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Es ist nicht bekannt, ob sich Ignacio Pala­cios-Huerta am Samstag das WM-Vier­tel­fi­nale zwi­schen Russ­land und Kroa­tien ange­schaut hat. Falls ja, könnte es sein, dass der Pro­fessor der London School of Eco­no­mics nach Ablauf der Ver­län­ge­rung einen mit­tel­großen Schreck bekommen hat. Viel­leicht hat er leise auf­ge­stöhnt. Oder auch laut geflucht: Was für ein Dilet­tant!“ In Sot­schi standen die beiden Kapi­täne und der Schieds­richter zum Münz­wurf bereit, Luka Modric gewann die Wahl, er durfte ent­scheiden, ob sein Team im Elf­me­ter­schießen beginnt oder die Russen anfangen – und ent­schied sich für Rück­schlag.

Zweiter Schütze schießt daneben

Ignacio Pala­cios-Huerta hat sich dem Thema Elf­me­ter­schießen vor einigen Jahren wis­sen­schaft­lich gewidmet. Er hat 9000 Elf­meter unter­sucht und auf diese Weise sta­tis­ti­sche Daten ermit­telt, von denen er glaubt, dass sie jedem Fuß­ball­team helfen können. Das Erste, was wir sagen, ist: Wenn es zu einem Elf­me­ter­schießen kommt, fangt an, wenn ihr könnt. Im Durch­schnitt stehen die Chancen sechzig zu vierzig für die Mann­schaft, die beginnt“, hat Pala­cios-Huerta der Frank­furter All­ge­meinen Zei­tung“ erklärt. Ent­schei­dend ist, dass der Schütze des zweiten Teams meis­tens nur aus­glei­chen kann. Wir haben uns Runde für Runde ange­sehen. In jeder Runde trifft das begin­nende Team durch­schnitt­lich zwi­schen drei und sieben Pro­zent mehr. Nach fünf Runden resul­tiert das in zwanzig Pro­zent Vor­teil. Wir haben auch den Ein­fluss der Tor­hüter ange­schaut. Die Tor­hüter halten etwa gleich viel, aber die Schützen des zweiten Teams schießen öfter daneben.“

War es also Igno­ranz bei Modric? Aber­glaube, weil Kroa­tien auch im Ach­tel­fi­nale gegen Däne­mark nicht begonnen und trotzdem gewonnen hatte? Oder doch die pro­funde Kenntnis der sta­tis­ti­schen Daten? Am Ende setzten sich die Kroaten durch und schrieben damit eine Serie fort: Es war das sechste Elf­me­ter­schießen hin­ter­ein­ander bei einer Welt­meis­ter­schaft, in dem das Team gewann, das dem Gegner den Vor­tritt gelassen hatte.

Sen­sible Sta­tistik

In nun 48 Elf­me­ter­schießen bei WM- und EM-End­runden setzten sich 21 Mal die Auf­schläger durch (43,75 Pro­zent) und 27 Mal die Rück­schläger (56,25 Pro­zent). Das von Pala­cios-Huerta ermit­telte Ergebnis hätte sich dem­nach nahezu umge­kehrt. Aller­dings ist seine Daten­basis ungleich größer. Bei einer geringen Daten­menge kann es schnell zu ekla­tanten sta­tis­ti­schen Ver­än­de­rungen kommen. Noch vor der EM 2016 war das Ver­hältnis bei großen Tur­nieren nahezu aus­ge­gli­chen: In bis dahin 41 Elf­me­ter­schießen gewann 20 Mal die Mann­schaft, die als Erstes geschossen hatte, 21 Mal die, die den Nach­schuss hatte. Und vor der Welt­meis­ter­schaften in Bra­si­lien vor vier Jahren konnte man noch lesen, dass in neun WM-Elf­me­ter­schießen seit 2002 immer die Mann­schaft gewonnen habe, die vor­ge­legt hat – selbst wenn sie mit einem Fehl­schuss eröffnet hatte.