Die Baustelle der „New White Hart Lane“ von Tottenham Hotspur gleicht schon jetzt einer Katastrophe. Betrunkene Bauarbeiter, Kokain und völlige Ahnungslosigkeit. Jetzt trat der Verein vor die Presse und verkündete: Die Eröffnung verschiebt sich erneut.
Wenn Borussia Dortmund am 13. Februar gegen Tottenham Hotspur reisen wird, dann kehrt der Tabellenführer der Bundesliga zurück an den Ort seiner größten Niederlage. Es mag sich mancher Statistiker wundern, schließlich spielte der BVB erst viermal gegen die Londoner. Und erst ein einziges Mal verlor Dortmund auswärts bei Tottenham: 3:1, vor einem Jahr in der Champions-League-Gruppenphase. Die größte Niederlage? Natürlich nicht. Nicht zu vergleichen mit dem schmerzhaften 1:2 gegen den FC Bayern, im Finale von 2013. Gespielt in: Wembley.
Jeder Auftrag an eine andere Firma
Genau dort werden Dortmund und Tottenham in einem Monat aufeinandertreffen. Eigentlich hätte bis zu diesem Zeitpunkt die „New White Hart Lane“ nach Vereinsplänen feierlich eröffnet werden sollen. Doch heute verschob der Verein das Eröffnungsdatum seiner neuen Arena, mal wieder. Alle Heimspiele bis Mitte Februar werden ins Wembley-Stadion verlegt. In Tottenham verbleiben bis dahin ein halbfertiges Stadion und eine Bau-Chronik, die ihresgleichen sucht.
Bereits im August hatte der Verein bekannt gegeben, dass das anvisierte Eröffnungsdatum verpasst werden würde. Damals argumentierten die Verantwortlichen, dass es in der Arena „Probleme mit dem Sicherheitssystem“ geben würde. Ein Satz, der jeden Beobachter des neuen Berliner Flughafens aufschrecken lässt. Anschließend veröffentlichte das Fachmagazin „Construction News“ einen Bericht, der sich noch viel schlimmer liest. Denn ähnlich wie beim BER verzichtete man auch in London auf einen Generalunternehmer, vergab Aufträge an einzelne Firmen.
Keiner weiß, was der andere macht
Die Folge: Auf der größten Baustelle der Premier League wusste keiner so recht, was der andere gerade machte. Die Arbeiter einzelner Subunternehmen würden, laut Bericht, zu Beginn der Woche auf der Baustelle ankommen, exakt ihren Auftrag ausführen und wieder gehen. Es ist zum Beispiel die Rede von zwei Elektrikern, die zwei wichtige elektronische Verdrahtungsabschnitte miteinander verbinden wollten, nur um feststellen zu müssen, dass ein anderes Unternehmen bereits alle Zugänge zubetoniert hatte. Also: Alles abreißen, alles nochmal von vorne.
„Es gibt einfach keine Kommunikation“, sagte ein Insider den „Construction News“. „Alle eilen zu ihren Jobs; Egal, ob und was die anderen tun.“ Weitere Probleme: Teilweise hätten die Arbeiter über keinerlei Werkzeug verfügt, um auf der Baustelle zu arbeiten, an anderen Einsatzstellen hätte Baumaterial gefehlt und ein Großteil der bis zu 4.000 Mitarbeiter hätten deshalb rund um das Stadion nutzlos herumgestanden. Und was machen Menschen, wenn ihnen viel zu lange viel zu oft langweilig wird? Natürlich: Sie trinken Bier. Sehr viel Bier.
Stunden schinden
Wie Quellen berichten, soll ein Großteil der Arbeiter mit üblen Alkoholfahnen zur Arbeit gekommen sein. Nur um den Kater mit kräftigen Zügen Kokain zu verjagen. „Ich habe schon lange nicht mehr an so einem Ort gearbeitet“, berichtet ein Insider, „Es gibt Leute, die haben schon im Morgengrauen die ersten Dosen getrunken und anschließend Koks auf den Toiletten geschnupft.“ Das Unternehmen „Mace“, das die Rolle eines machtlosen Oberaufsehers auf der Baustelle eingenommen hatte, setzte deshalb Drogentests auf der Baustelle ein.
Unter dem Report der „Construction News“ hatte sich zudem ein anonymer Leser in den Kommentarspalten gemeldet, der sich als Senior Project Quality Control Manager der Baustelle ausgab, die er bereits nach sechs Wochen fluchtartig verlassen habe. Er schrieb, im Stadion würden Brandschutzverordnungen geflissentlich ignoriert. Die Firmen würden ungelernte Kräfte zur Baustelle schicken, um mehr Arbeitsstunden abrechnen zu können (ein System, das nebenbei auch beim BER hervorragend funktionierte). Und zu guter Letzt hätten Leiharbeitsfirmen rumänische Postboten als Bauarbeiter verkleidet und dort arbeiten lassen.
Wann folgt die Eröffnung?
Tottenham Hotspur und Oberaufseher Mace wiesen alle Anschuldigungen zurück. Sie glauben weiterhin, dass das Stadion zeitnah eröffnet werden könnte. Das war vor einem halben Jahr. „Construction News“ prognostizierte indes, dass die New White Hart Lane nicht vor Januar 2019 fertiggestellt würde und zitierten andere Experten, die behaupten, dass Tottenham bis zum Saisonende in Wembley spielen müsse – mindestens. Der Verein behauptet, dass alle Sicherheitsmängel mittlerweile behoben worden seien. Allein die Zeit für notwendige Tests würde nicht mehr ausreichen, weshalb Dortmund nun also in Wembley gegen Tottenham spielen wird.
Übrigens: Das letzte Mal, dass der BVB ein Spiel im englischen Nationalstadion verlor, war nicht im Mai 2013. Schon 2017, als Dortmund mit 1:3 gegen Tottenham verlor, wurde das Match in Wembley ausgetragen. Der Verein war gerade wegen Bauarbeiten eingezogen – eine kurze Übergangslösung, wie die Verantwortlichen es vor zwei Jahren noch nannten.