Er knackte den Gelb-Rekord von Tomasz Hajto und kämpfte sich von der Bezirksliga bis ganz nach oben: HSV-Neuzugang Klaus Gjasula über seine Jugend in Freiburg, das Image als Treter und seinen Weg in den Profifußball.
Das Interview erschien erstmals im August 2020 in 11FREUNDE #225. Das Heft gibt es bei uns im Shop. Kurz nach dem Interview-Termin machte Gjasula seinen Wechsel zum HSV öffentlich. Mit dem Traditionsverein geht es für Gjasula ab Freitag darum, endlich den Wiederaufstieg in die Bundesliga zu schaffen.
Klaus Gjasula, wissen Sie, wer Ihren Wikipedia-Artikel verfasst hat?
Nein, keine Ahnung. Aber ich glaube zumindest, dass ich den Artikel mal gelesen habe. Wobei… wenn Sie mich jetzt nach Details fragen, muss ich passen.
Wir zitieren: „Entgegen seiner hohen Anzahl an Verwarnungen ist Gjasula weder ein unfairer noch besonders harter Spieler. Viel mehr agiert er oft wie ‚ein Elefant im Porzellanladen‘ und ist dabei meistens einen Schritt zu spät.“
Ok, das höre ich grade definitiv zum ersten Mal. (Lacht.) Und das klingt auch ein bisschen zu negativ. Den hat wahrscheinlich kein Fan geschrieben.
Das Zitat geht noch weiter. „Tatsächlich ist kein einziger Gegenspieler zu ernsthaften Schaden gekommen und musste verletzungsbedingt aus dem Spiel ausscheiden.“ Das klingt wiederum ganz gut…
Joa. Wobei das mit den Verletzungen auch schwer zu sagen ist. Ich bin ja schon ein paar Jahre dabei und würde jetzt nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass noch nie etwas passiert ist. Was ich dafür sicher sagen kann: Ich hatte noch nie die Absicht, jemanden zu verletzen.
Sind Sie ein unfairer Spieler?
Ich kann mich nach 17 Gelben Karten in einem Jahr schlecht hinstellen und sagen: Ich bin ein extrem fairer Spieler. Allerdings tue ich das, was nötig ist, immer um den größtmöglichen mannschaftlichen Erfolg zu erzielen.
Mal angenommen, Sie würden gegen sich selber spielen. Was würde Klaus Gjasula nach dem Spiel über Klaus Gjasula sagen? Was für ein Drecksack?
Ganz ehrlich: Da gäbe es solche und solche Tage. Manchmal schaukelt man sich ja auf dem Platz auch ein bisschen hoch, wenn der Gegenspieler es hergibt. Aber es gibt auch Tage, an denen das überhaupt nicht zutreffen würde. Da würde ich dann eher sagen: „Der Gjasula ist zwar ein harter Hund, aber als Typ total in Ordnung.“
„Ich bin nicht unbedingt stolz drauf“
Hat sich Tomasz Hajto eigentlich bei Ihnen gemeldet, nachdem Sie seinen Rekord für die meisten Gelben Karten in einer Bundesligasaison geknackt hatten?
Nicht direkt. Ich habe nur über die Medien gehört, dass er eine Botschaft an mich hat. Ich glaube, er hat etwas bei Twitter geschrieben.
Hand aufs Herz: Irgendwie schon ein cooler Rekord, oder?
Was soll ich sagen? Ich bin nicht unbedingt stolz drauf. Das ist ja kein Rekord, mit dem ich jetzt groß prahlen könnte. Oder durch den ich an Ansehen in der Branche gewinne. Fest steht nur: Durch diesen Rekord ist mein Name mit der Bundesliga verbunden.
Haben Sie nach der 16. Karte denn versucht, die 17. zu verhindern? Wenn man sich ihre Rekord-Gelbe anschaut, die es für eine Grätsche gegen Bremens Josh Sargent gab, wirkt es eher so, als hätten Sie aktiv auf den Rekord hingearbeitet…
Bei der Grätsche war Frust dabei. Kommt auch mal vor. War kein böses Foul, ich kam nur zu spät. Aber ich habe nicht gegrätscht, um die 17. Gelbe zu kassieren. Außerdem wusste ich sowieso, dass ich den Rekord über kurz oder lang knacken würde.
Ach so?
Ich stand bei 16 Karten, es waren noch fünf oder sechs Spiele. Meinen Stil zu ändern, kam nicht in Frage. Ich hätte mich ja sonst aus allen kniffligen Zweikämpfen heraushalten müssen. Insofern stellte sich für mich ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Saison nicht mehr die Frage, ob ich Hajto überholen würde. Sondern nur noch die Frage nach dem Wann.
-
Dieter Hecking hat mal behauptet, sein Spieler Luiz Gustavo würde nur deshalb so viele Karten kassieren, weil er eine extrem tiefe Stimme habe und die Schiedsrichter sich davon würden einschüchtern lassen. Sie haben mal behauptet, bei Ihnen läge es am Helm. Glauben Sie das immer noch?
Die Geschichte mit der Stimme kannte ich nicht, die ist aber kreativ. (Lacht.) Was meinen Helm angeht, glaube ich nach wie vor, dass er mir im Bezug auf Schiedsrichter nicht unbedingt hilft.
Weil Sie damit brutaler aussehen?
Nicht falsch verstehen: Ich bin kein Unschuldslamm, im Gegenteil, die meisten Karten gehen total in Ordnung. Aber der Helm sorgt für einen gewissen Wiedererkennungswert auf dem Platz. So dass der ein oder andere Schiedsrichter – gar kein Vorwurf – vielleicht denkt: „Schon wieder der Typ mit dem Helm? Der eh jedes Spiel Gelb sieht? Na dann ist die Sache ja klar.“ Irgendwann hat man dann ein bestimmtes Image. Aber, wie gesagt, nicht falsch verstehen: Meistens liegen die Schiris richtig. Und selbst wenn sie bei mir mal ein Auge zudrücken würden, ich würde ihnen in der nächsten Situation wahrscheinlich keine Wahl mehr lassen. Dann würde ich die Gelbe halt nicht gleich in der 30. Minute sehen, sondern erst in der 60. Minute. (Lacht.)
Ist es nicht anstrengend, in fast jedem Spiel irgendwann mit Gelb vorbelastet in die Zweikämpfe gehen zu müssen?
Ich kann mich da mittlerweile sehr gut steuern, bin seit Jahren nicht vom Platz geflogen. Auf die 50/50-Zweikämpfe, bei denen ich vorher nicht sicher bin, ob ich sie ohne Foul lösen kann, muss ich nach einer Gelben Karte natürlich verzichten, vor allem, wenn es vom Schiri schon die letzte Warnung gab.
Haben Sie schon immer mit so viel Einsatz gespielt?
Ich habe immer schon mit Herz gespielt, mein großes Vorbild in der Jugend war Steven Gerrard. Aber mein Stil früher war schon sehr anders als heute. Ich war sehr lange ganz klein, immer einer der kleinsten im Team. Und ich wollte die Sachen eher spielerisch lösen, dribbeln, über das Fußballerische kommen. So wie mein anderer Held, Zinedine Zidane. Ich hatte damals keine schlechte Technik, bestimmt nicht, aber es gab eben Leute, die das Fußballerische besser beherrscht haben als ich.
Zum Beispiel ihr vier Jahre älterer Bruder Jürgen? Er wurde beim SC Freiburg schon mit 18 Jahren Profi, mit Anfang 20 spielte er mit dem FC Basel in der Champions League…
Jürgen war bei uns in Freiburg ein großer Name. Mit 15, 16 Jahren hat er einen extremen Sprung gemacht, plötzlich war er besser als der Rest, ein Überflieger. Im Vergleich zu ihm war ich ein Spätzünder.
Das hätte Ihnen als jüngerer Bruder durchaus auf die Nerven gehen können.
War bei mir aber nie der Fall. Mich hat das gefreut, ich war irre stolz, er war mein großer Bruder, die Leute kannten ihn. Bei uns in der Gegend haben die Leute zu ihm aufgeschaut. Das fand ich toll.
Freiburg gilt als heile Welt, als idyllische Stadt, in der immerzu die Sonne scheint. Fühlte es sich für Sie auch so an?
Bis ich elf Jahre alt war, haben wir in Freiburg-Weingarten gelebt. Das Viertel galt damals als Ghetto von Freiburg. Krotzinger Straße, mieser Ruf, viele Hochhäuser, viele Nationen. Dort war es nicht sonderlich idyllisch, sondern eher tough. Aber: Ich hatte schon als Junge nur Fußball im Kopf. Direkt hinter unserem Block war ein Bolzplatz, da haben sich alle aus der Gegend getroffen, dort habe ich weite Teile meiner Jugend verbracht.
Wie sah der perfekte Tag im Leben des 10-jährigen Klaus Gjasula aus?
Frühstücken, ab in die Schule, danach schnell wieder nach Hause, Hoch in den siebten Stock, den Ranzen ablegen. Und dann möglichst sofort wieder runter auf den Bolzplatz sprinten. Auf dem Weg runter habe ich noch meinen besten Freund Artur Fellanxa, mit dem ich später zusammen in der A‑Jugend-Bundesliga und Oberliga gespielt habe, eingesammelt. Dann ging es ab zu den anderen Jungs, den ganzen Tag kicken. Wir haben nicht gemerkt, wenn wir hungrig oder durstig waren. Wir waren einfach nur draußen und hatten Spaß. Kurz bevor es dunkel wurde, meine Eltern waren in der Hinsicht mit die strengsten bei uns im Block, rief mein Vater dann laut aus dem Fenster. Dann bin ich völlig verschwitzt und verdreckt wieder hoch geflitzt. War gut, so wie es war.
-
Ihre Eltern sind mit Ihnen aus Albanien nach Deutschland gezogen, als Sie sieben Monate alt waren. Warum sind Sie ausgerechnet in Freiburg gelandet?
Das war reiner Zufall. Sie wollten nach Deutschland, um uns ein besseres Leben zu ermöglichen, in Albanien war es in Zeiten der kommunistischen Diktatur für sie nicht leicht gewesen. Aber wo in Deutschland? Das war ihnen egal. Sie sind damals, 1990, über Italien und die Schweiz Richtung Norden gefahren, mit dem Zug. Die erste Station in Deutschland war Freiburg. Da fragte mein Vater meine Mutter: „Sollen wir hier aussteigen?“ Und sie meinte nur: „Sieht nett aus, lass uns raus.“ So sind wir in dieser Stadt gelandet. Verrückt, in welchen Momenten sich so wichtige Dinge entscheiden, nicht wahr?
Verrückt auch, dass Ihr Bruder und Sie in diesem Land ankamen mit den deutschesten Vornamen im Gepäck, die man sich vorstellen kann. Stimmt die Geschichte mit Professor Brinkmann?
Klar, Professor Brinkmann, Hauptfigur in der Schwarzwaldklinik, gespielt von Klaus-Jürgen Wussow. Meine Oma war großer Fan der Sendung, sie hat das immer geschaut in Albanien, und sie durfte sowohl den Namen meines Bruders als auch meinen bestimmen. Daraus ergaben sich Jürgen und Klaus. Dass wir danach tatsächlich in Deutschland und sogar im Schwarzwald gelandet sind, ist natürlich kurios. Wobei ich mit meinem Vornamen, vorsichtig ausgedrückt, sehr lange sehr große Probleme hatte. Ich war ein kleiner Junge mit albanischen Wurzeln – und hieß Klaus! Das war nicht unbedingt cool, erst recht nicht in einem Block wie meinem. Also habe ich zu meinen Eltern immer gesagt: „Wie konntet ihr mich bloß so nennen? Wenn ich 18 bin, ändere ich meinen Vornamen. Ist mir egal, was ihr denkt!“ Aber je älter ich wurde, desto mehr habe ich mich damit angefreundet. Mittlerweile bin ich ein stolzer Klaus. (Lacht.)
Wann haben Sie gemerkt, dass es etwas werden könnte mit einer Profikarriere?
Als mein Bruder Profi wurde. Da war ich 14 Jahre alt und dachte: Wenn er es geschafft hat, wieso sollte ich es nicht auch packen? Ich war ja eh jeden Tag kicken. Den Traum hatte ich also seit meiner Jugend. Und egal in welcher Liga ich gespielt habe: Ich habe immer daran geglaubt, dass meine harte Arbeit irgendwann belohnt werden würde.
Wenn das Internet nicht lügt, haben Sie sich über einen Zeitraum von zehn Jahren von der Verbandsliga bis in die Bundesliga hochgekämpft. Ohne eine Liga auszulassen.
Das stimmt. Aber ist auch nur die halbe Wahrheit. Ich habe runter bis in die Bezirksliga keine Liga ausgelassen.
Wie bitte?
Als ich in der A‑Jugend beim Freiburger FC war, wurde ich manchmal in die zweite Herrenmannschaft hochgezogen, da spielten schon ein paar Freunde von mir. Das war Bezirksliga. Später habe ich dann beim FFC selber in der ersten Mannschaft gespielt, Verbandsliga. Ein Jahr später bin ich nach Bahlingen in die Oberliga gewechselt – musste dort aber wiederum anfangs ab und zu runter in die zweite Mannschaft. Landesliga. Nach Bahlingen ging es dann zu Waldhof Mannheim, mit denen ich von der Oberliga in die Regionalliga aufgestiegen bin. Dann Duisburg und Offenbach, ebenfalls Regionalliga. Von Offenbach zu den Stuttgarter Kickers, 3. Liga. Dann nach Halle, auch 3. Liga, und von dort vor zwei Jahren nach Paderborn in die 2. Liga. Dann wieder ein Aufstieg – und endlich in die Bundesliga.
„Ich kenne das echte Leben“
Gab es in diesen Jahren einen Plan B? Falls sie nicht so weit oben angekommen wären?
Ja, ein eigenes Café in Freiburg. Zusammen mit meinem besten Freund Artur, von dem ich eben schon erzählt habe. Der Traum lebt auch immer noch. Wenn ich irgendwann zurück in die Heimat nach Freiburg komme, gehen wir das definitiv an. Ich liebe Kaffee trinken, Kuchen essen, entspannt beieinandersitzen. Ein eigenes Café zu führen, das wäre schon was.
War es für Sie von Vorteil, dass Sie sich jede Liga, jeden Schritt, hart erkämpfen mussten? Oder hätten Sie sich gewünscht, schon mit 19 oder 20 Jahren eine Chance in den ersten Ligen zu bekommen?
Natürlich wäre es geil gewesen, als 20-Jähriger einfach mal in der 2. Liga reingeworfen zu werden. Weil ich dann womöglich sehr viel längere Zeit auf einem höheren Niveau hätte spielen können. Gleichzeitig hat der Weg mich zu dem gemacht, der ich bin. Und meinen Charakter geformt. Ich bin sehr klar im Kopf. Was ja vollkommen logisch ist, denn die Hälfte der Profifußballer sind sehr jung. Die sind 18, 19 Jahre alt, und, das muss man einfach sagen, auch sehr verwöhnt. Insofern lassen Sie es mich so formulieren: Wenn ich mein derzeitiges Niveau noch würde halten können, bis ich 40 Jahre alt bin, mir also noch zehn Jahre Profifußball blieben, dann würde ich mich immer für den langsamen, stetigen Weg nach oben entscheiden. Einfach, weil es gesünder ist. Und dieser Weg einen Menschen auch besser auf die Zeit nach der Karriere vorbereitet. Ich kenne das echte Leben. Die Bundesliga war für mich nicht normal – sondern ein Leckerbissen.
-
Wer mit 20 Jahren noch ab und zu in der Landesliga aushelfen muss, bekommt normalerweise keine Chance mehr im Profifußball. Wieso haben Sie es doch noch gepackt?
Zum einen habe ich nicht aufgegeben. Ich habe immer nebenher noch mehr gemacht, als eigentlich gefordert war, Läufe, Krafttraining, solche Sachen. Außerdem hatte ich ja schon erwähnt, dass ich lange sehr klein war. Aber irgendwann bin ich in die Höhe geschossen. Daraufhin hat sich meine Spielweise ganz automatisch verändert. Ich wurde robuster, kräftiger und unterm Strich einfach besser. Außerdem habe ich auch aktiv einige Aspekte meines Spiels umgestellt.
Welche Aspekte?
Ich wusste: Um in höheren Ligen zu bestehen, würde ich in der Luft stärker werden müssen. Also habe ich an meinem Kopfballspiel gearbeitet. Dazu kam in Rico Schmitt von Kickers Offenbach ein Trainer dazu, der bestimmte Dinge sehr unmissverständlich eingefordert hat. (Lacht.) Auf meiner Position vor der Abwehr muss ich Duelle gewinnen, Bälle erkämpfen und saubere, simple Pässe zu meinen Kollegen in der Offensive spielen. Mehr nicht. Klingt leicht, ist aber schwer. Ich habe eine Weile gebraucht, um das zu verstehen.
Zwischen welchen Ligen ist der Qualitätsunterschied am krassesten?
Definitiv zwischen der 2. Liga und der Bundesliga. Tempo, Spielverständnis, Effizienz – in diesen Bereichen ist es ein krasser Sprung. Die individuelle Qualität der Bundesliga-Spieler ist der Wahnsinn, kleine Fehler werden gnadenlos ausgenutzt. In der 2. Liga wird ein anderer Fußball gespielt. Das Tempo ist auch hoch, keine Frage, aber es ist gefühlt immer das gleiche Tempo, und, das ist das Entscheidende, das Spiel ist viel wilder. Alle gehen voll drauf. In der Bundesliga wird schlauer agiert, gepflegter, strukturierter. In gewissen Räumen hast du deine Ruhe, du denkst, dir wird Zeit gelassen. Dabei wirst du nur in eine Falle gelockt, aus der es dann am Ende kein Entkommen gibt.
Stichwort Bundesliga: Wie war die Stimmungslage nach dem Abstieg mit Paderborn?
Ob es vorherzusehen war oder plötzlich passiert, ein Abstieg tut immer weh. Und auch, wenn wir nach außen hin den Ball stets flach gehalten haben, insgeheim hatten wir uns vor der Saison schon etwas mehr erhofft als Platz 18. In der Hinrunde haben wir auch wirklich gute Spiele abgeliefert, da waren viele Partien dabei, die wir hätten gewinnen können oder sogar müssen. Dadurch war zumindest die Hoffnung groß, es in der Rückrunde noch umbiegen zu können. Aber nach der Corona-Pause sind wir auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Trotzdem können wir auch stolz auf uns sein. Wir waren eine Mannschaft voller Typen, die aus unteren Ligen gekommen waren. Die meisten haben ihr erstes Bundesliga-Jahr gespielt.
Die Mannschaft hat das ganze Jahr über viel Lob bekommen, weil sie mutig nach vorne gespielt hat. Denkt man als Spieler trotzdem irgendwann: Ich würde lieber dreckig gewinnen als schön zu verlieren?
Ich persönlich würde natürlich lieber dreckig gewinnen als schön zu verlieren. Letztendlich geht es um Punkte, Fußball ist ein Ergebnissport. Wenn du die Siege nicht einfährst, bringt dir das Lob am Ende nichts.
Waren die Schulterklopfer vielleicht sogar kontraproduktiv?
Wenn du ein Jahr lang hörst, wie mutig du spielst, ist das irgendwann schon kontraproduktiv. Du verlierst Spiele, normalerweise solltest du danach ein schlechtes Gefühl haben. Wir dachten aufgrund der ordentlichen Leistungen und des Lobs aber: Das kann schon noch etwas werden …
Die Stimmung war zu gut.
Teils teils. Es gab Phasen, in denen die Stimmung schlecht war. Was ja normal ist, wenn man so tief unten drinsteckt. Aber es gab eben auch Phasen, in denen die Stimmung nicht so schlecht war, wie es bei Platz 18 vielleicht hätte sein können.
Was hat am Ende gefehlt?
Von allem etwas. Erfahrung, Qualität, Momentum.
-
Gab es einen Spieler in der Liga, der Sie besonders beeindruckt hat?
Konrad Laimer von Leipzig. Hängt vielleicht auch damit zusammen, dass er auf meiner Position spielt. Aber das ist einer, den nimmt man im Fernsehen gar nicht so sehr wahr, weil er unter all den Spielern mit unglaublich hoher individueller Qualität etwas untergeht. Aber wenn man gegen ihn spielt, merkt man sehr schnell, wie gut er ist. Wie wichtig er für das Spiel der Mannschaft ist. Mit Ball macht er keine Fehler, ohne Ball ist er extrem schlau und unangenehm.
Gab es einen Moment im vergangenen Jahr, den Sie trotz all der Niederlagen richtig genießen konnten? Das Spiel in Dortmund zum Beispiel?
Das Spiel hatte ich bei der Frage direkt im Kopf. Es war ein wunderbarer Fußballabend, fast alles hat gepasst – bis auf das Ergebnis. Es hört sich dumm an, ein 3:3 in Dortmund hätten wir vor dem Spiel mit Kusshand genommen. Aber so wie das Spiel gelaufen ist, wir führen zur Pause mit 3:0 und fangen uns dann doch noch den Ausgleich in der Nachspielzeit, war es am Ende doch wieder bitter. Und steht sinnbildlich für die Saison.
Was ist mit dem 07. September 2019?
Klar, dieser Abend wird mir für immer im Gedächtnis bleiben. Das Spiel war das Highlight meiner Karriere.
„Ich musste mich natürlich mal wieder entschuldigen“
Am 07. September 2019 haben Sie mit 29 Jahren in der albanischen Nationalmannschaft debütiert. In einem Pflichtspiel. Gegen Frankreich. Im Stade de France. Vor 80.000 Zuschauern.
In meinen Alter noch Nationalspieler zu werden, ist total abgefahren. Aber dann auch noch in diesem Stadion, vor so vielen Menschen, gegen solche Namen – das lässt sich nur schwer toppen. Auch wenn wir 1:4 verloren haben und die Stadionregie damals etwas verwirrt war. Erst haben sie die Nationalhymne von Andorra eingespielt, dann haben sie uns noch mit Armenien verwechselt. (Lacht.)
Welche Bilder haben Sie im Kopf, wenn Sie an das Spiel denken?
Schon beim Warmmachen war das Stadion recht voll, wir sind ein bisschen vor den Franzosen raus auf den Platz gegangen. Irgendwann wurde der Stadionsprecher dann sehr laut, alle Fans standen auf – und die Franzosen liefen ein. Mit einer Lichtshow wie beim Basketball. Alle haben mit ihren Fähnchen gewedelt, dazu laute Musik, die Lichter – ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper. Das Spiel selber ist an mir vorbei gerauscht. Erst beim Abklatschen nach dem Spiel wurde mir wieder bewusst, mit wem ich da gerade abklatsche, was hier eigentlich passiert ist.
Was sagt man als ehemaliger Bezirksliga-Spieler zu einem französischen Weltstar nach dem Spiel? Gute Runde noch?
„Sorry for the foul!“ (Lacht.) Ich musste mich natürlich mal wieder entschuldigen, bei Blaise Matuidi von Juve. Ich hatte ihn kurz nach meiner Einwechselung mit gestrecktem Bein am Fuß erwischt, klare Gelbe Karte, was auch sonst. Also meinte ich, dass es mir leidtäte. Und dass ich auch ein bisschen den Ball erwischt hätte. Da meinte er: „Nee, war nur mein Fuß.“ Wir wurden uns nicht einig. Aber er hat die Entschuldigung am Ende angenommen.
Klaus Gjasula, wo kann die Reise für Sie noch hingehen?
Ich bin realistisch, die Champions League wird schwer. Aber einen Traum habe ich schon: die WM 2022. Mit Albanien. Und ich glaube auch, dass es möglich ist. Ich bin fit!
-