Bis vor kurzem reisten Scouts um die halbe Welt, um Spieler zu beobachten. Doch inzwischen übernehmen vermehrt intelligente Computerprogramme ihre Arbeit. Das Ende eines Berufszweigs? Über die Veränderungen im Scoutingbereich.
Daten sind das neue Öl. Das wird zumindest gerne gesagt, wenn es um Big Data geht. Dieser Trend lässt sich seit einiger Zeit auch im Profifußball beobachten. Nicht nur Statistiken wie die Expected Goals sind hieraus entstanden, sondern auch neue Berufsbezeichnung wie Data Analyst oder Data Scientist. Diese arbeiten mittlerweile im Scouting-Bereich diverser Profi-Klubs und sind im Begriff, eben jenen Bereich zu revolutionieren.
Zu Beginn dieses Jahrtausends schickten Vereine ihre Scouts noch um den halben Globus. Zwischen Buenos Aires und Belo Horizonte fläzten sich die ausgewiesenen Experten auf die Tribüne, um Spielern auf die Füße zu schauen. „Je mehr Spiele einer [ein Scout, Anm. d. Red.] gesehen hat, desto größer die Trefferquote“, sagte Helmut Schulte vor 15 Jahren, der in unterschiedlichen Funktionen im Scouting-Bereich tätig war. Dieses Bild ist mittlerweile überholt.
Inzwischen setzen Profi-Klubs vermehrt auf intelligente Programme, die Daten unterschiedlicher Anbieter auswerten, um hierüber eine gezieltere Vorauswahl zu treffen. So hat das Programm von SCOUTASTIC, einer Tochtergesellschaft des KI-Unternehmens JUST ADD AI, der Scouting-Abteilung von Werder Bremen den Anstoß gegeben, Jiri Pavlenka eingehender zu beobachten. Mit Erfolg: 2017 wechselte der tschechische Torhüter von Slavia Prag an die Weser, ist seither unangefochtener Stammkeeper und eine wichtige Säule der Bremer Mannschaft.
Seit über vier Jahren arbeiten Scoutastic und Werder Bremen nun zusammen. „Es ging vor allem darum, eine Scouting-Software zu entwickeln, die den Workflow der Scouts optimiert“, erklärt Roland Becker, Geschäftsführer von Scoutastic, im Gespräch mit 11FREUNDE. Dabei wurde im ersten Schritt damit begonnen, strukturierte Daten von gängigen Anbietern auszuwerten. Darunter fallen gewöhnliche Spielerstatistiken wie Einsatzzeit und Torquote. Soweit so ausrechenbar. Neu hingegen war, unstrukturierte Daten wie Texte, Bilder und Videos auszuwerten. „Da kommt die KI ins Spiel“, sagt Becker.
Als Scoutastic bei Werder Bremen einstieg, lag eine Datenbank mit unzähligen Scoutingberichten vor. Dabei handelte es sich um „hochkondensierte Texte, die in einem sehr spezifischen Scoutingjargon verfasst sind“, erklärt Becker. Das KI-Unternehmen stand vor der Aufgabe, diese Berichte mithilfe eines neuentwickelten Scoutingtools auszuwerten. „Wir haben Suchfilter erstellt, die einem ermöglichen, nach Eigenschaften statt nach Stichwörtern zu suchen. Wenn ich z.B. eine Stichwortsuche nach „zweikampfstark“ vornehme, finde ich auch Spieler, bei denen ‚nicht sehr zweikampfstark‘ im Bericht steht. Die KI wiederum versteht den Text und kann das unterscheiden.“ Was man im Fußballmanager immer als eine Selbstverständlichkeit wahrgenommen hat, wird erst heute Realität. Mithilfe der Filterfunktion lässt sich die Spielersuche strukturieren, worüber die Vorauswahl im Scouting immer präziser wird.
Grundlage dieser neuen Scoutingsysteme sind Daten von einschlägigen Datenlieferanten. Es kommt also nicht von Ungefähr, dass Transfermarkt.de sich im vergangenen Sommer mit 50,1 Prozent mehrheitlich an Scoutastic beteiligt hat. Eine Win-win-Situation. Die Online-Datenbank ist für Scouts eine wichtige Informationsquelle. Nicht nur wegen ihrer strukturierten Daten. Auch die Gerüchteküche nimmt eine gewichtige Rolle ein. Hier diskutieren User über das Niveau, Potenzial und Wechselgerüchte von Spielern aus aller Welt.
Matthias Seidel, Gründer und Geschäftsführer von Transfermarkt, ist der Meinung, dass diese Informationen mehr als nur Schwarmintelligenz hervorbringen können: „Unsere User diskutieren in den Foren nicht nur über Gerüchte, denen Medienberichte zugrunde liegen. Diese User sind auch Nerds, die sich zum Teil besser auskennen als so manch ein Journalist oder Scout.“ Scoutastic kann diese „ungemein wichtigen Insights“ auswerten, was dabei hilft, Spielerpotenziale zu errechnen. „Wenn man diese Informationen in das System einfließen lässt, ist das Gold wert“, so Seidel.