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Leo­nardo Sem­plici ist nicht länger Trainer von SPAL Fer­rara. Das gab der Verein am Montag bekannt. Was hier­zu­lande viel­leicht nur eine Rand­notiz in der Sport­be­richt­erstat­tung ist, dürfte für die Anhänger des ita­lie­ni­schen Ver­eins eine zu tiefst schmerz­hafte Nach­richt sein. Denn Sem­plici ist für sie nicht irgend­je­mand. Für die Fans von Fer­rara ist Sem­plici ein Held, der einem Verein nach fast 50 Jahren Pleiten und Krisen end­lich Erfolg brachte. Und den Fans in seiner sechs Jahre andau­ernden Amts­zeit Freude und Har­monie schenkte.

Doch nun wurde dem 52-Jäh­rigen der sport­liche Miss­erfolg seiner Mann­schaft in der bis­he­rigen Saison zum Ver­hängnis (Tabel­len­schluss­licht und sieben Punkte Rück­stand auf die Nicht­ab­stiegs­ränge). In einer Stel­lung­nahme schrieb der Verein über die Ent­las­sung seines lang­jäh­rigen Chef­trai­ners: Das Unter­nehmen dankt ihm und seinen Mit­ar­bei­tern für die geleis­tete Arbeit der letzten Jahre und die damit ver­bun­denen Erfolge.“

Diese sach­liche und sehr nüch­terne Ver­ab­schie­dung stieß bei den Anhän­gern der Societá Pol­li­spor­tiva Ars et Labor“ auf deut­liche Kritik. Immerhin war Sem­plici haupt­ver­ant­wort­lich für die Sen­sa­tion: den Durch­marsch von der Serie C in die Serie A. Und damit für Fer­raras Rück­kehr in die Erst­klas­sig­keit nach fast 50 Jahren. So äußerte sich ein Fan zu der Bekannt­gabe bei­spiels­weise wie folgt: Eine derart nüch­terne Ver­ab­schie­dung für den Mann, der Wunder für diese Stadt bewirkt hat? Ver­rückt…“. Ähn­lich emo­tional äußerte sich Sem­plici selbst via Insta­gram: Sechs Jahre sind ver­gangen, seit ich diese groß­ar­tige Stadt ken­nen­ge­lernt habe. Sechs Jahre, in denen ich die Fans und diese Farben bis heute lieben gelernt habe.“

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Neu­start in der Serie D

Um die beson­dere Bezie­hung zwi­schen den Fans und dem Ex-Trainer Sem­plici besser ver­stehen zu können, müssen wir etwas zurück­blät­tern in den Geschichts­bü­chern. Die Società Poli­spor­tiva Ars et Labor“ erlebte ihre gol­dene Ära in den 50ern und 60ern unter Paolo Mazza, der den Verein 1951 erst­mals in die Serie A führte. Wäh­rend seiner 40-jäh­rigen Zeit bei Fer­rara war Mazza Eigen­tümer, Prä­si­dent, Trainer, Scout und Manager. Eben eine wahre Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur.

Nach einem Abstieg in die zweite Liga 1968 erlebte der Verein dann jedoch die bisher düs­terste Zeit seiner Geschichte. Der Verein befand sich im freien Fall und lief fortan in der Serie C auf. SPAL ent­wi­ckelte sich in den dar­auf­fol­genden Jahren zu einem Team, das man hier­zu­lande als Fahr­stuhl­mann­schaft“ bezeichnen würde. Doch die bit­terste Stunde stand SPAL noch bevor. Auf­grund finan­zi­eller Pro­bleme wurde Fer­rara 2012 die Lizenz ent­zogen und von der Lega Pro, heute die Serie C, aus­ge­schlossen. Nach einer Neu­grün­dung mussten die Spal­lini“ dann in der Serie D, im ita­lie­ni­schen Ama­teur­fuß­ball neu­starten.

Was in diesem Zeit­raum vor allem fehlte: Kon­ti­nuität und Iden­ti­fi­ka­tion. Die Funk­tio­näre auf der Trai­ner­bank gingen nach Ende der gol­denen Jahren ein und aus. Gio­vanni Bal­lico, zum Bei­spiel, hielt es 1976 ledig­lich 14 Tage auf der Trai­ner­bank aus. Dieses gewal­tige Pro­blem sollte sich erst ändern, als Leo­nardo Sem­plici das Amt als Trainer der Spal­lini am 8. Dezember 2014 über­nahm. In den unteren Spiel­klassen hatte dieser bereits meh­rere Teams zum Auf­stieg geführt, war danach jedoch vor­erst von der Bild­fläche ver­schwunden. Scheinbar. 

In Wirk­lich­keit betreute er erfolg­reich den Nach­wuchs von Flo­renz und lernte, einen ständig fluk­tu­ie­renden Kader tak­tisch immer neu ein­zu­stellen. Bei seinem Debüt an der Sei­ten­linie von Fer­rara bekam er mit einer Nie­der­lage aller­dings auch gleich zu spüren, was ein Miss­erfolg für die Anhänger bedeutet. Die Zuschauer beschimpften die Mann­schaft, es hieß, sie würde sich nicht mit dem Verein iden­ti­fi­zieren und hätte keine Hal­tung. Sem­plici ging jedoch mit den Spie­lern in die Fan­kurve und erklärte den Fans, dass sie falsch lägen. Die Spieler hätten Moral und Poten­tial, aber um es auf den Platz zu bringen, bräuchten sie die bedin­gungs­lose Unter­stüt­zung der Zuschauer. Damit hin­ter­ließ er Ein­druck.

Die pas­sio­nierten Fans ließen sich das nicht zweimal sagen und zogen mit ihrer Mann­schaft mit, die sich diesen Namen nun auch wieder red­lich ver­dient hatte. Denn unter Sem­plici trat SPAL plötz­lich als eine wahr­hafte Mann­schaft auf. Als Ein­heit. Schon bald waren die Par­tien aus­ver­kauft, vor Heim­spielen standen die Fans plötz­lich näch­te­lang am Kas­sen­häus­chen an. Mit Schlaf­sack, Zelt, Ther­mos­kanne.

Zurück zum Erfolg

Gemeinsam mit den Fans gelang SPAL in der Saison 15/16 der Auf­stieg von der Serie C in die zweite ita­lie­ni­sche Liga. Und bereits in der dar­auf­fol­genden Spiel­zeit war die Sen­sa­tion per­fekt. Fer­rara gelang der direkte Durch­marsch in die Serie A und die beschau­liche nord­ita­lie­ni­sche Stadt erlebte das wahr­schein­lich größtes Wunder ihrer jüngsten His­torie. Und das nach allem, was die Bian­ca­zurri in der Curva Ovest“, dem Ultra-Block in Fer­raras Heim­stätte, so lange hatten durch­stehen müssen.

Doch damit nicht genug: Denn mit Sem­plici gelang SPAL in der ersten Serie-A-Saison seit knapp 50 Jahren dann auch noch das, was die meisten für schier unmög­lich gehalten hatten: der Klas­sen­er­halt. Am Ende der Saison stand Sem­plicis Team auf Platz 17 (der in Ita­lien reicht). Und auch in der dar­auf­fol­genden Saison über­zeugte SPAL und bewies sich in der Serie A mit beein­dru­ckender Wil­lens­stärke. Diesmal been­deten Sem­pli­cics Männer die Saison sogar auf Platz 13.

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Ein klarer Plan

Für diesen sen­sa­tio­nellen Durch­marsch standen Sem­plici jedoch nicht etwa große finan­zi­elle Mittel zur Ver­fü­gung. Im Gegen­teil. Von 2013 bis zum Auf­stieg 2017 gab die SPAL keinen ein­zigen Cent für die Ver­pflich­tung neuer Spieler aus. Und Sem­plici machte seinem Namen alle Ehre. Sem­plice“ bedeutet aus dem Ita­lie­ni­schen über­setzt ein­fach“. 

Landauf und landab suchten die Ver­ant­wort­li­chen die Fuß­ball­plätze nach ver­steckten und kos­ten­losen Talenten ab. Bank­drü­cker, Stu­denten, Kar­rie­re­ab­bre­cher. Keine Allüren, keine hohen Gehälter, keine Hän­ge­par­tien mit Spie­ler­be­ra­tern. Kon­stanz musste her. Dass SPAL mit diesem Kon­zept erfolg­reich sein kann, zeigte einst bereits Paolo Mazza in den gol­denen Jahren der 50er und 60er. Das pro­mi­nen­teste Bei­spiel der jüngsten Arbeit ist ver­mut­lich Manuel Laz­zari. Fer­raras Ver­ant­wort­liche ver­pflich­teten den damals ver­trags­losen Mit­tel­feld­ak­teur zur Saison 13/14. In der Offen­sive gehörte Laz­zari seitdem zu den tor­ge­fähr­lichsten Akteuren. In der ver­gan­genen Saison war er an neun Tref­fern direkt betei­ligt, danach ver­ließ er den Verein für satte 12 Mil­lionen Euro in Rich­tung Lazio Rom.

Doch hinter all dem Erfolg der letzten Jahre steckt nicht nur Leo­nardo Sem­plici allein. 2013 stieg die Colom­­ba­­rini-Familie in die Füh­rungs­etage der SPAL ein. Seitdem ver­folgten die Colom­ba­rinis eine klare und strin­gente Phi­lo­so­phie: Wachstum in kleinen, beharr­li­chen Schritten, solides Wirt­schaften, Zuver­läs­sig­keit, Ver­trauen und Hin­gabe. Ihr bisher wahr­schein­lich größter Fang: Leo­nardo Sem­plici.

Doch obwohl dieser den Verein so sen­sa­tio­nell zurück in die Erst­klas­sig­keit führte, ist seine Zeit als Trainer von SPAL auf­grund der aktu­ellen sport­li­chen Misere nun vorbei. Wäh­rend Fer­rara der Klas­sen­er­halt in der ver­gan­genen Saison sou­verän gelang, scheint in der bis­he­rigen Spiel­zeit der Wurm drin zu sein. Mit ledig­lich 17 Toren stellen sie in den bisher 23 absol­vierten Spielen das erfolg­lo­seste Team vor dem Tor. Ein mög­li­cher Grund dafür: die Außen­bahn. 

Durch den Wechsel des bereits ange­spro­chenen Manuel Laz­zari im ver­gan­genen Sommer verlor das Team einen wahren Füh­rungs­spieler. Der als Ersatz und Nach­folger von Laz­zari ver­pflich­tete Marco D´Alessandro ver­letzte sich bereits am Anfang der Saison. D´Alessandro zog sich einen Kreuz­band­riss zu und wird vor­aus­sicht­lich auch bis April nicht mehr auf­laufen können. Über­haupt ist die Offen­sive in dieser Spiel­zeit ziem­lich anfällig für Ver­let­zungen. Auch der linke Flü­gel­spieler, Federico di Fran­cesco, fiel im Ver­lauf der Spiel­zeit aus und ver­passte neun Spiele.

Emo­tio­naler Abschied Sem­plicis

Die Ent­las­sung von Leo­nardo Sem­plici zeigt, was selbst an roman­ti­schen Fuß­ball­stand­orten vor allem zählt: Erfolg. Für den Sem­plici bei SPAL ja eigent­lich jah­re­lang gestanden hatte. Auf Insta­gram ver­ab­schie­dete sich Fer­raras Held mit den emo­tio­nalen Worten: Ich bin stolz, unvor­stell­bare Ziele erreicht zu haben, stolz und glück­lich, die Gele­gen­heit gehabt zu haben, in einem Verein und Umfeld wie diesem gear­beitet zu haben. Ich möchte euch allen für die Herz­lich­keit und Gast­freund­schaft danken. Fer­rara ist zu einer Stadt geworden, die ich stets in meinem Herzen tragen werde und die immer meine zweite Heimat sein wird. Ich wün­sche euch alles Gute. Forza SPAL!“