Mehr als 30 Jahre war Rainer Wulff Stadionsprecher beim FC St. Pauli. Sein Vermächtnis: eine Liste mit erstaunlichen Aussprachetipps für Spielernamen.
Doch die Suche nach der korrekten Betonung und Artikulation kann zäh sein. In jeder Transferperiode sitzt Wulff, tiefe Augen, Bürstenschnitt, in seinem Arbeitszimmer in Hamburg – Klein Borstel und decodiert an seinem PC die ungewohnten Konsonanten- und Vokalketten, die den Bundesliga-Neuzugängen ihre Namen geben. In der Datei, 28 Seiten lang, stecken ungezählte Arbeitsstunden: „Manche scheinbar schwierigen Fälle habe ich nach einer Minute geknackt, für andere brauche ich über eine Stunde.“
Einige Namen findet er in Audio-Datenbanken, andere über kleine Promoclips bei Youtube, die Spielerberater für ihre international unbekannten Schützlinge hochladen. Einfach ist es bei Bundesligisten, die an der WM 2014 teilnahmen: Die Fifa ließ sämtliche Nationalspieler ihre Namen vorlesen und stellte die Audioschnipsel ins Internet. Andere Hinweise entdeckt Wulff in Regionalzeitungen, denen Neuzugänge vor Saisonbeginn verraten, wie ihr eigener Name nach dem nächsten Hattrick korrekt gebrüllt werden sollte. Auch Anrufe bei Spielerberatern und Diskussionen über Kickernamen in Internetforen können weiterhelfen. „Jeder Fall ist anders“, sagt Wulff, 73, und blickt aus seiner drei mal vier Meter kleinen Sprecherkabine auf den Rasen des Millerntors.
Eine Frage des Respekt
Wenn er meint, den richtigen Klang gefunden zu haben, wendet er sich an die Vereine. „Ich bitte alle Klubs um einen letzten Kontrollblick“, erzählt Wulff. Haben die abgenickt, schickt er die fertige Liste an die anderen 35 Erst- und Zweitligisten.
Eine mühsame Arbeit. Warum Wulff, der ehrenamtlich hinter dem Mikro sitzt, das macht? „Das ist eine Frage des Respekts.„ Ihm sei bewusst, dass er, selbst nach langer Recherche, vielleicht nicht bei allen Spielern den genauen Zungenschlag gefunden hat. „Aber zumindest habe ich mich bemüht. Ich versuche, eine bestmögliche Annäherung an das Original zu schaffen. Mehr nicht.“
So auch bei Henrikh Mkhitaryan. Wulff fand im Netz ein Video, in dem der orthographisch wie phonetisch schwierige Name mehrmals vorgetragen wurde. Wulff hörte: Genrich Michiterjan. „Wenn jemand sagt, das sei von der Aussprache zu kompliziert: meinetwegen“, sagt Wulff und zieht die Augenbrauen zusammen. „Aber es kann mir niemand erzählen, es sei zu schwer, den Namen auf der letzten Silbe zu betonen.“ Ein Glücksfall für Wulffs Gemüt, dass der Armenier nun für Manchester United spielt.