Udinese Calcio wird die Saison im Tabellenmittelfeld der Serie A beenden. Der FC Watford steigt aus der Premier League ab. Und doch erzählen die Geschicke dieser Klubs, wie der Markt des internationalen Fußballs mittlerweile funktioniert.
„Ich freue mich sehr, dass der Wechsel zu Udinese Calcio geklappt hat“, hatte Sebastian Prödl Anfang Februar gesagt, nur wenige Tage nachdem er am Deadline Day seinen Vertrag mit dem FC Watford in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst hatte und nach Italien gegangen war. Der Ex-Bremer folgte damit dem eine Woche zuvor gewechselten Marvin Zeegelaar und reihte sich ein in eine Liste von insgesamt elf Spielern, die seit 2014 von Watford nach Udinese wechselten.
Diese Zahl ist jedoch nicht auf das mediterrane Klima in Udine zurückzuführen, sondern die Folge der engen Verbindungen beider Klubs. Denn dahinter steckt die Familie Pozzo. Giampaolo Pozzo und sein Sohn Gino besitzen die Mehrheitsanteile an beiden Klubs und hatten bis vor drei Jahren auch die Kontrolle über den spanischen Erstligisten FC Granada, der sich in dieser Saison erstmals in der Vereinsgeschichte für die Europa League qualifizierte. Und während Watford als 19. der Premier League den Gang in die Championship antreten muss, dümpelt Udinese Calcio im Mittelfeld der Serie A.
Giampaolo Pozzo hatte sich 1986 einen Jugendtraum erfüllt, wie er sagt, und kaufte den Klub Udinese Calcio, der damals in einem dramatischen Zustand war. „Aber nicht, um mich ins Rampenlicht zu stellen, wie ein Berlusconi“, sagte Pozzo einst. Der Verein war damals in einen Wettskandal verwickelt und musste zu Beginn der Saison 1986/87 in der Serie A einen Abzug von neun Punkten hinnehmen. Der Abstieg war unvermeidbar. Der heute 79-Jährige, der sein Vermögen geerbt hatte von seinem Vater, dem das Werkzeugunternehmen Freud gehörte, brachte den Verein wieder in die Spur und seit 1995 spielt Udinese Calcio durchgehend in der ersten italienischen Liga. Zudem spielte der Klub zehn Mal im UEFA-Cup bzw. der Europa League und 2005 sogar in der Champions League.
Damals war Pozzo jede Woche vier Tage in Barcelona, weil seine Firma dort ein Werk betrieb. In einem örtlichen Friseursalon, den Pozzo zu besuchen pflegte, erzählen Maria und ihr Mann Fernando seither dieselbe Geschichte. Sie hätten erstmals vom Engagement ihres Stammkunden bei Udinese Calcio erfahren, als sie ihn beim Aufeinandertreffen beider Klubs in der Königsklasse auf der Ehrentribüne des Camp Nou neben Barca-Präsident Joan Laporta sahen. „Mich interessiert Fußball nicht“, hatte Pozzo beim Friseurbesuch stets gesagt. „Ich liebe zwar Erfolg, aber das muss Privatsache bleiben.“
Ähnlich zurückhaltend verhält sich Giampaolo Pozzo auch auf dem Transfermarkt. Vermeintlich. Denn das Erfolgskonzept der „Bianconeri“ (Weiß-Schwarzen) besteht nicht aus dem Kauf teurer Spieler, wie es manch andere von Investoren gepamperte Klubs zu tun pflegen, sondern auf einem weit verbreiteten Scouting-System. Dadurch werden für überschaubare Summen viele Spieler verpflichtet, die sich dann entweder in Udine durchsetzen oder verliehen werden, um sie anschließend teuer zu verkaufen. In der abgelaufenen Saison etwa hatte Udinese Calcio 22 Spieler auf der Leih-Liste. Zum Vergleich: Chelseas berühmte „Loan-Army“ war in derselben Spielzeit ‚nur‘ 18 Mann stark.
Seit dem Jahr 2009 wächst aber nicht nur der Kader von Udinese Calcio sondern auch das Fußballimperium von Pozzo. So sicherte er sich die Mehrheitsanteile am spanischen Drittligisten FC Granada. Mithilfe seines Armee-großen Spielerpools in Udine hievte Pozzo seine neueste Errungenschaft prompt in die Primera Division. Insgesamt vierzehn Spieler wechselten in den beiden Aufstiegssaisons von Udinese zu Granada.
2012 baute Giampaolo Pozzo sein Netzwerk weiter aus und sicherte sich den FC Watford. Sohn Gino Pozzo, der in Udinese als Berater agierte, übernahm den Klub und sollte ihn schnellstmöglich in die Premier League führen. In den ersten beiden Jahren nach der Übernahme gingen 16 Bianconeris in die Stadt nordwestlich von London. 2015 folgte der erhoffte Aufstieg.
Spätestens wenn sich Vereine (offenbar) je nach Belieben bei anderen Klubs europäischer Spitzenligen bedienen können, wirft das den Verdacht der Wettbewerbsverzerrung auf. Die berühmtesten Beispiele einer sogenannten Mehrfachbeteiligung sind wohl der Red Bull Konzern und die City Football Group Holding. Doch im Jahr 2015 schuf die Familie Pozzo ein Novum: drei Vereine aus drei der fünf Topligen Europas in einer Hand. Zwar ist der FC Granada mittlerweile an den Chinesen Jiang Lizhang – der übrigens zwischenzeitlich auch 60 Prozent an Parma Calcio innehatte – verkauft. Mit Udinese Calcio und Watford sind dennoch zwei Klubs in der Hand des Pozzo-Clans geblieben.
In nationalen Ligen sind solche Mehrfachbeteiligungen weitestgehend untersagt. So verbietet Paragraf 8 Absatz 6 der Satzung der Deutschen Fußball Liga (DFL) – kurz gesagt – eine Beteiligung von zehn Prozent oder mehr an mehr als einem Klub. Außerdem darf niemand an mehr als drei Klubs aus der 1. und 2. Bundesliga mit Kapital oder Stimmrechten beteiligt sein. Auch die UEFA geht in ihren Wettbewerben gegen eine solche Wettbewerbsverzerrung vor, indem sie einzelnen Eigentümern oder Unternehmen untersagt, Kontrolle über mehr als einen Klub in einem Wettbewerb zu haben. Auch hier ist das prominenteste Beispiel Leipzig und Salzburg. Die UEFA-Statuten führten zu einer Ausgliederung der Profiabteilung von RasenBallsport Leipzig und einem Rückzug der Firma Red Bull in Salzburg in die Rolle des ‚klassischen Sponsors‘.
Dieses Problem müssten die Pozzo-Klubs wohl nicht nur sportlich nicht fürchten, denn Vater Giampaolo gehört Udinese und Sohn Gino Watford. Diese Verhältnisse bieten wenig Möglichkeiten für rechtliche Handhabe. So wirkt die Beziehung beider Klubs wie eine funktionierende Kooperation, die nun den FC Watford so schnell wie möglich wieder in die Premier League bringen soll. Mit Ken Sema steht zumindest der erste Wechsel von Udine nach Watford schon fest. Der Schwede war in der abgelaufenen Saison ausgeliehen und kam für die Bianconeri auf 32 Einsätze.