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Es sah nicht gut aus gegen 16.30 Uhr am 12. Mai 2007 in Bochum. 1:2 lag der VfB Stutt­gart zurück und würde so nicht einmal den 0:1‑Rückstand von Schalke 04 im Revier­derby aus­nutzen können. Dann wäre Stutt­gart vor dem letzten Spieltag nur Tabel­len­zweiter und würde ganz bestimmt nicht mehr Deut­scher Meister werden. Armin Veh musste han­deln. Seit der Halb­zeit­pause hatte sich Wun­der­kind Mario Gomez hinter dem Tor warm­ge­laufen, war bereit für seinen ersten Ein­satz nach zwei­mo­na­tiger Ver­let­zungs­pause. Veh würde ihn gleich bringen – für Benni Lauth.

Seitdem ist viel geschehen in der Fuß­ball­welt. Das Spiel in Bochum liegt knapp zehn Jahre zurück und Mario Gomez trifft immer noch. Am Sonntag gegen Bayer Lever­kusen gleich dreimal in nur sieben Minuten. Es war gleich­zeitig der schnellste Bun­des­liga-Hat­trick, der je in einem Aus­wärts­spiel erzielt wurde. Gomez juckte das nicht weiter: Ich spiele ja schon ein paar Jahre jetzt. Und ich habe auch schon ver­rückte Spiele erlebt. Heute war’s gar nicht so ver­rückt.“

Was waren das für Zeiten?

Zu den ver­rück­teren Spielen gehört sein Auf­tritt vor zehn Jahren. Ein­wechs­lung um 16:40 Uhr für Benni Lauth. Kurz darauf köpfte der 21-Jäh­rige Stutt­gart ins Glück. Nach einer Flanke von Pavel Pardo stand Gomez gold­richtig, machte das 2:2 und ließ sich feiern. Stutt­gart war punkt­gleich mit Schalke! Und Cacau schoss den VfB wenige Minuten später ganz nah gen Meis­ter­schale.

Was waren das für Zeiten, als Mario Gomez noch ohne Dis­kus­sion für guten Fuß­ball stand. Für eine bal­dige Wach­ab­lö­sung von Miro Klose (und viel­leicht auch Benni Lauth) in der deut­schen Natio­nal­mann­schaft. Für Tore. Für Meis­ter­schaften. Für Welt­meis­ter­schaften.

Uner­setzbar

Davon ist heute, zehn Jahre nach Gomez’ erster Meis­ter­schaft, nicht mehr viel übrig. Ohne Frage gilt der Wolfs­burger noch immer als bester deut­scher Stürmer, was aber vor allem an aus­blei­bender Kon­kur­renz fest­zu­ma­chen ist – trotz Sandro Wagner. Viel­mehr wird Gomez noch immer von einem Groß­teil aller Fans ver­spottet. Und das völlig zu unrecht.

Zu grob­mo­to­risch sei der Stürmer, der sowieso nur im Straf­raum auf Bälle warten würde, um den Fuß hin­zu­halten. Ein guter Kopf­ball­spieler wäre er natür­lich auch nicht, was ver­mut­lich an seinen viel zu schönen Haaren läge. Und wann hatte Gomez eigent­lich das letzte Mal Geschwin­dig­keit auf­ge­nommen – außer­halb von der Auto­bahn? Sei­ner­zeit in Mün­chen ging es sogar so weit, dass man ihm vor­warf, der FC Bayern könne nur dann gewinnen, wenn Gomez keinen schlechten Tag erwischte. Als hätte es je ein grö­ßeres Lob für einen Uner­setz­baren gegeben.

Trotzdem: In einer Zeit, in der der FC Bayern wieder zu einer inter­na­tional geach­teten Größe und die deut­sche Natio­nal­mann­schaft zum Welt­meister wurde, galt Gomez gar als Stief­kind des Erfolgs. In Mün­chen geschasst, zog es ihn nach Flo­renz, wo er sich wenig später mit einem Innen­band­teil­riss eine ernst­hafte Ver­let­zung zuzog. Als Deutsch­land in Rio fei­erte, hatte sich Gomez so gerade von einer Kette wei­terer Ver­let­zungen erholt. Manch einer fand das traurig, für die meisten geriet Gomez sogar ein klein wenig in Ver­ges­sen­heit. Und ganz wenige erin­nerten in sol­chen Situa­tionen an Stol­p­er­gomez“ und seine ver­ge­bene Chance im Euro­pa­meis­ter­schafts­spiel gegen Öster­reich 2008, als er den Ball von der Tor­linie gekratzt hatte.

Das Wappen des Welt­meis­ters trug Gomez des­halb aus­ge­rechnet im ersten Spiel nach dem gewonnen Finale. In einem unnö­tigen Freund­schafts­spiel gegen Argen­ti­nien, bei dem – noch unnö­ti­ger­er­weise – Gomez von ersten bis zur letzten Minute von den eigenen Fans aus­ge­pfiffen wurde. Ich glaube, es ist auch ein Stück weit mitt­ler­weile normal“, gab der Aus­ge­pfif­fene scheinbar gleich­gültig zu Pro­to­koll.

Und die Kri­tiker durften weiter kri­ti­sieren. Über seine man­gelnde Spiel­in­te­gra­tion her­ziehen, seine Arro­ganz anpran­gern oder ihm feh­lendes Ball­ge­fühl zuschreiben.

Gomez‘ Gespür für freie Räume

Dabei dürfte jedem, der auch nur ein ein­ziges Mal gesehen hat wie Mario Gomez mit nur einer ein­zigen Bewe­gung ein Zuspiel ver­ar­beiten und eine neue Situa­tion ein­leiten kann, bewusst sein, dass dort auf dem Rasen einer der ball­sen­si­tivsten deut­schen Stürmer aller Zeiten stehen dürfte. Der nicht nur ein ein­ma­liges Gespür für freie Räume zur Bin­dung von zahl­losen Ver­tei­di­gern besitzt, son­dern ebenso genau weiß, wann aggres­sives Pres­sing ein­zu­setzen ist – und wann vor allem nicht. Seine bul­lige Statur ist dafür nur ein Vor­teil.

2015 schien es den­noch so, als sei Gomez all diese Dis­kus­sion um seine Person völlig leid. Es zog ihn nach Istanbul, was einem lang­samen Kar­rie­re­ende fast gleichkam. Statt­dessen nahm der 1,89-Mann nur neue Fahrt auf. Für die Natio­nal­mann­schaft, für die Bun­des­liga und für den VfL Wolfs­burg.

Jeder Tag ist ein guter Tag

Dass aus­ge­rechnet der Kon­zern­klub das Rennen um Gomez, an dem angeb­lich auch Borussia Dort­mund inter­es­siert war, gewann, kam einer kleinen Sen­sa­tion gleich. Und ebenso wie der Stürmer im Sommer hoch­ge­lobt wurde, warfen sich die Kri­tiker nach den ersten sechs Spielen ohne Tor auf den Erfolgs­losen. Wolfs­burg, so sagten sie, könne nur gewinnen, wenn Gomez end­lich mal einen guten Tag erwi­schen würde.

Seitdem Andries Jonker gegen­über vom Haupt­bahnhof regiert, erwischt sein Stürmer scheinbar jeden Tag einen guten Tag. Mit jeder Chance wird er wieder besser. Und trifft wie er will. Alle sechs Tore für acht Punkte unter Jonker schoss Gomez selbst. Braucht es noch einen wei­teren Beweis, um für guten Fuß­ball zu stehen?