In München gibt’s die Schönsten und Schlausten, in Augsburg den Schnellsten, in Hamburg macht nur Calhanoglu alles richtig und in Leverkusen will man eigentlich gar nicht Champions League spielen. Entschuldigt sich schon mal für die Überschrift: unsere Elf der Saison.
Pep Guardiola
Das Fachwissen, das Aussehen, die Eleganz, ja sogar der Haarwuchs und seine Deutschkenntnisse – Pep Guardiola ist in allen Belangen ein besserer Mann als wir. Was uns manchmal, wenn wir ihn an der Seitenlinie sein bayrisches Symphonieorchester dirigieren sehen, vor Neid ein paar salzige Tränen in einen noch nicht abbezahlten Designerschal weinen lässt. In erster Linie freuen wir uns aber natürlich, dass ein solcher Startrainer in der Bundesliga gelandet ist und gratulieren zur ersten durchaus erfolgreichen Saison. Dass nach dem verpassten Triple überhaupt ernsthafte Kritiker auf den Plan traten, war angesichts der Dominanz der Bayern in der Liga fast schon ein Treppenwitz, zeigt aber auch auf bittere Art und Weise, wie weit sich die Mia-san-mia-Bayern bereits vom Rest der Liga entfernt haben. Darum ein frommer Wunsch unsererseits für die nächste Saison: Lieber Pep, bitte nicht ganz so maschinenhaft-dominant durch die Liga ballern. Gerne aber weiterhin so elegant.
Philipp Lahm
Als den „intelligentesten Spieler“, mit dem er je zusammengearbeitet hat, adelte Pep Guardiola seinen Kapitän und bedenkt man, dass der Katalane solche Über-Brains wie Xavi und Iniesta trainiert hat, die mit ihrem Spielverständnis wahrscheinlich auch Kriege gewinnen und Gegenspieler mit ihren Pass-Stafetten in die Epilepsie ticitacaen könnten, sind das wirklich große Worte. Man kann ihnen aber getrost Glauben schenken, denn Philipp Lahm entwickelte sich in dieser Saison vom weltbesten Rechtsverteidiger zu einem der weltbesten Sechser, was ihm scheinbar so viel Mühe bereitete wie das Finden der eigenen Nase mit dem Zeigefinger. Was als nächstes kommt, wissen wir nicht, aber vielleicht wird Lahm nach der WM vom weltbesten Sechser zum weltbesten Schachspieler umschulen und Magnus Carlsen mattsetzen. In zwei Zügen. Vieleicht wird er dann während des Frühstücks ein Physikstudium aufnehmen und beenden und nachmittags am CERN das Gottesteilchen finden. Per Drop-Kick. Und vielleicht wird er dann, nach einem nächtlichen Mathematikstudium per Lern-Kassette, während der Morgentoilette die letzte Ziffer von Pi finden, vielleicht irgendwo in dem zauseligen Bart, den er sich neuerdings stehen lässt. Wir wissen es nicht. Aber ausschließen können wir es auch nicht.
Hakan Calhanoglu
Der HSV spielte in diesem Jahr die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte und könnte sie tatsächlich noch mit dem Abstieg krönen. Die Minusrekorde, die sich die Hamburger während ihrer 34 Wochen währenden Unzulänglichkeits-Festspiele in die Vereinschronik dilettierten, sind dabei mannigfaltig. Die meisten Gegentore, die wenigsten Siege, die ratlosesten Trainer, die vollsten Hosen, die panischsten Transfers, die tiefsten Uwe-Seeler-Sorgenfalten seit Beginn der Messung 2004, Heiko Westermanns Angstschweiß erstmals im Hektoliter-Bereich, Rafael van der Vaarts Sprints zu langsam, um noch messbar zu sein, Abstände zwischen den Mannschaftsteilen, die so groß sind, dass Experten den Flug MH 370 irgendwo in den Gräben zwischen Mittelfeld und Abwehr vermuten und eine Führungsriege, die nicht mal eine Topfpflanze managen könnte. Aber es gab auch kleine Mutmacher in dieser verkorkstesten aller HSV-Saisons. Pierre-Michelle Lasoggas bergtrollartige Urwüchsigkeit und Durchschlagskraft etwa oder Hakan Calhanoglus rechte Klebe, mit der er durchaus selbstbewusst auch bei der Tontaubenschießen-WM antreten könnte. Sieben Fernschuss-Tore erzielte der Deutschtürke in der laufenden Saison, insbesondere nach seinem 40-Meter-Sensations-Gewaltschusstor gegen den BVB sind wir sicher, dass Calhanoglu auch von einer Würstchenbude außerhalb des Stadions das Tor treffen würde. Oder aus der Hamburger Innenstadt. Oder aus einem fahrenden Auto. Ohne Türen oder Fenster zu öffnen. Und wahrscheinlich trotzdem genau in den Winkel.
Marco Reus
Dass mit Marco Reus der gegenwärtig beste deutsche Fußballer nicht in München spielt, sorgt an der Säbener Straße wahrscheinlich für ähnlich viel Frustration wie die ein oder andere Entscheidung des Landgerichtes München. Auf stolze 16 Tore und 14 Vorlagen kommt Reus in dieser Saison, hinzu kommt ein Spielstil, der so rasant ist, dass im Europapark Rust nun eine Achterbahn nach ihm benannt werden soll. Gerüchten zufolge will die DFL dem BVB nur dann die Lizenz erteilen, wenn der Verein Reus in Spielen gegen Gegner aus der unteren Tabellenhälfte die Arme auf den Rücken bindet oder ihm einem Brems-Fallschirm am Rücken befestigt, wie man sie von Düsenjägern kennt. Alles andere wäre unfair.
Arjen Robben
Der Marco Reus auf Seiten des Rekordmeisters hieß diese Saison Arjen Robben. Der Holländer, dessen Trikots gerüchteweise aus dem selben Material und Verfahren gewonnen werden wie Synthetikdarm, ging in dieser Saison mit derart vielen Gegnern auf Rechtsaußen Schlittenfahren, dass sich eine Selbsthilfegruppe anonymer Robbendribblingopfer gegründet hat, in der, so deren Sprecher Heiko W., Themen wie Schleudertrauma oder Spandex-Alpträume gemeinschaftlich aufgearbeitet werden sollen. Hinzu kommt, dass Robben, einst „der Gläserne“, seine Verletzungsanfälligkeit in den Griff bekommen zu haben scheint und von Arjen Robben quasi zu „Iron“ Robben mutierte, ein unaufhaltsamer, nach Innen ziehender, Tore schießender Weltklassespieler mit einem Körper aus Stahl.
Stefan Kießling
Das Tor des Jahres schoss indes nicht Sahnefuß Reus oder Trikotgrößen-Legastheniker Robben, sondern Leverkusens Stefan Kießling. Mit seinem Phantomtor gegen Hoffenheim sorgte er für die Szene der Saison, eine Situation, skurriler als ein Gespräch zwischen Nina Hagen und Dr. Axel Stoll über Aliens. Der Ball flog von Kießlings Kopf ans Außennetz und durch ein Loch ins Tor, im anschließenden Jubel seiner Mitspieler nahm ein sichtlich verwirrter Kießling den Treffer mit und wirkte dabei ähnlich verschmitzt wie ein Klosterschüler, der gerade ein verbotenes Wort gesagt hatte. Prinzipiell ist Kießling einer von den Guten und der folgende Shitstorm war sicherlich nicht gerechtfertigt, auch wenn die Aktion in ihrer Gänze ähnlich sauber war wie der Küchenboden der Ludolfs. Aber über seine Aktion und Reaktion kann Kießling ja während des Sommers nochmal nachdenken. Zeit hat er ja.
Bernd Leno
Warum anstelle von Bernd Leno Ron-Robert Zieler mit zur WM fahren darf, ist wahrscheinlich das größte deutsche Mysterium seit der Barschel-Affäre. Um die erschreckenden Hintergründe aufzudecken, haben wir eigens eine 11FREUNDE-Investigativ-Taskforce gegründet, mit den ersten Recherche-Ergebnissen wird gerechnet, sobald die Kollegen damit fertig sind, den PC-Bildschrim anzuschreien und der „Google“-Website frustriert und überfordert Schläge anzudrohen. Bis dahin weisen wir an dieser Stelle darauf hin, dass Bernd Leno in dieser Saison vom Nachwuchskeeper zum Klassemann von internationalem Format reifte, der neben seinen unzähligen Glanzparaden auch noch so viele Elfer hielt, dass ihn „Ravensburger“ zum Markenbotschafter für „Elfer Raus“ machen möchte.
Roberto Hilbert
Was Roberto Hilbert nächste Saison ursprünglich an den Abenden unter der Woche vorhatte, wissen wir nicht. Vielleicht ist ja Mittwochs immer Sitzung im Schnauzbart-Verein Leverkusen-Nord, vielleicht wollte er auch schlicht nicht auf den dienstäglichen Bud Spencer/Terrence Hill-Marathon auf „Kabel 1“ verzichten. Was wir ihm absolut nicht verdenken könnten. In jedem Falle setzte Hilbert in dieser Saison alles daran, die Champions-League-Teilnahme seiner Leverkusener so gut es geht zu sabotieren und verursachte in 16 Spielen sagenhafte fünf Elfmeter – eine Quote, die er höchstens dann noch überbieten könnte, wenn er Stolperdraht um den Leverkusener Fünfmeterraum ziehen oder Tellerminen im Sechzehner auslegen würde. Geholfen hat es indes nichts, Hilbert muss nächste Saison wohl doch Champions League spielen. So ein Ärger.
Karim Bellarabi
Nun, besonders glücklich ist das Bundesliga-Abenteuer für die Braunschweiger nicht ausgegangen, von 34 Spieltagen stand man gefühlte 35 auf dem letzten Platz. Was aber bleibt ist die wunderbare Achtzigerfußball-Reminiszenz, die uns der BTSV mit seiner erdig-hemdsärmelig-schnauzbarthaften Art 34 Spieltage lang bot. Für uns Traditionis ein willkommener Anlass, um endlich mal wieder das heißgeliebte Sportreporter-Glossar aus dem Schrank zu holen und so angestaubte wie wunderschöne Begriffe wie „Tartanbahn“, „Ballonseide“, „Terrier“ und „Wadenbeißer“ rollenden Rs in die Redaktionsräume zu rubenbauern. Darüber hinaus bleibt vor allem auch der 3:0‑Derbysieg gegen Hannover, für den sich unter anderem Karim Bellarabi verantwortlich zeigte, der das dritte Tor mit einem Tänzchen vorbereitete, das so wunderschön war, dass in der Folgewoche im Braunschweiger Umland die Tanzkurs-Anmeldungen sprunghaft in die Höhe schnellten.
André Hahn
Die Überraschung der Saison sind wohl, neben den Hamburgern, unsere Freunde aus Augsburg. Ein beschauliches, ländliches Fußballidyll, in dem die Punkte gemeinschaftlich ermöldert werden und sich niemals jemand über das Kollektiv erheben würde. Wobei André Hahn dazu allen Grund hätte, denn Hahn spielte eine herausragende Saison, die er mit 12 Toren, neun Vorlagen und einer eventuellen Teilnahme an der WM in Brasilien krönte. Insbesondere seine Schnelligkeit ist wirklich bewundernswert. In manchen Partien war Hahn so schnell, dass „Sky“ die Interviews nach dem Spiel in Zeitlupe abspielte, weil Hahn sonst nicht zu verstehen gewesen wäre. Nach dem Sommer wechselt Augsburgs Kreuzung aus Speedy Gonzales und Usain Bolt übrigens nach Gladbach. Den Umzug soll Hahn schon erledigt haben. Per Vollsprint in knapp unter einer halben Stunde.
Gertjan Verbeek
Dass Gertjan Verbeek nicht mehr in der Bundesliga tätig ist, stimmt uns traurig, denn mit seiner nonchalanten Mirdochegal-Frisur und seinen charmanten Wutausbrüchen bot uns der uneheliche Sohn von Gary Busey und Kris Kristofferson angenehm viele Anknüpfungspunkte. Für einen emotionalen Höhepunkt im Abstiegskampf sorgte seine Auseinandersetzung mit Freiburgs Trainer Christian Streich, vielleicht die beste Fehde seit jener von Hulk Hogan und Yokozuna. Nur dass Verbeek und Streich die ihre, sehr zu unserem Bedauern, nicht mit Piledrivern, Banzai Drops und Powerbombs beilegten, sondern gar nicht, und wir also weiterhin vergeblich auf die längst überfällige Kreuzung von Fußball und Wrestling warten. Lieber DFB, liebe WWE – übernehmen Sie.