Es ist die größte Stehplatztribüne Europas, ihr Ruf ist einzigartig. Und auch am 4. Februar standen wieder 24.454 Menschen auf der Dortmunder Südtribüne. Unter ihnen mindestens einer zum ersten Mal.
An und für sich ist der 19. Spieltag der Bundesliga nichts Besonderes. Die Saison ist noch nicht zu Ende und bis auf die Meisterschaft sind die meisten Entscheidungen noch nicht gefallen. Saison 2016/17 – 19. Spieltag – 18:30 Uhr – Dortmund. Der Rahmen scheint gewöhnlich, der Inhalt war es nicht.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesliga empfing an diesem Samstagabend Borussia Dortmund den Gast aus Leipzig. Für viele Beteiligten war dieses Heimspiel also von vornherein eine Premiere. So auch für mich. Im Wesentlichen jedoch aus einem anderen Grund.
Meine Mutter als gebürtige Dortmunderin hatte mir die Entscheidung für den BVB als Herzensverein schon in frühen Jahren abgenommen. Mein erstes Heimspiel, mein erster Besuch im Westfalenstadion und mein allererster Blick auf die Südtribüne liegen zwar schon 16 Jahre zurück. Besagtes Heimspiel gegen RB Leipzig aber war dennoch ein Besonderes. Das erste Mal sollte ich nicht bloß auf die Südtribüne blicken können, sondern einen kleinen Teil dazu beitragen, diesen Anblick so vielen anderen Zuschauern im Stadion zu ermöglichen.
Gleicher Weg, gleiches Ziel, gleicher Pegel
Der Spieltag fing – wie sein Rahmen es vermuten lässt – auch gewöhnlich an. Gemeinsam mit einer Freundin traf ich am Essener Hauptbahnhof auf die ersten Gleichgesinnten. Dem ersten Pils folgte das erste Fachsimpeln zur bevorstehenden Partie – so weit wie gehabt. Auch der Gang zum Stadion war den vorigen sehr ähnlich. Gleicher Weg, gleiches Ziel, gleicher Pegel. Angekommen am schönsten Stadion der Welt ging es für mich diesmal allerdings durch einen anderen Eingang als gewohnt. Leicht verspätet fand ich mich am Aufgang zu Block 14 wieder.
Während die vertraute Stimme Nobby Dickels durch die Boxen im Gang halte, trat der Ordner nach der Sicherheitskontrolle einen Schritt zur Seite und gab mir den Blick ins Stadion frei. Für gewöhnlich wandert mein Blick an diesem Punkt als erstes automatisch gen Südtribüne – heute erst als zweites. Ich stand recht weit unten, etwa zehn Meter vom Spielfeld entfernt. Der Anblick war einzigartig. An keinem anderen Spieltag hätte mir die Durchsage weniger ausgemacht, dass sich der Anstoß des Spiels unglücklicher Weise auf unbestimmte Zeit verzögert. Ich wäre geblieben und hätte mir noch stundenlang die Tausende von Menschen auf dieser Tribüne anschauen können, die wohl ohne zu zögern mit mir gewartet hätten.
Ich fragte mich, ob irgendein anderer Zuschauer von seinem Platz aus gerade versucht einzelne Gesichter in der Masse zu erkennen – irgendeinen Baustein dieser gelben Wand; vielleicht ja sogar mich. Obwohl mein erster Dortmunder Stadionbesuch schon ein paar Jahre zurück liegt, fühlte es sich an diesem 19. Spieltag wie eine Art Neuanfang an.
Endlich kam die Mannschaft zu mir
Wie neu, weil ich noch nie auf der Südtribüne stand. Wie ein Anfang, weil die Dauergäste der größten Stehtribüne Europas nicht jeden Besucher ihres Fußballtempels die Zuneigung zu ihrem Verein bescheinigen, wie sie sie selbst ausleben. Es mögen den BVB diejenigen Zuschauer, die für Schwarz-Gelb das Stadion besuchen. Diejenigen, die auf der Süd stehen, lieben ihn.
Dort stand ich nun und sah mir ein Fußballspiel der Borussia an. Die Anspannung war wie oft gehabt, die Freude beim 1:0 jedoch größer. Aubameyang lieferte an diesem Nachmittag den Grund dazu. Ich stand mein erstes Mal auf der Süd und mein Verein gewann. Wie nach jedem Heimspiel kam die Mannschaft auch dieses Mal nach Abpfiff vor die Südtribüne – dieses Mal auch in meine Richtung. Die Jungs standen vor uns und wir jubelten gemeinsam.
Mit dem Rücken zur Wand zu stehen kann sich wohl kaum schöner anfühlen.