Andreas Müller, Ex-Sportdirektor von Rapid Wien, rechnet knallhart mit seinem ehemaligen Arbeitgeber ab. Wird der Klub in Wahrheit von der Fanszene regiert? Ja. Sagt zumindest Müller.
Eigentlich lag die Akte „Andreas Müller und Rapid Wien“ schon fast im Schredder. Bereits im November war der frühere Schalke- und Hoffenheim-Manager von seinem Posten als Sportdirektor in Wien beurlaubt worden – gemeinsam mit dem von ihm geholten Trainer Mike Büskens. Als Grund nannte der Verein sportliche Belange. Und angesichts einer Serie mit nur zwei Siegen aus zehn Spielen zweifelte niemand daran. Bis Müller nun bei Sky Austria den Hammer auspackte: „Ganz offen gesagt: Der einzige Grund ist, dass die Rapid-Ultras mit mir nicht mehr klar gekommen sind. Die wollten mich weg haben.“
Diese Aussage war Dynamit. Und ließ die Mauern der Rapid-Geschäftsstelle bedenklich beben. Auch wenn Rapid-Präsident Michael Krammer der Kronen Zeitung prompt mitteilte: „Andreas Müller lügt.“ Geschäftsführer Christoph Peschek ließ kurz darauf noch eine Pressemitteilung aufsetzen, in der er Müller unter anderem Budgetüberschreitung, mangelnden Arbeitseifer sowie einen fragwürdigen Führungsstil vorwarf.
„Das ist kompletter Wahnsinn“
Doch Müllers Vorwürfe stehen trotzdem im Raum und wiegen schwer: „Ich hatte keine Rückendeckung“, beteuerte der 54-jährige Schwabe und legte massiv nach: „Ich bin nicht derjenige, der wie Krammer und Peschek mit den Ultras im Bett liegt. Ich nicht! Bei allem Support (der Ultras für die Mannschaft; d. Red.), der herausragend ist – aber daraus abzuleiten, ich hätte einen Anspruch darauf, in die Entscheidungen bei einem Verein einzugreifen, das ist kompletter Wahnsinn!“ Stimmt – falls es denn stimmt.
Dass Ultras den Verantwortlichen eines international renommierten Klubs diktieren, was zu tun ist, kennt man eigentlich nur aus Argentinien, Italien oder Griechenland – und auch von dort eher gerüchteweise. Müllers Anklage wirft also zwingend zwei Fragen auf: Wird Rapid von seiner Ultra-Fanszene regiert? Und: Wie viel Mitspracherecht der Kurve ist eigentlich gesund für einen professionellen Fußballklub?
Die Mannschaft wird auf einem Rastplatz zur Rede gestellt
Dass Rapids Ultras durchaus selbstbewusst auftreten, erlebten Spieler und Betreuer erst kürzlich, nach einer 0:3‑Auswärtsklatsche beim Schlusslicht SV Ried. Da stellte eine Abordnung der Anhänger das Team während der Heimfahrt auf einer Autobahn-Raststätte zur Rede. Anschließend verschickten die „Ultras Rapid“ einen offenen Brief, in dem sie den Vorfall genussvoll schilderten: „Wir haben … den Bus auf dem Weg nach Wien von der Autobahn geholt, um der Mannschaft auf einem LKW-Rastplatz die Leviten zu lesen. Was dort wie gesagt wurde, werden wir hier nicht weiter ausführen, wir sind aber davon überzeugt, dass die Mannschaft wirklich verstanden hat, um was es hier im Augenblick geht.“
Laut Müller sei es überhaupt keine Seltenheit, dass führende Köpfe aus Rapids Fanszene derartig ihre Kompetenzen und Grenzen überschritten: „Das Problem ist seit vielen Jahren vorhanden“, sagte er. Was das konkret bedeutet, spürte Müller spätestens im vergangenen Sommer. Da holte er Stürmertalent Maximilian Entrup vom Wiener Zweitligisten Floridsdorfer AC zu Rapid – trotz aller Warnungen aus der Fanszene. Denn Entrup hatte als Teenager mit der Nachwuchs-Fanszene des Lokalrivalen Austria Wien abgehangen.