Vor 20 Jahren sorgten die Super Eagles bei der WM in den USA für Furore. Der damalige Kapitän Nigerieas, Stephen Keshi, ist heute Nationaltrainer und möchte in Brasilien eine echte Duftmarke hinterlassen. Sein Rezept dafür: drei flexible Mittelfeldstragene und Vollgas auf den Außenbahnen.
Stephen Keshi ist ein Mann dessen Biographie als Synonym für die nigerianische Fußballgeschichte steht. Seit nunmehr 34 ist er im Auftrag seines Landes aktiv, war Kapitän der legendäre Super Eagles, ehe er 1998 seine aktive Karriere beendetet, Trainer der U20-Nationalmannschaft wurde und schließlich als Co-Trainer von Shuabu Amodu die nigerianischen Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft 2002 nach Japan und Südkorea führte. Seit 2011 ist er Cheftrainer von Nigeria.
Wenn es also einen spezifisch-nigerianischen Spielstil gibt, dann muss Keshi ihn kennen, schließlich hat er ihn mitgeprägt. Und so setzte er alles daran, den Flair und die begeisternden Stil mit dem die Goldene Generation um Keshi, Okocah und Oliseh bei der WM 1994 in den USA für Furore sorgte auf das Spiel seiner aktuellen Mannschaft zu übertragen.
Parallelen zu 1994
Keshi richtet seine Mannschaft genau wie der 94er-Trainer Clemens Westerholt aus den Niederlanden in der 4 – 3‑3-Grundformation aus. Vincent Enyeama, sein Kapitän und Torwart, bestreitet in Brasilien seine nunmehr dritte Weltmeisterschaft. Vor allem sein Privatduell mit Argentiniens Lionel Messi bei der WM 2010 wird als einer der spektakulärsten Momente der nigerianischen WM-Geschichte in Erinnerung bleiben.
Efe Ambrose (Celtic Glasgow) ist sein etatmäßiger Rechtsverteidiger, sein Gegenpart auf der linken Seite ist in der Regel Elderson Echiejile vom AS Monaco. In der Innenverteidigung gelten Godfrey Oboabona und Kenneth Omeruo als gesetzt, sehr zum Leidwesen von Altstar und Ex-Kapitän Joseph Yobo, der wohl zum Turnierstart erst einmal auf der Bank Platz nehmen muss. Vor allem der 20-jähirge Omeruo gilt als hoffnungsvollstes Defensivtalent der Mannschaft. Ihm wird zugetraut, mit einigen starken Auftritten schnell die Aufmerksamkeit europäischer Klubs zu wecken. Seit 2012 steht der Nachwuchsmann ohnehin beim FC Chelsea unter Vertrag, wurde aber im Laufe der Zeit an ADO Den Haag und den FC Middlesbrough ausgeliehen, um Spielpraxis zu sammeln. Vor allem seine Leistungen in Middlesbrough ließ Experten aufhorchen, viele trauen dem Verteidiger durchaus bei diesem Turnier den Durchbruch zu.
Bereits beim Afrika-Cup 2013 bewiesen Omeruo und Obocabina, dass sie sich hervorragend ergänzen und auf dem Rasen nahezu blind verstehen. Wie wichtig „The Two O’s“ für die Stabiliät der nigerianischen Defensive sind, zeigte sich dann beim Confed Cup 2013. Als sich Omeruo im Spiel gegen Spanien frühzeitig verletzte, wurde er gegen Azubuike Egwuekwe ersetzt. Der hünenhafte Ersatzmann wirkte bei den Angriffen des Welt- und Europameisters dermaßen überfordert, dass er sich als ernsthafte Alternative quasi selbst aus dem Spiel nahm.
Zentraler Spieler in Nigerias Elf bleibt fraglos John Obi Mikel. In der Nationalmannschaft spielt er allerdings eine etwas andere Rolle, als jene, mit der er sich im Trikot des FC Chelsea einen Namen gemacht hat. Statt als defensiver Zerstörer zu agieren, teilt er sich bei den Super Eagles zusammen mit Ogenyi Onazio von Lazio Rom die Rolle des kreativen Spielgestalters. Rückt Mikel vor, lässt sich Außenstürmer Victor Moses vom FC Chelsea automatisch in die Defensive fallen. Situationsbedingt opfert Moses die defensive Absicherung aber auch um in Ballnähe Überzahl zu schaffen.
Wegen seiner Flexibilität gilt der Außenstürmer, der zuletzt an den FC Liverpool ausgeliehen war, als entscheidender Verbindungsspieler zwischen Defensive und Offensive. Für Nigerias Spiel wird es deswegen umso wichtiger sein, dass Moses nach seiner durchwachsenen Saison an der Mersey – zumeist wurde er nur eingewechselt – rechtzeitig zur WM wieder in Form kommt. Sein sportliches Tief könnte Trainer Keshi auch dazu bewegen, wesentlich konventionelleren Mittelfeldspielern wie Ramon Azeez (UD Almeria) oder Nosa Igiebor (Betis Sevilla) den Vorzug zu geben. Beide Spieler würden sich defensiver einordnen, Obi Mikel könnte dann offensiv noch mehr Freiheiten in Anspruch nehmen.
Umstellungen gegen Bosnien zu erwarten
Einzig bei der Partie gegen Bosnien-Herzegowina, für viele das Endspiel um Platz zwei hinter Argentinien in der Gruppe F, wird Keshi seinen Star Obi Mikel fest als tief stehenden Defensivstrategen installieren. So könnte Obi Mikel der Defensive mehr Stabilität verleihen und zudem die Kreise von Bosniens Superstar Edin Dzeko eingrenzen. Es wird spannend sein zu beobachten, ob Keshi für dieses schwere Spiel von seinem 4 – 3‑3-Credo zugunsten einer defensiveren Ausrichtung abrückt, denn eigentlich ist die Stärke des nigerianischen Spiels die extreme Schnelligkeit der offensiven Dreierreihe.
In der Abteilung Attacke sorgt vor allem die Rückkehr von Peter Odemwingie für mehr Variation. Durch seine beeindruckende Rückrunde im Trikot von Stoke City konnte der 32-Jährige im letzten Moment auf den WM-Zug aufspringen. Auch wenn er wohl erst einmal auf der Bank Platz nehmen muss, wird seine Vielseitigkeit und seiner Erfahrung dem Team von Stephen Keshi weiterhelfen. Als Offensivoption kann Odemwingie jederzeit den gesetzten Sturmtank Emmanuel Emenike von Fenerbahce ersetzen, aber genauso als Außenstürmer für Victor Moses oder Ahmed Mousa von ZSKA Moskau auflaufen. Mousa wurde bei seinem Klub in dieser Saison auch erfolgreich als zentraler Stürmer eingesetzt, sein atemberaubendes Tempo wird Keshi aber eher dazu nutzen, um auf einer der beiden Außenbahnen in den Rücken der gegnerischen Defensive zu gelangen.
—–
Emeka Enyadike ist Teil des „Guardian-Netzwerks“ und ein britischer Journalist, der u.a. für den „SuperSport“ schreibt. Auf Twitter könnt ihr ihm hier folgen: https://twitter.com/EmekaEnyadike