Jürgen Klinsmann und die Hertha – kann das gut gehen? Die knappe 1:2‑Niederlage gegen Dortmund lieferte statt ersten Antworten vor allem neue Fragen.
Hertha BSC hat eine Vision. Der Klub will nicht mehr nur als lokales Phänomen wahrgenommen werden, sondern ein waschechter Hauptstadtverein sein. Ein Verein, der auch über die Stadtgrenze hinaus strahlt. In dieser Woche wurde der Wunsch erfüllt. Ganz Deutschland blickte nach Berlin, nachdem bekannt wurde, dass Jürgen Klinsmann den Klub übernimmt.
Obwohl Klinsmann seit zehn Jahren nicht mehr in Deutschland gearbeitet hat, umweht ihn noch immer eine schillernde Aura: Er gilt auf der einen Seite als Architekt der sportlich erfolgreichen WM 2006, auf der anderen Seite hängt ihm noch immer sein gescheitertes Engagement beim FC Bayern nach. Medienpräsenz war der Hertha nach Klinsmanns Vorstellung als neuer Trainer sicher.
Doch nun trifft Vision auf Alltag. Kann Klinsmann die Hertha aus den Abstiegsrängen herausführen? Die knappe 1:2‑Niederlage gegen Borussia Dortmund warf mehr Fragen auf, als sie beantwortete. Wir suchen nach Antworten.
1. Wie modern ist Klinsmann im Jahr 2019?
Klinsmann eilt der Ruf eines Modernisierers voraus. Beim DFB brach er verkrustete Strukturen auf, bei den Bayern probierte er es ebenfalls mit neuen Abläufen. Das ist allerdings mehr als ein Jahrzehnt her; eine verdammt lange Zeit im schnelllebigen Fußball-Geschäft. Funktioniert Klinsmann auch im Jahr 2019?
In seinem ersten Spiel als Hertha-Trainer hatte man nicht das Gefühl, der Spielstil seiner Mannschaft sei aus der Zeit gefallen. Klinsmann stellte Hertha in einer Dreierkette auf. Davie Selke und Dodi Lukebakio bildeten einen schnellen Zwei-Mann-Sturm. Defensive Stabilität gepaart mit Kontern: Diese Spielidee ist nicht neu. Die Ausführung unter Klinsmann war aber weder moderner noch altmodischer als unter den meisten anderen Bundesliga-Trainern.
2. Wie gut sind seine Co-Trainer?
Klinsmann ist bekannt dafür, sich in die Themen Organisation und Motivation zu vertiefen. Die taktische Detailarbeit überlässt er seinen Co-Trainern; siehe die WM 2006, als Joachim Löw die tägliche Trainingsarbeit übernahm.
In Berlin heißen seine Co-Trainer Alexander Nouri und Markus Feldhoff. In der Tat erinnerte das Berliner Spielsystem an die bisherige Arbeit Nouris: Hertha verteidigte in einem 5−3−2, im Mittelfeld agierten sie eng am Mann. Fünferkette, Mannorientierungen, zwei schnelle Stürmer: Dieses System nutzte Nouri bereits bei Werder Bremen und beim FC Ingolstadt.
Bremen führte Nouri aus dem Abstiegssumpf, ehe er in der Folge daran scheiterte, seinen Stil weiterzuentwickeln. In Ingolstadt konnte er im Abstiegskampf keine Akzente setzen, nach nur wenigen Wochen wurde er entlassen. Klinsmanns Schicksal ist auch davon abhängig, wie gut Nouris taktisches System bei der Hertha funktioniert.