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Dieser Text erschien erst­mals im August 2014 in 11FREUNDE #154. Damals war Ste­pa­novic gerade Trainer beim ser­bi­schen Klub Rad­nicki Rad­nički Niš geworden. Nach vier Nie­der­lagen in den ersten vier Spielen wurde er jedoch bereits wieder ent­lassen. Es war bis heute seine letzte Trai­ner­sta­tion.

Hallo und guten Tag, ich bin der Stepi“, sagt Stepi, aber das weiß man natür­lich sofort. Denn Stepi im Juli 2014 sieht aus wie: Stepi im Juli 1991. Er trägt immer noch Stepi-Schnurr­bart, Stepi-Frisur, Stepi-Jeans­jacke. Er spricht immer noch Stepi-Serbo-Hes­sisch. Nur die Haare sind ein biss­chen grauer, bei­nahe weiß. Der Gang ist ein wenig gebückter und der Ziga­rillo fehlt. Vor ein paar Jahren hat er das Rau­chen auf­ge­geben.

Auch diese Begrü­ßung: wie im Sommer 1976, als er zum ersten Mal die Kabine von Ein­tracht Frank­furt betrat und die Mit­spieler ihn skep­tisch beäugten. Oder eben wie 1991, als er im Desi­gner-Sakko auf die Frank­furter Trai­ner­bank zurück­kehrte und einige Fans ihn, den Knei­pier aus Bergen-Enk­heim, mit Jugo-Sau!“ begrüßten. Hallo und guten Tag, ich bin der Stepi.

Sogar dieses Restau­rant in Niš sieht aus, als sei es aus einem Neun­ziger-Jahre-Foto her­aus­ge­schnitten und nun in diesen unschein­baren ser­bi­schen Hin­terhof geklebt worden. Ver­ros­tete Gitter an der Ein­fahrt, beige Sei­den­vor­hänge im Inneren, dazu Fleisch­berge und Sli­wo­witz auf dem Tisch. Doch der Fern­seher lügt nicht: Es ist Juli 2014, Deutsch­land wird gerade U19-Euro­pa­meister, und wenige Minuten später flim­mern Bilder aus der Ost­ukraine über den Schirm. Dra­go­slav Ste­pa­nović ist wirk­lich 20 Jahre älter, und er hat noch mehr Geschichten auf Lager.

Also fängt er ein­fach mal an zu erzählen: von seiner Jugend, von den frühen Jahren bei OFK und Roter Stern Bel­grad, der Hoch­zeit mit Jelena, den Spie­ler­jahren bei Ein­tracht oder Wormatia Worms, den Trai­ner­jahren in Lever­kusen oder Bilbao, und natür­lich der Bei­nahe-Meis­ter­schaft mit Frank­furt, von Andi Möller, Uli Stein und Alfons Berg aus Konz, Lebbe geht weider. Ste­pa­nović kann die Pointen, er hat es alles tau­sende Male erzählt. Und wenn er doch mal was ver­gisst, strei­chelt Jelena ihm über den Rücken und erzählt die Geschichte zu Ende. Stepi war der Erste hier, der Beste dort, der Becken­bauer Ser­biens. Stepi, Stepi, ach, mein Stepi.

Ich kann nicht ohne Fuß­ball“

Sie könnten jetzt auch in Spa­nien am Meer liegen. Dort haben sie sich ein Haus gekauft, wo sie ihren Lebens­abend ver­bringen wollten. Doch vor einigen Wochen rief Vidak Perovic an. Der Prä­si­dent des FK Rad­nički Niš sagte, dass er einen neuen Trainer brauche und sich für diesen Posten nur einen vor­stellen könne: nicht Pep Guar­diola, nicht José Mour­inho, nur ihn, Dra­go­slav Ste­pa­nović. The Spe­cial One aus Hessen fühlte sich geschmei­chelt und packte seine Koffer. Was sollte ich da tun?“, fragt Jelena. Ich kann nicht ohne Fuß­ball“, sagt Ste­pa­nović.

Niš, 280 000 Ein­wohner und bekannt für ein his­to­ri­sches Fort, liegt 250 Kilo­meter süd­lich von Bel­grad und ist die ser­bi­sche Stadt mit den meisten Son­nen­stunden im Jahr. Manchmal ist die Hitze so uner­träg­lich, dass die Men­schen grup­pen­weise vor den Tief­kühl­re­galen der Super­märkte aus­harren. An den Wochen­enden fahren sie an die grie­chi­sche Küste, nach Thes­sa­lo­niki oder Evosmos, vier­ein­halb Auto­stunden ent­fernt.

Die großen Zeiten des FK Rad­nički sind lange vorbei. In den sech­ziger Jahren gaben die Fans dem Verein den Namen Real sa Nišave, Real vom Fluss Nišava, denn die Spieler zau­berten auf dem Platz wie das weiße Bal­lett aus Madrid. 1975 gewann der Klub den Bal­kan­pokal, 1982 schaffte die Mann­schaft den Einzug ins UEFA-Cup-Halb­fi­nale, wo sie im Hin­spiel den HSV sen­sa­tio­nell mit 2:1 besiegte, das Rück­spiel aller­dings 1:5 verlor. Danach ging nicht mehr viel, in den ver­gangenen Jahren pen­delte der Klub zwi­schen erster und dritter Liga. Seit 2009 gab es elf Trai­ner­wechsel in Niš.

Mich ent­lässt man nicht“

Ste­pa­nović sieht die Sache gelassen, natür­lich. Mich ent­lässt man nicht. Das hat noch kein Verein getan“, hat er irgend­wann Mitte der Neun­ziger mal gesagt. Danach taten es doch ein paar: Ein­tracht Frank­furt, Ath­letic Bilbao oder AEK Athen. Manchmal ist er auch selbst gegangen, bei seiner vor­letzten Sta­tion in Novi Sad zum Bei­spiel, wo er nach ein paar Monaten nicht mehr bezahlt wurde. 2010 nahm er für eine halbe Saison seine vor­erst letzte Trai­ner­tä­tig­keit im Pro­fi­be­reich an, beim bos­ni­schen Zweit­li­gisten FK Lak­taši.

Schon damals war Ste­pa­nović lange aus dem Bun­des­liga-Karus­sell gefallen. Er war eines von diesen Trainer-Fos­silen geworden, von denen man glaubte, sie seien längst in Rente oder würden ihr Geld ver­dienen, indem sie Geschichten aus einer Zeit erzählen, als Ver­träge noch mit Hand­schlag besie­gelt wurden – all die Willi Enten­manns, Rein­hard Saf­tigs und Jürgen Gels­dorfs.