In England wurde Bremens Rekordtransfer nicht glücklich, an der Weser will Davy Klaassen an erfolgreiche Ajax-Zeiten anknüpfen. Die Chancen dafür stehen gut.
Manchmal läuft es einfach nicht. Egal wie groß die Hoffnungen waren, wie rosig die Aussichten oder wie gut die Voraussetzungen. So wie bei Davy Klaassen während der letzten Saison beim FC Everton.
Dass der Premier-League-Klub den Holländer in der Sommerpause 2017 verpflichtete, lag maßgeblich am damaligen Trainer Ronald Koeman. Im Rahmen einer großangelegten Transferoffensive, die unter anderem auch die Zugänge von Wayne Rooney, Gylfi Sigurdsson oder Torwart Jordan Pickford umfasste, und im allgemeinen Ausgabenwahnsinn der Premier League zahlten die „Toffees“ 27 Millionen Euro für Ajax-Kapitän Klaassen.
Als wenn das noch nicht genug Hypothek für einen 24-Jährigen wäre, der noch nie außerhalb Hollands gespielt hatte, kam Klaassen zusätzlich mit der Empfehlung von 24 Scorerpunkten in 33 Eredivisie-Spielen und dem zweiten Platz in der Europa League aus Amsterdam. Das Resultat: katastrophal. Nur sieben Liga-Einsätze hatte Klaassen nach der Saison vorzuweisen, viermal wurde er ein- und dreimal ausgewechselt.
Kohfeldts „absoluter Wunschspieler“
Spätestens nachdem Koeman nach einem missratenen Saisonstart mit acht Punkten aus neun Spielen gehen musste, sah Klaassen im Goodison Park kein Land mehr. Koemans Nachfolger David Unsworth und Sam Allardyce konnten der Mannschaft keine klare Linie vorgeben, Spielkultur wurde an der Merseyside zum Fremdwort.
Verständlicherweise zögerte der Mann, den sie in Holland „Kaasstengel“, zu deutsch Käsestange rufen, nur eine Nacht, die er sich als Bedenkzeit erbat, als das Angebot aus Bremen eintrudelte. Doch nicht nur, weil er endlich wieder spielen will.
Am nächsten Tag unterschrieb er den Vertrag, Bremen machte für 13,5 Millionen seinen Rekordtransfer fix – und Trainer Florian Kohfeldt bekommt seinen „absoluten Wunschspieler“. Höchstpersönlich war er nach England gereist, um Klaassen zu überzeugen, der „mit seinem strategischen Gespür einen Spielrhythmus bestimmen“ kann, mit Kreativität besteche, dabei laufstark und aggressiv sei. Es könnte der Beginn einer erfolgreichen Zusammenarbeit sein.
Denn umgekehrt ist auch Klaassen äußerst angetan von Bremen und insbesondere Kohfeldt: „Mir war es wichtig, genau zu wissen, wo die Reise auf dem Spielfeld hingeht“, sagte er nach der Unterschrift. Sie geht in eine klare Richtung: nach vorne. „Der Trainer möchte einen attraktiven, offensiven Fußball spielen lassen. Darauf freue ich mich sehr.“
Er glaube, er könne sich in diesen Spielstil gut einbringen, sagte er auf der anschließenden Pressekonferenz. Denn: „Ich habe diese Art des Fußballs schon einmal gespielt.“ Nicht in Everton, wo der Fußball „nicht meine Art zu spielen“ war. Aber Kohfeldts Ideen erinnern an Ajax Amsterdam, wo Klaassen drei Mal niederländischer Meister und Nationalspieler wurde.
Das betont auch Sportchef Frank Baumann: „Unser System und unser Fußball sind ihm nicht fremd. Das ist ähnlich wie bei Ajax.“ Ein System, dass er kennt und in das er wunderbar hineinpasst. Der mittlerweile 25-Jährige, der sich neben dem Platz für geflüchtete Menschen engagiert, pendelt beständig zwischen Achter- und Zehnerposition, weicht auf die Flügel auf oder lässt sich bis ins defensive Mittelfeld fallen. Bei Ajax lief er sogar schon als Mittelstürmer auf.
Manchmal läuft es einfach
Das wird in Bremen nach den Verpflichtungen von Martin Harnik und Yuya Osako wohl nicht passieren, doch Klaassens Omnipräsenz im Mittelfeld ist genau das richtige für Werder. Seine Laufstärke hilft defensiv wie offensiv, seine Übersicht und Kombinationsschnelligkeit macht Werders Angriffsspiel gefährlicher. Es passt einfach. „Deswegen waren wir auch bereit, sehr viel Geld auszugeben“, sagt Baumann.
Klaassen selbst nennt zwar Dennis Bergkamp und Jari Litmanen als seine Vorbilder, die eher als Zehner oder Mittelstürmer bekannt wurden. Von den beiden Ajax-Legenden hat er sich vermutlich seine Torgefährlichkeit abgeschaut. In Bremen werden aber noch mehr seine Fähigkeiten als Taktgeber gefordert sein. Werder will schnell, aggressiv und dominant auftreten, Klaassen soll die Balance halten.
Der Abgang von Thomas Delaney hatte ein Loch im Bremer Mittelfeld gerissen, die Verantwortlichen haben es mit Klaassen hochkarätig gestopft. Wie wohl der sich bei Werder fühlt, zeigte er direkt im ersten Testspiel. Um 10.00 Uhr war der Vertrag unterschrieben, um 13.45 Uhr fuhr er mit zum Test nach Bielefeld, um 19.45 Uhr traf er zum ersten Mal für den neuen Arbeitgeber.
Manchmal läuft es einfach.