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Du hast ja recht, das war nie­mals ein Elfer“, sagt Dji­bril Cissé, aber du musst run­ter­kommen, sonst wirst du gesperrt.“ Er legt seinem Gegen­spieler beru­hi­gend eine Hand auf die Schulter. Noch vor wenigen Sekunden hätte dieser der Schieds­rich­terin bei­nahe eine ver­passt, jetzt stehen sich die beiden Spieler nach Abpfiff im düs­teren Kabi­nen­gang von Yverdon-Sport gegen­über. Cissé, der Welt­star mit Trans­fer­er­lösen von 50 Mil­lionen Euro, und der andere Mann, aus­ra­sierter Nacken, Bauch­an­satz, namenlos.

Für einen kurzen Moment sind sie großer und kleiner Bruder, ver­drahtet durch das gemein­same Dasein als Dritt­li­ga­fuß­baller in der Schweizer Pro­vinz. Ver­schwitzt, abge­kämpft, dre­ckig vom kalten Matsch da draußen. Dann will sich der kleine Bruder recht­fer­tigen, doch er über­legt es sich anders. Seine Wut ent­weicht, man sieht das seinem Körper an, die Span­nung fällt ab. Er greift nach Cissés Hand, zieht sich an ihn heran und legt ihm sachte die eigene Stirn auf die Brust. Es sieht aus wie: Schön, dass du jetzt einer von uns bist.“

Er schoss Tore, wo auch immer sie ihn stürmen ließen

Yverdon-les-Bains liegt in der West­schweiz, 30 000 Ein­wohner, gefühlt nicht viel weniger Por­sche-Cayenne, man kann in der Therme baden oder im See, sehr oft über den sehr kleinen Markt­platz spa­zieren und am Abend im Bow­ling­center einen bunten Cock­tail trinken. Oder man kann dabei zugu­cken, wie Dji­bril Cissé in der dritten Schweizer Liga für Yverdon-Sport alles kurz und klein schießt. Und sich fragen, warum er das macht. Also Cissé.

Denn eigent­lich muss der Mann nie­mandem etwas beweisen. Er hat sich in seiner Kar­riere mit Liver­pool 2005 den wun­der­lichsten Cham­pions-League-Tri­umph von allen erkämpft. Er behielt im Elf­me­ter­schießen gegen den AC Mai­land die Nerven. Er durfte für Frank­reich auf dem Platz stehen, immerhin 41 Mal, manchmal sogar mit Ziné­dine Zidane zusammen. Er schoss Tore, wo auch immer sie ihn stürmen ließen, ob in Auxerre, Liver­pool, Mar­seille oder Athen. Warum also Yverdon-les-Bains?

Hemd im eigenen Land Die Bundesliga-Trikotwahl zur Saison 2021/2022

Das schönste am Sai­son­start? All die neuen Tri­kots! Zumin­dest bei ein paar Mann­schaften. Also bei ein paar wenigen. Aber seht selbst. Vor­hang auf für das große Trikot-Ran­king zur kom­menden Spiel­zeit.

Warum zurück­kehren aus dem fuß­bal­le­ri­schen Ruhe­stand, den er im Oktober 2015 ver­kündet hatte? Der sich, so behauptet es Cissé zumin­dest in Inter­views, als DJ von Mariah Carey oder als Tänzer bei Let’s Dance“ finan­ziell viel mehr lohnte als das hier. Zumal sein Körper doch eigent­lich längst hin­über ist. Geg­ne­ri­sche Ver­tei­diger bra­chen ihm das Schien- und Waden­bein. Zweimal. Die Kno­chen wurden geflickt. Die rechte Hüfte nahmen sie ihm ganz, sie wurde durch ein künst­li­ches Gelenk ersetzt.

Und trotzdem schleppt er sich an diesem schmud­de­ligen März-Tag im Nie­sel­regen von Yverdon vor 335 Zuschauern über einen glit­schigen Rasen­platz. Wirft sich hier und da in Kopf­ball­du­elle und schirmt mit seinem furcht­erre­gend breiten Kreuz Bälle ab, so dass die Innen­ver­tei­diger an seinem Rücken zer­brö­seln wie Kekse. Er schreit schrill, wenn ein Pass ihn nicht erreicht, er hebt ver­ständ­nislos die Arme, wenn die Flanken zu flach oder zu hoch geraten, was in der dritten Schweizer Liga recht häufig pas­siert. Warum tut er sich das an?

Weil er, der sich als Knirps in seiner Hei­mat­stadt Arles jedes Trai­ningstor ins Notiz­heft ein­trug, um am Monats­ende auf 150 Buden zu kommen, die Bestä­ti­gung noch immer braucht wie der Streber die Eins in Mathe? Weil er, immerhin 36 Jahre alt und Vater von fünf Kin­dern in drei Län­dern, ohne seine Tore bockig wird wie ein kleiner Junge? Erst wenn ich diese Gier tief in mir drinnen nicht mehr spüre, höre ich wirk­lich auf“, sagt er später, als man ihn end­lich spre­chen darf.