Er knackte den Gelb-Rekord von Tomasz Hajto und kämpfte sich von der Bezirksliga bis ganz nach oben: HSV-Neuzugang Klaus Gjasula über seine Jugend in Freiburg, das Image als Treter und seinen Weg in den Profifußball.
Ihre Eltern sind mit Ihnen aus Albanien nach Deutschland gezogen, als Sie sieben Monate alt waren. Warum sind Sie ausgerechnet in Freiburg gelandet?
Das war reiner Zufall. Sie wollten nach Deutschland, um uns ein besseres Leben zu ermöglichen, in Albanien war es in Zeiten der kommunistischen Diktatur für sie nicht leicht gewesen. Aber wo in Deutschland? Das war ihnen egal. Sie sind damals, 1990, über Italien und die Schweiz Richtung Norden gefahren, mit dem Zug. Die erste Station in Deutschland war Freiburg. Da fragte mein Vater meine Mutter: „Sollen wir hier aussteigen?“ Und sie meinte nur: „Sieht nett aus, lass uns raus.“ So sind wir in dieser Stadt gelandet. Verrückt, in welchen Momenten sich so wichtige Dinge entscheiden, nicht wahr?
Verrückt auch, dass Ihr Bruder und Sie in diesem Land ankamen mit den deutschesten Vornamen im Gepäck, die man sich vorstellen kann. Stimmt die Geschichte mit Professor Brinkmann?
Klar, Professor Brinkmann, Hauptfigur in der Schwarzwaldklinik, gespielt von Klaus-Jürgen Wussow. Meine Oma war großer Fan der Sendung, sie hat das immer geschaut in Albanien, und sie durfte sowohl den Namen meines Bruders als auch meinen bestimmen. Daraus ergaben sich Jürgen und Klaus. Dass wir danach tatsächlich in Deutschland und sogar im Schwarzwald gelandet sind, ist natürlich kurios. Wobei ich mit meinem Vornamen, vorsichtig ausgedrückt, sehr lange sehr große Probleme hatte. Ich war ein kleiner Junge mit albanischen Wurzeln – und hieß Klaus! Das war nicht unbedingt cool, erst recht nicht in einem Block wie meinem. Also habe ich zu meinen Eltern immer gesagt: „Wie konntet ihr mich bloß so nennen? Wenn ich 18 bin, ändere ich meinen Vornamen. Ist mir egal, was ihr denkt!“ Aber je älter ich wurde, desto mehr habe ich mich damit angefreundet. Mittlerweile bin ich ein stolzer Klaus. (Lacht.)
Wann haben Sie gemerkt, dass es etwas werden könnte mit einer Profikarriere?
Als mein Bruder Profi wurde. Da war ich 14 Jahre alt und dachte: Wenn er es geschafft hat, wieso sollte ich es nicht auch packen? Ich war ja eh jeden Tag kicken. Den Traum hatte ich also seit meiner Jugend. Und egal in welcher Liga ich gespielt habe: Ich habe immer daran geglaubt, dass meine harte Arbeit irgendwann belohnt werden würde.
Wenn das Internet nicht lügt, haben Sie sich über einen Zeitraum von zehn Jahren von der Verbandsliga bis in die Bundesliga hochgekämpft. Ohne eine Liga auszulassen.
Das stimmt. Aber ist auch nur die halbe Wahrheit. Ich habe runter bis in die Bezirksliga keine Liga ausgelassen.
Wie bitte?
Als ich in der A‑Jugend beim Freiburger FC war, wurde ich manchmal in die zweite Herrenmannschaft hochgezogen, da spielten schon ein paar Freunde von mir. Das war Bezirksliga. Später habe ich dann beim FFC selber in der ersten Mannschaft gespielt, Verbandsliga. Ein Jahr später bin ich nach Bahlingen in die Oberliga gewechselt – musste dort aber wiederum anfangs ab und zu runter in die zweite Mannschaft. Landesliga. Nach Bahlingen ging es dann zu Waldhof Mannheim, mit denen ich von der Oberliga in die Regionalliga aufgestiegen bin. Dann Duisburg und Offenbach, ebenfalls Regionalliga. Von Offenbach zu den Stuttgarter Kickers, 3. Liga. Dann nach Halle, auch 3. Liga, und von dort vor zwei Jahren nach Paderborn in die 2. Liga. Dann wieder ein Aufstieg – und endlich in die Bundesliga.
„Ich kenne das echte Leben“
Gab es in diesen Jahren einen Plan B? Falls sie nicht so weit oben angekommen wären?
Ja, ein eigenes Café in Freiburg. Zusammen mit meinem besten Freund Artur, von dem ich eben schon erzählt habe. Der Traum lebt auch immer noch. Wenn ich irgendwann zurück in die Heimat nach Freiburg komme, gehen wir das definitiv an. Ich liebe Kaffee trinken, Kuchen essen, entspannt beieinandersitzen. Ein eigenes Café zu führen, das wäre schon was.
War es für Sie von Vorteil, dass Sie sich jede Liga, jeden Schritt, hart erkämpfen mussten? Oder hätten Sie sich gewünscht, schon mit 19 oder 20 Jahren eine Chance in den ersten Ligen zu bekommen?
Natürlich wäre es geil gewesen, als 20-Jähriger einfach mal in der 2. Liga reingeworfen zu werden. Weil ich dann womöglich sehr viel längere Zeit auf einem höheren Niveau hätte spielen können. Gleichzeitig hat der Weg mich zu dem gemacht, der ich bin. Und meinen Charakter geformt. Ich bin sehr klar im Kopf. Was ja vollkommen logisch ist, denn die Hälfte der Profifußballer sind sehr jung. Die sind 18, 19 Jahre alt, und, das muss man einfach sagen, auch sehr verwöhnt. Insofern lassen Sie es mich so formulieren: Wenn ich mein derzeitiges Niveau noch würde halten können, bis ich 40 Jahre alt bin, mir also noch zehn Jahre Profifußball blieben, dann würde ich mich immer für den langsamen, stetigen Weg nach oben entscheiden. Einfach, weil es gesünder ist. Und dieser Weg einen Menschen auch besser auf die Zeit nach der Karriere vorbereitet. Ich kenne das echte Leben. Die Bundesliga war für mich nicht normal – sondern ein Leckerbissen.
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