Frankfurts Kapitän Marco Russ spielt trotz Krebsdiagnose in der Relegation. Und wird zur tragischen Figur.
„Eigentlich hätte es andersherum laufen müssen“, sagt mein Kumpel in der Halbzeit. Alex Meier hatte Marco Russ die Kapitänsbinde überlassen. Bei der Vorstellung der Spieler wurde jeder Name lautstark zu einem „Russ“. Lukas – Russ! Makoto – Russ! Timothy – Russ! Die Anteilnahme war zum Greifen spürbar. Auf eine gute, versöhnliche Art wäre es logisch gewesen, wenn Russ das Siegtor geschossen hätte. Bei einem Dosenbier vor Anpfiff hatten wir uns alles ausgemalt. Flutlicht, 90. Minute, Eckball, Kopf, Tor, Tränen und Jubel in der Kurve. Aber „eigentlich“ und „logisch“ gibt es im Fußball eben nicht. Und auch nicht im Leben. Sonst hätte Marco Russ keinen Krebs.
„Kämpfen, Marco, kämpfen“
Als das 1:1 fällt, falle ich dem Typ mit der Nummer 4 in die Arme. Vielleicht unbewusst, vielleicht nicht. Es ist nur ein Tor, aber ein unglaublich wichtiges. Nicht, weil es die Chance auf den Klassenerhalt offenhält. Eher, weil es die Chance mindert, dass Marco Russ mit seinem Eigentor den Abstieg besiegelt. Das wäre ein Grund, an nichts mehr zu glauben. Schon gar nicht an so etwas wie Gerechtigkeit.
Die letzte halbe Stunde des Spiels verfliegt, irgendwann pfeift der Schiri ab. Und als alles schon vorbei ist, wird es doch noch einmal sehr laut in der Kurve. „Kämpfen, Marco, kämpfen“, schreien die Fans, während Marco Russ mit seinen beiden Kindern vor den Block geht und in die Menge winkt. Die Kids tragen bunte Ohrenschützer, Russ streichelt ihnen durch die Haare, nimmt sie auf den Arm, „kämpfen, Marco, kämpfen“. „So eine Scheiße“, sagt der Typ vor mir wieder. Aber diesmal meint er nicht so belanglose Dinge wie ein Fußballspiel oder ein Eigentor.