Zumindest bis Mittwoch ist der FC Granada Tabellenführer in Spanien. Als Aufsteiger. Wie konnte der Verein mit dem kleinsten Budget der Liga so durchstarten?
Bevor der kleine Aufsteiger aus Granada vor einigen Wochen den Serienmeister aus Barcelona schlug, bediente sich der Trainer einer Methode, die so sehr an Klischees aus der Kreisklasse erinnert wie fußpilzverseuchte Duschen, übergewichtige Zehner und der Kasten Bier nach dem Spiel. Diego Martínez schob eine Tafel herein, auf der all das stand, was der FC Granada brauchen würde, um Luis Suárez, Antoine Griezmann und Lionel Messi zu stoppen. Kein abkippender Sechser war darauf zu finden, keine überraschende Eckenvariante, keine Passwege durch die Schwachstelle der Barca-Defensive zwischen Clément Lenglet und Junior Firpo. Es war eine Tafel, auf der groß „Identität des FC Granada“ stand. Darunter 15 Worte. Worte wie: torhungrig, chamäleonartig, entschlossen, intelligent, kompakt, mentale Stärke und – natürlich – Spaß am Fußball. Nicht überliefert ist, ob Martínez seinen Innenverteidiger Germán Sánchez auch angewiesen hat, Suárez „zur Not bis auf’s Klo zu begleiten“.
Was in den 90 Minuten darauf passierte, war genau das, was auf der Tafel zu sehen war. Hart kämpfende Granadiner, die den Superstars, die zu Gast waren, zwar den Ball überließen, aber nur solange er weit vom Tor entfernt war. Sobald Barca näher kam, gingen sie hart in die Zweikämpfe, verteidigten kompakt und nutzten gierig die Chancen, die sich ihnen boten. Am Ende hatte Granada zwar nur 26 Prozent Ballbesitz, dafür aber fast doppelt so viele Fouls, das Dreifache an Torschüssen und zwei Tore mehr als der FC Barcelona. 2:0 Endstand.
Tatsächlich wie ein Chamäleon
Zumindest bis Mittwoch, wenn der FC Barcelona in einem Nachholspiel auf Real Madrid trifft, ist Granada Tabellenführer. Nach zehn Spielen hat die Mannschaft bereits 20 Punkte gesammelt, allein im September kam die Mannschaft auf vier Siege in fünf Partien und eine Bilanz von 9:1 Toren. So schob sich der FC Granada Spiel für Spiel vorbei an den Größen des spanischen Fußballs, überholte in der Tabelle Barcelona, Sevilla, Atlético Madrid und Real Madrid.
Und anders als es die recht lapidare Tafel vermuten lässt, hat der 38-jährige Coach, der in der vergangenen Saison Granada in die erste Liga geführt hat, eine tatsächlich chamäleonartige Mannschaft erschaffen. Eine Mannschaft, die sich extrem an die Stärken und Schwächen des Gegners anpasst. Gegen den FC Barcelona spielte die Mannschaft fast schon eine Manndeckung, presste in den richtigen Momenten, um das Spiel durch die Mitte fast komplett zu unterbinden und Eins-gegen-eins-Situationen aufzubauen. Solange, bis Valverde beschloss, den angeschlagenen Messi einzuwechseln. Martínez stellte um, ab sofort kümmerten sich bis zu drei Verteidiger um den Argentinier, der weitestgehend unauffällig blieb.