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Seit einigen Monaten wird gerne und viel über eine neue Qua­lität von Gewalt im Fuß­ball gespro­chen. De facto wurde da auch gerne und viel ver­mengt. Pyro war Gewalt, Gewalt war Pyro. Ein Ultra galt in der Öffent­lich­keit plötz­lich per se als Schläger, und vie­ler­orts ver­suchte man der Kultur so zu begegnen wie in den acht­ziger Jahren den Hoo­li­gans. 

Indes, der Über­fall auf einen Glad­ba­cher Fan-Bus, der am vor­ver­gan­genen Sonntag von FC-Fans über 70 Kilo­meter ver­folgt, dann ein­ge­kes­selt und anschlie­ßend mit rot-weißen Pflas­ter­steinen beworfen wurde, hatte tat­säch­lich eine neue Qua­lität. Das war keine Ver­feh­lung, kein dritte Halb­zeit, keine Wald- und Wie­sen­schlacht. Das war, so bou­le­var­desk das klingt, ein hin­ter­häl­tiger Angriff, der hätte töd­lich enden können. 

Auch die Nach­be­richt­erstat­tung erreichte in jenen Tagen eine neue Dimen­sion. Der Kölner Express“ ver­öf­fent­lichte erst­mals den Namen einer angeb­lich betei­ligten Person. Chris­tian H. soll dem­nach am Steuer eines der betei­ligten Fahr­zeuge gesessen haben. Chris­tian H. ist Vor­sit­zender der Wilden Horde“, der größten Ultra­gruppe beim 1.FC Köln. Die Polizei, so schrieb der Express“, habe seine Betei­li­gung bestä­tigt. Gegen­über 11FREUNDE sagte der Kölner Poli­zei­spre­cher Lutz Flaß­nö­cker: Offi­ziell haben wir keine Namen bestä­tigt.“ In Teilen der Fan­szene löste die angeb­liche Betei­li­gung von Chris­tian H. Ver­wun­de­rung aus. Gerd K.*, seit über 20 Jahren Alles­fahrer, aber nicht Teil der Wilden Horde, bezeichnet ihn als eher ruhigen und beson­nenen Typen“. 

Der FC belegte die Gruppe im Sommer 2011 mit einem Mate­ri­al­verbot 

Unbe­streitbar ist, dass sich die Wilde Horde“ in den ver­gan­genen Jahren für ein nega­tives Stra­ßen­kämpfer-Image außer­or­dent­lich ins Zeug gelegt hat. Da spielt es auch kaum eine Rolle, dass einige Vor­würfe, bis heute nicht bewiesen wurden. So erhielt etwa ein Capo der Gruppe ein Sta­di­on­verbot, weil er, so die Aus­sage eines ein­zigen Zeugen, beim Aus­wärts­spiel auf Schalke im Sep­tember 2011 die Heim­fans mit Fäka­lien beworfen haben soll. Bei anderen Aktionen hat die Gruppe aller­dings ein­ge­räumt, dass die Täter aus ihren Reihen stammen. Im Februar 2011 prü­gelten etwa Mit­glieder einen Poli­zei­be­amten und einen Abtei­lungs­leiter der Kölner Sport­stät­ten­ge­sell­schaft nieder. Der FC hatte da gerade ein Liga­spiel gegen den FC Bayern gewonnen. Der Klub wies die Gruppe an, sich bei den Opfern zu ent­schul­digen – ohne Erfolg. Rainer Mendel, Fan­be­auf­tragter des 1.FC Köln, sagte damals in einem Inter­view mit dem Kölner Stadt­an­zeiger: Es wurden zwar zwei Ter­mine aus­ge­macht, aber beide hat die ›Wilde Horde‹ abge­sagt. Den letzten mit der Begrün­dung, die Mehr­heit der Gruppe sei dagegen, sich per­sön­lich zu ent­schul­digen.“

Der Gruppe wurde auch des­wegen ab Sommer 2011 ein Mate­ri­al­verbot auf­er­legt, dazu wurden ihr Arbeits­aus­weise, Lager­mög­lich­keiten und das Betreiben von Info-Ständen ver­boten. Die Gruppe schrieb in einer fol­genden Stel­lung­nahme: Wir sind wei­terhin nicht daran inter­es­siert, in einen Dialog mit der Polizei zu treten – erst Recht nicht, wenn man uns durch ange­drohte Sta­di­on­ver­bote, Sank­tionen oder durch sons­tige Druck­mittel ver­sucht, dazu zu zwingen.“

Ende Februar 2012 erhielt die Wilde Horde“ ihre Pri­vi­le­gien zurück. Umso scho­ckierter waren wir von der zeit­li­chen Nähe zu dem Über­fall auf den Fanbus zwei Wochen später“, sagt FC-Spre­cher Tobias Schmidt zu 11FREUNDE.

Die Wilde Horde“ bestreitet die Anschul­di­gungen

Der Vor­fall vor zwei Wochen bestä­tigte den­noch viele Kri­tiker. Die Wilde Horde“ ist zwar die älteste und größte Ultra­gruppe, zudem stellt sie beide Capos, den­noch gilt sie im Sta­dion als umstritten. Vor vier Jahren waren bereits Mit­glieder von der Wilden Horde“ aus­ge­treten und die Colo­niacs“ gegründet. Man wollte die Ultra-Kultur zurück auf die Ränge bringen, hieß es damals. Der Sup­port der eigenen Mann­schaft sollte wieder im Vor­der­grund stehen. Es ist aller­dings kein Geheimnis, dass sich die Colo­niacs“ auch wegen dem mit­unter mar­tia­li­schen Auf­treten und dem gewalt­tä­tigen Ver­halten der Wilden Horde“ abspal­teten.

Die Wilde Horde“ bestritt bisher alle Anschul­di­gungen. Auf der offi­zi­ellen Web­seite der Gruppe hieß es drei Tage nach dem Über­fall auf den Glad­ba­cher Fanbus: Die auf dem Rast­platz Sieg­burg vor­ge­fal­lenen Situa­tionen wurden weder von der Wilden Horde orga­ni­siert noch mit­ge­tragen. Die meisten Mit­glieder unserer Gruppe befanden sich zum Zeit­punkt der Gescheh­nisse bereits in Köln und wurden erst einen Tag später durch die Medien über die Vor­fälle infor­miert.“

* Name der Redak­tion bekannt


In den Mor­gen­stunden des 15. März durch­suchte die Polizei Köln das Quar­tier der Wilden Horde“ in Köln-Vogel­sang. Außerdem gab es Raz­zien bei 21 mut­maß­li­chen Mit­glie­dern der Gruppe. Die Polizei infor­mierte gegen Mittag, dass hoch­ex­plo­sive, pyro­tech­ni­sche und nach dem Spreng­stoff­ge­setz ver­bo­tene Gegen­stände wie ben­ga­li­sche Feuer sowie ein Schieß­ku­gel­schreiber zum Abschuss von Pyro­technik“ sicher­ge­stellt wurde. Wei­terhin heißt es, dass Rausch­gift in nicht geringer Menge, diverse Schlag­werk­zeuge, Ver­mum­mungs­ge­gen­stände und Farb­dosen beschlag­nahmt“ wurden, zudem Handys, Lap­tops und Film­auf­nahmen. Es war unser erster Ein­satz in diesem Ausmaß“, sagt Kri­mi­nal­haupt­kom­missar Wolf­gang Burger. Doch was heißt das über­haupt: Hoch­ex­plo­sive Stoffe? Das sind ver­bo­tene Ben­galos, etwa 30 Zen­ti­meter hoch und vier Zen­ti­meter im Durch­messer“, sagt Lutz Flaß­nö­cker. Man bekäme sie pro­blemlos in Tsche­chien oder Polen, doch in Deutsch­land seien sie ver­boten. 

Wilde Horde hat Status als Fan­klub ver­loren 

Der 1.FC Köln reagierte umge­hend. Nachdem die Polizei die bei den Raz­zien sicher­ge­stellten Gegen­stände gezeigt hat, haben wir uns ent­schieden, der Gruppe ›Wilde Horde‹ ihren Status als Fan­klub zu ent­ziehen“, sagt Tobias Schmidt. Und FC-Geschäfts­führer Claus Horst­mann ergänzt: Für die neuen Tat­ver­däch­tigen werden wir wie bereits bei den bekannten Fällen mit einem lang­jäh­rigen bun­des­weiten Sta­di­on­verbot und im Falle der Mit­glied­schaft mit einem Ver­eins­aus­schluss­ver­fahren reagieren.“ Er hofft nun auf einen Selbst­rei­ni­gungs­pro­zess. 

Allein, wie soll dieser von­statten gehen? Zwar lautet das Ultra-Credo, dass Mit­glieder, die einer Gruppe Schaden zufügen, intern sank­tio­niert und even­tuell auch aus­ge­schlossen werden. Doch wann wird der Gruppe nach Ultra-Dia­lektik Schaden zuge­fügt? Eine Prü­gelei mit einem Poli­zisten wird eher nicht als Schaden ver­standen“, glaubt Gerd K. Zudem werden Ultras mit Sta­di­on­verbot gerne zu Mär­ty­rern erklärt.“ 

Mit­ge­hangen, mit­ge­fangen

Den­noch steht für Gerd K. noch dahin, wer die Täter waren. Etliche Mit­glieder der ›Wilden Horde‹ reagierten jeden­falls bestürzt und über­rascht auf den Auto­bahn-Angriff“, sagt er. Letzt­lich müsse man auch auf­passen, alle Mit­glieder in Sip­pen­haft zu nehmen, schließ­lich gebe es auch immer wieder Aktionen von ein­zelnen Grup­pen­mit­glie­dern, die nicht mit der Diret­tivo, der Ultra-Füh­rung, bespro­chen werden. Nach dem Über­fall auf den Glad­ba­cher Fanbus sollen des­wegen Mit­glieder bei der Wilden Horde“ aus­ge­stiegen sein. Es sei kein Schuld­ein­ge­ständnis. Viel­mehr hätten sie rea­li­siert, dass sie für kri­mi­nelle Hand­lungen ver­ant­wort­lich gemacht werden können, die zwar Ein­zelne begehen, in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung aber unwei­ger­lich als Aktion der Gruppe ver­standen werden. 

Die Wilde Horde“ hat sich bis­lang weder gegen­über 11FREUNDE noch auf der eigenen Web­seite geäu­ßert.

* Name der Redak­tion bekannt