1997 schleppte sich ein gemarterter BVB gegen Juventus Turin zum Champions-League-Sieg. In unserem Königsklassen-Spezial erinnern wir daran.
Mit „Madrid“ war übrigens Atletico gemeint, der stärkste Gegner in der Gruppenphase. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt, im Herbst, ging es beim BVB drunter und drüber. Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, Mannschaftsarzt der Nationalelf und des FC Bayern, warf seinem Dortmunder Kollegen Dr. Achim Büscher Fehldiagnosen vor. „Dortmund krankt am Ärztestreit“ titelte die „Berliner Zeitung“, und der „Kicker“ wusste von „schwelenden Differenzen“ zwischen Sammer und Hitzfeld. Doch auf dem Rasen war von all dem nichts zu spüren. Die ohne fünf Stammkräfte angetretene Borussia erkämpfte sich in Spanien einen 1:0‑Erfolg, der praktisch die Qualifikation für die nächste Runde bedeutete.
„Letztlich ist nicht immer alles kalkulierbar.“
Es sollte nicht der letzte sein. Denn nach dem 3:1‑Heimsieg gegen Auxerre im Viertelfinale – bei dem ein weiterer Reservist, Ibrahim Tanko, entscheidend am beruhigenden dritten Treffer beteiligt war – folgten drei Partien am Stück, in denen nur ein Tor fiel, jeweils für den BVB. Am seidenen Faden hing der Erfolg dabei vor allem gegen eine Elf von Manchester United, die bald für Furore in Europa sorgen sollte, im April 1997 aber noch zu unerfahren war. „Wir waren unheimlich konzentriert und überzeugt von uns“, erinnert sich Hitzfeld an die Duelle mit dem englischen Meister. „Aber letztlich ist nicht immer alles kalkulierbar. Man braucht auch Glück, und wir hatten es. Das Glück des Tüchtigen.“
Was der große Gentleman unter den Trainern dabei verschweigt, ist seine eigene Rolle in der ganzen Geschichte. Im Laufe dieser Champions-League-Saison musste Hitzfeld viele Entscheidungen treffen, die ihm nicht leichtfielen: So entschloss er sich erst sechs Stunden vor dem Finale, den vielseitigen Tretschok anstelle des verdienten Feiersinger in den Kader zu nehmen, was er noch heute eine der schwierigsten Entscheidungen seines Berufslebens nennt.
„Für einen guten Zweck.“
Aber jede seiner Maßnahmen stellte sich als richtig heraus. Beim Hinspiel gegen Manchester bot er Tretschok als zweite Spitze auf, prompt schoss der das Siegtor. Zum Finale gegen Juventus Turin setzte der Trainer Ricken zunächst auf die Bank. Das ärgerte zwar den Präsidenten, schob aber ein Ass in den Dortmunder Ärmel: Als die Italiener ihren Glücksbringer einwechselten, den Jungstar Alessandro Del Piero, und das Spiel nach seinem 2:1‑Anschlusstor zu kippen drohte, konnte Hitzfeld mit seinem eigenen Talisman reagieren. Als Rickens Heber aus 25 Metern ins Netz plumpste, war Juve besiegt, auch wenn Hitzfeld noch bis zum Abpfiff nervös an seinem Mantel fingerte.
Was ist eigentlich aus dem Mantel geworden? „Ich habe ihn weggegeben“, sagt Hitzfeld. „Für einen guten Zweck.“