Die Würzburger Kickers mischen gerade die Zweite Liga auf. Dabei spielte das Team von Trainer Bernd Hollerbach vor zwei Jahren noch in der Regionalliga. Ein Fußballwunder in der fränkischen Provinz.
Der Trainer, der in Personalunion auch Manager ist, hat dazu die passenden Spieler gefunden, von denen einige bei ihren alten Vereinen auf dem Abstellgleis gelandet waren. Den angeblich kleinsten Drittliga-Etat von geschätzten 3,5 Millionen Euro veredelte Hollerbach mit harter Arbeit und höchster Fitness, die schon sein Mentor, Freund und Schafkopfpartner Magath predigte. Medizinbälle sind am Trainingsplatz aber nicht zu entdecken.
Für so ein Projekt brauche man „schon ein bisschen Phantasie“, sagt Hollerbach. Weil aus Phantasie aber Wirklichkeit wurde, freuen sich die ausgehungerten Fans unter den 125 000 Würzburgern nach Jahrzehnten niederklassigen Fußballs auf große Gegner. Bis auf die notorischen Bedenkenträger, die schon jetzt unken, dass „die eh wieder absteigen“. Was zur heimischen Mentalität der von vielen Beamten und Studenten geprägten Stadt unter den mehr als 60 Kirchtürmen passt: im Zweifelsfall mal besser skeptisch sein. Wobei der Unterfranke gerade beim Fußball auch Begeisterung kann. Als die „Black Stars“ um Michael Essien und Sammy Kuffour bei der WM 2006 in Würzburg ihr Quartier aufschlugen, war die ganze Stadt „ein bisschen Ghana“. Jetzt ist sie „ein bisschen Kickers“. Sogar die Kirche ist begeistert. Der Bischof ist sowieso Fußballfan, und die stellvertretende evangelische Dekanin freut sich in der Rubrik „Sinn & Religion“ der Lokalzeitung, was man von den Kickers alles lernen könne: Es sei wie beim Gleichnis vom Senfkorn – aus Kleinem etwas Großes machen.
Die Versuche, aus zwei kleinen einen großen Klub zu machen, scheiterten
Eher klein ist bislang der Glanz der Würzburger Fußballgeschichte gewesen und verteilte sich auch noch auf zwei Klubs, die paradoxerweise gleichzeitig ihre Blütezeit erlebten. Neben den Kickers gibt bzw. gab es nämlich noch den FV Würzburg 04, der von 1976 bis ’80 in der zweiten Liga spielte. Anfang der achtziger Jahre ging der Verein pleite. Das war kurz nach dem nur einjährigem Gastspiel der Kickers in der Zweiten Bundesliga Süd 1977/78. Der Lokalrivale, der sich dort wirtschaftlich völlig verausgabte, lebt seit seiner Pleite als Würzburger FV weiter. Anschließend trafen sich die Roten und die Blauen auf ihrem langen Auf und Ab zu Derbys in der Landes‑, Bayern- oder Regionalliga. Die Blauen, die ehemaligen Nullvierer, sind ein Arbeiterverein aus einem Arbeiterviertel, die Roten, einst von Gymnasiasten gegründet, galten als Klub der etwas besseren Leute. Das Derby war früher eine Art Klassenkampf. Auch ein Grund, weshalb alle Versuche scheiterten, aus zwei kleinen einen großen Klub zu machen.
Ein Spiel der Kickers in der Landesliga sollen in den Achtzigern nur 98 Zuschauer gesehen haben. Selbst in der Regionalligasaison 2013/14 schauten durchschnittlich nur 850 Zuschauer pro Spiel zu. Bis dann vor zwei Jahren ein ehemaliger Anzeigenverkäufer und ein Zahnarzt beschlossen, in Sachen Fußball endlich mal Nägel mit Köpfen zu machen. Der Zahnarzt heißt Dr. Michael Schlagbauer und ist schon jahrelang Kickers-Chef. Er hievte die Rothosen kurz nach der Jahrtausendwende am Konkurs vorbei und stand einst sogar noch mit Hollerbach gemeinsam auf dem Rasen. Der ehemalige Anzeigenverkäufer heißt Thorsten Fischer und ist als Vereinsmäzen fürs Geld zuständig. Die Höhe seines Einsatzes ist ein Betriebsgeheimnis. Er sagt nur, er sei ein überschaubares Risiko eingegangen. Eingehen kann es Fischer, weil er vor den Kickers schon eine Erfolgsgeschichte geschrieben hat.