higuaíns Debüt am 10. Oktober 2009 war derart beein­dru­ckend, dass er seitdem tat­säch­lich zum festen Kern der Sel­ección gehört. Beim knappen 2:1‑Erfolg über Peru, der es Argen­ti­nien über­haupt erst ermög­lichte, anschlie­ßend im letzten Moment durch ein 1:0 in Uru­guay das WM-Ticket für Süd­afrika zu lösen, erzielte Higuaín auf Anhieb ein Tor. Es ist eine große Freude, der ich schon lange Zeit ent­gegen gefie­bert habe“, sagte er damals.

Sein Spitz­name: El Pipa“, die Pfeife
 
Fuß­ball wird in der Familie Higuaín groß­ge­schrieben. Schon Vater Jorge war Profi. Vor seiner ein­zigen Aus­lands­sta­tion bei Stade Brest ging er unter anderem für die argen­ti­ni­schen Tra­di­ti­ons­klubs San Lorenzo, Boca Juniors und River Plate auf Tore­jagd. Seinen Spitz­namen Pipita“, kleine Pfeife, ver­dankt Higuaín Junior seinem Erzeuger. Dieser wurde auf­grund seiner langen, nach vorne hin zuge­spitzten Nase El Pipa“, die Pfeife, genannt. Auf­fal­lend aus­ge­prägt ist Gon­zalos Zinken zwar nicht – dafür aber sein Tor­rie­cher.
 
Doch damit nicht genug. Auch Bruder Federico (28) ver­dient mit Fuß­ball­spielen sein Geld. Der­zeit kickt er in der Major League Soccer in den USA für Columbus Crew. 
 
Im Klub wie in der Natio­nalelf musste Higuaín reich­lich Geduld beweisen, bis er end­lich den Durch­bruch schaffte. Auf­geben kam für ihn aber nie infrage. Schon als kleiner Junge zeich­nete er sich bei seinem ersten Verein Club Palermo“ durch große Wil­lens­stärke aus. Higuaíns erster Trainer Alberto Tarzia erin­nert sich: Sein Vater hat ihn damals ständig daran erin­nert, nicht den Kopf hängen zu lassen, wenn er einmal auf die Bank musste.“ Mit Erfolg.

Wenn seine Mann­schafts­ka­me­raden bereits unter der Dusche standen, legte Higuaín noch Son­der­schichten ein. Tarzia hängte Schilder mit Zahlen von eins bis vier an der Quer­latte. Erst beim Anlaufen rief ich Gon­zalo zu, wel­ches er davon anvi­sieren sollte“, erzählt Tarzia. Schon bald führte kein Weg mehr an dem beid­fü­ßigen Angreifer vorbei. In der Jugend­liga von Buenos Aires sicherte er sich Mitte der 1990er fünfmal in Folge die Tor­jä­ger­krone – mit durch­schnitt­lich rund 100 Tref­fern. Nach seiner ersten Pro­fi­sta­tion bei River Plate wech­selte Higuaín schließ­lich 2007 nach Madrid, wo er noch bis 2016 unter Ver­trag steht. Erst kürz­lich knackte er die 100er-Marke als Tor­schütze im Dress der König­li­chen.

Higuain schon besser als Kempes
 
In gerade einmal drei­ein­halb Jahren in der Sel­ección hat es Higuaín zudem mit 21 Tref­fern bereits geschafft, Argen­ti­niens Sturm­le­gende Mario Kempes (20 Tore) zu über­trumpfen. Bis zum Rekord von Gabriel Bati­stuta (56 Tore) ist es aller­dings noch ein weiter Weg.
 
Hei­ßester Mit­streiter ist dabei kein Gerin­gerer als Messi (32 Tore). Sollten sich beide jedoch wei­terhin derart zu Höchst­leis­tungen ansta­cheln wie zur­zeit, so wird es ihnen sicher­lich egal sein, wer am Ende den Rekord für sich bean­spru­chen darf. Denn das Ziel ist klar: In Bra­si­lien wollen beide mit Argen­ti­nien den dritten WM-Titel gewinnen.

Ein Sieg heute in Boli­vien und die Sabella-Elf kann fast schon das Ticket lösen. Der Vor­sprung auf einen Nicht­qua­li­fi­ka­ti­ons­platz beträgt momentan bereits elf Punkte. Knipser vom Dienst Higuaín, mit neun Tref­fern auch ganz vorne in der Tor­schüt­zen­liste der Süd­ame­rika-Gruppe, muss in La Paz jedoch eine Zwangs­pause ein­legen. Er ist gelb­ge­sperrt.