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Seite 2: „Eine Zäsur in der Sozialen Arbeit“

Steffen Kröner leitet den regio­nalen Trä­ger­verein für das Leip­ziger Fan­pro­jekt. Er sagt: Die Polizei hat seine Betei­li­gung an einem kri­mi­nellen Netz­werk hin­ein­ora­kelt und die wün­schens­werte Sen­si­bi­lität für seine Arbeit im Fan­pro­jekt ver­missen lassen.“ Die Ermitt­lungen hätten das Ver­hältnis zwi­schen dem Fan­pro­jekt und den Behörden nach­haltig belastet. Wir haben in Leipzig viel Aner­ken­nung bekommen für eine all­ge­meine Befrie­dung in der Leip­ziger Szene. Diese Erfolge wurden durch das Ver­fahren leicht­fertig aufs Spiel gesetzt.“

Im Laufe des Jahres 2017 gab Sach­sens Justiz auf meh­rere Kleine Anfragen der Grünen scheib­chen­weise wei­tere Erklä­rungen ab, die das Ausmaß der gesamten Abhör­ak­tion ver­deut­lichten: So belauschten die Ermittler auch Gespräche mit zehn Rechts­an­wälten, neun Jour­na­listen und drei Ärzten – alle­samt Berufs­ge­heim­nis­träger, deren ver­trau­liche Kom­mu­ni­ka­tion gesetz­lich geschützt ist. Nach dem Ende der Ermitt­lungen wurden nicht alle von ihnen, wie eigent­lich vor­ge­schrieben, infor­miert. Die Begrün­dungen fielen lapidar aus: Mal sei ein Schreiben auf­grund eines Büro­ver­se­hens“ nicht ver­sendet worden, mal habe es meh­rere Per­sonen mit dem glei­chen Namen gegeben.

Im November erklärte das Minis­te­rium dann, dass bereits seit 2015 ein wei­teres Ver­fahren gegen die Gruppe Ultra Youth“ von Chemie Leipzig laufe. Der Vor­wurf: die Bil­dung einer kri­mi­nellen Ver­ei­ni­gung. Kirschner hat bei­nahe täg­lich mit den jungen Ultras zu tun. Er hält es für sehr wahr­schein­lich“, auch im lau­fenden Ver­fahren auf­ge­führt und damit erneut abge­hört zu werden. Beim Ein­kaufen, bei Gesprä­chen mit den engsten Ver­trauten. Kirschner stockt bei dem Gedanken, dann sagt er: Das ist sehr belas­tend. Ich ver­suche diesen Umstand so gut es geht aus­zu­blenden.“

Eine Zäsur in der Sozialen Arbeit“

Die Koor­di­na­ti­ons­stelle der Fan­pro­jekte reagierte unge­wohnt wütend auf den Leip­ziger Lausch­an­griff. Sie ver­öf­fent­lichte einen Offenen Brief, über­schrieben mit: Gegen die Kri­mi­na­li­sie­rung der Sozialen Arbeit“. Darin fragte sie: Welche Sicher­heit exis­tiert noch für Fans, wenn selbst ihr Sozi­al­ar­beiter zum Beschul­digten wird?“ Das Vor­gehen der säch­si­schen Behörden sei nicht weniger als eine Zäsur in der Sozialen Arbeit“. Die Ent­rüs­tung teilten viele Beob­achter, 40 Pro­jekt­träger und knapp 30 Pro­fes­soren für Päd­agogik, Psy­cho­logie oder Soziale Arbeit unter­zeich­neten den Brief.

Fan­pro­jekte genießen durch ihre Arbeit mit Jugend­li­chen enormes Ansehen im deut­schen Fuß­ball. DFB und DFL sowie die öffent­liche Hand finan­zieren sie jähr­lich mit zwölf Mil­lionen Euro. Beim Kon­flikt zwi­schen Fans und Ver­bänden im ver­gan­genen Sommer fun­gierten die Pro­jektler bei den Gesprä­chen als Media­toren. In den neun­ziger Jahren trugen sie nicht unwe­sent­lich dazu bei, dass der offene Ras­sismus in den Sta­dien ein­ge­dämmt wurde. Die Sozi­al­ar­beiter küm­mern sich um sen­sible Themen, die Ver­schwie­gen­heit vor­aus­setzen.

Sie betreuen mit­unter gewalt­tä­tige oder dro­gen­süch­tige Fans und helfen bei fami­liären Pro­blemen. Sie können auf die Jugend­li­chen inner­halb einer Fan­szene ein­wirken, wie es wohl weder Fuß­ball­ver­eine noch andere Insti­tu­tionen ver­mögen. Im von den Innen­mi­nis­tern erar­bei­teten Sicher­heits­kon­zept im Sport ist daher die ver­trau­ens­volle Zusam­men­ar­beit“ zwi­schen Polizei und Fan­pro­jekten fest­ge­schrieben. Die ver­gan­genen Monate aller­dings zeigten: Davon ist in Leipzig und auch anderswo nicht mehr viel übrig.