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Seite 2: „Für Yverdon gibt es kein Limit“

Vor dem Spiel hockt er im Kreis seiner Kol­legen, die nicht mehr Steven Ger­rard heißen oder Thierry Henry, son­dern Bruno Caslei oder Auré­lien Chap­puis und die tags­über für Ver­si­che­rungen vorm Rechner sitzen oder einen Bachelor machen. Im Ver­eins­heim von Yverdon-Sport isst er einen Teller Nudeln. Es ist Sams­tag­mittag, in zwei Stunden steigt das Spit­zen­spiel gegen Brei­ten­rain Bern. Dritter gegen Vierter, im etwas maroden Stade Muni­cipal, flan­kiert von Bahnhof, See und den Bergen.

Im Ver­eins­heim ist es düster, Decken­höhe 2,20 Meter. Cissé geht hier gebückt. An der Wand kleben ver­welkte Din-A4-Blätter mit ange­trock­neten Kaf­fee­rän­dern, darauf Geträn­ke­an­ge­bote, Pastis für vier Franken. Die Tisch­platten kleben vom Fett der ver­gan­genen 40 Jahre, um die Mann­schaft herum sitzen war­tende Eltern von Kin­dern, die nach ihrem E‑Ju­gend-Spiel noch trö­deln unter der Dusche.

Und Männer, die aus kleinen Glä­sern ihr Vor­mit­tags­bier trinken. Viel­leicht das erste, viel­leicht das vierte. Ein paar Knirpse wuseln herum, was der Grund dafür sein muss, dass sich die Alten das Rau­chen ver­kneifen. Auf einem Kühl­schrank steht eine Ste­reo­an­lage, die nicht ange­schlossen ist, auf der Anlage ver­staubt ein Pokal ohne Deckel. Das alles hat nicht viel mit pro­fes­sio­nellem Fuß­ball zu tun. Und es ist wun­der­schön.

Cissé ist nicht greifbar

Mit­ten­drin sitzt ein Mann, der von Pri­vat­spon­soren bezahlt wird und ein Viel­fa­ches von dem ver­dient, was seine Mit­spieler bekommen. Der zum ersten Trai­ning vom Klub­prä­si­denten per Hub­schrauber ein­ge­flogen wurde. Der zu seinen beson­ders schrillen Zeiten 15 Autos gleich­zeitig besaß und in einem knall­roten Anzug hei­ra­tete.

Und der über die Pres­se­stelle – die in Wirk­lich­keit Steven Guig­nard heißt und halb so alt ist wie Cissé – vorab aus­richten ließ, dass er viel­leicht 15 Minuten Zeit hätte für ein Gespräch. Nach dem Spiel. Aller­höchs­tens. Besser wären zehn. Man könnte ihn zwar ein­fach anspre­chen hier und jetzt, er sitzt ja nur sieben Meter ent­fernt und isst Nudeln, aber nachher bekäme die Pres­se­stelle Ärger, und das wünscht man Steven Guig­nard nun wirk­lich nicht.

Cissé ist nicht greifbar. Und wirkt in diesem Ver­eins­heim trotz seines grau gefärbten Iros und trotz der vielen Tat­toos nicht wie ein Pop­star. Der Ort nimmt ihm den Mythos. Er zerrt ihn vom Podest. Hier ist er, da kann er machen, was er will, ein­fach nur der Dji­bril. Er ist ein ganz nor­maler Spieler“, sagt die junge Frau, die in enger Jeans und schul­ter­losem Top hinter der Theke steht und ein Bier zapft. Außer, dass er in jedem Spiel ein Tor schießt.“

Für Yverdon gibt es kein Limit“

Dass Cissé für Yverdon allein bis zur Win­ter­pause schon 15 Mal traf, hat sehr viel mit Mario Di Pie­tran­tonio zu tun. Der ist seit vier Jahren Ver­eins­prä­si­dent, und wenn es nach ihm geht, dann ist die Sache mit Cissé nur der Anfang. Spricht man ihn auf seinen Klub an, sagt er Sätze wie Für Yverdon gibt es kein Limit“ oder Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe noch zwei, drei gute Ideen.“

Als der 53-Jäh­rige kam, war Yverdon-Sport gerade bis in die vierte Liga durch­ge­reicht worden und stand vor dem finan­zi­ellen Ruin. Wenn ich den Klub damals nicht über­nommen hätte, wäre hier alles den Bach runter gegangen.“ Doch Di Pie­tran­tonio, der fünf Minuten vom Sta­dion ent­fernt wohnt und sich als Immo­bi­li­en­makler in der Region ein kleines Impe­rium geschaffen hat, über­nahm. Er krem­pelte den Klub um, steckte Geld in die Jugend­ab­tei­lung, ver­schliss drei Trainer und stritt sich so lange mit der Stadt, bis die dem Umbau des denk­mal­ge­schützten Sta­dions für das Jahr 2019 zustimmte.

Denn Di Pie­tran­tonio, seit der Kind­heit Fan des Ver­eins, will end­lich wieder nach oben. Dorthin, wo Yverdon schon mal war, Ende der Neun­ziger. Damals führte ein junger Trainer den Klub sen­sa­tio­nell in die erste Liga und dort im ersten Jahr sogar auf Platz fünf. Sein Name: Lucien Favre. Seitdem stieg Yverdon ab und wieder auf und wieder ab. Dreimal.