Sascha Mölders ist bis auf Weiteres nicht mehr Teil des 1860-Kaders. Was schade ist, weil der Mann die Gesetzmäßigkeiten des Profifußballs aushebelt. Über einen, der Fußball schnauft.
Dieser Text erschien erstmals im April 2021.
Liest noch jemand die Bravo Sport? Offensichtlich nicht genug Menschen. Die Auflage sinkt stetig, seit knapp zwei Jahren erscheint die Sportzeitschrift mit jugendlichem Zielpublikum statt zweiwöchentlich nur noch monatlich. Was schade ist, weil man in der Bravo Sport, zumindest früher jedenfalls, noch richtig was lernen konnte. So durfte zum Beispiel Benny Lauth in kleinteiligen Bild-für-Bild-Anleitungen vorführen, wie der perfekte Übersteiger funktioniert, Thomas Christiansen weihte die Leserschaft in die Geheimnisse des Fallrückziehers ein, und Zé Roberto zeigte schon damals, was er im Kraftraum so drauf hat.
Auch Sascha Mölders hätte eine solch eine Anleitungs-Bilderstrecke verdient. So traf der Stürmer von 1860 München in der letzten Saison gegen die SpVgg Unterhaching per Fallrückzieher, gegen den KFC Uerdingen per Seitfallzieher und auch in der Partie gegen den SC Verl lag der 36-jährige Mölders quer in der Luft. In der 67. Minute versuchte er an der Strafraumkante, eine Vorlage von Richard Neudecker artistisch zu verwerten. Dieses Mal traf er den Ball allerdings nicht richtig und plumpste etwas unsanft auf den Boden.
Das richtige Timing erwischte indes ein Fotograf am Spielfeldrand. Ein Bild vom Spiel zeigt Mölders, wie er förmlich über dem Boden schwebt – während das hochgerutschte Trikot den Blick auf seinen durchaus stattlichen Bauch freigibt. Weil die Sportschau das Foto als Vorschaubild für die Zusammenfassung des Spiels nutzte, ging der Schnappschuss viral – und wurde von manch einem schon zum „Sportfoto des Jahres“ ausgerufen.
Und das völlig zurecht!
Denn kaum etwas könnte den Fußballer Sascha Mölders besser erklären als dieses Bild, das auf fast magische Art und Weise die Gesetzmäßigkeiten der Physik, ja sogar die Gesetzmäßigkeiten der Ästhetik, außer Kraft zu setzen scheint. Denn wie ist es physikalisch zu erklären, dass eine eigentlich unförmige Masse so perfekt und schnurgerade in der Luft liegt? Und wie ist es ästhetisch zu erklären, dass ein halbdicker Mann, der den Ball schlecht trifft, im Auge des Betrachters so schön ist wie ein formvollendetes Barockgemälde?
Nun, sollen sich doch die Physiker und Ästheten mit der Beantwortung dieser Fragen herumschlagen. Wir widmen uns an dieser Stelle lieber einer weiteren Gesetzmäßigkeit, der sich dem Phänomen Mölders widersetzt. Denn eigentlich ist im modernen Fußball für jemanden wie Sascha Mölders überhaupt kein Platz mehr vorgesehen. Wie soll sich denn auch jemand, der nach einer Partie sechs Wurstsemmeln oder auch mal drei Bierchen und eine Pizza verdrückt, gegen Spieler durchsetzen, die versuchen, mit veganer Ernährung auch noch die letzten Promille ihres Leistungsvermögens aus sich herauszukitzeln? Wie soll sich jemand gegen hochgezüchtete Nachwuchleistungszentrumsmaschinen behaupten, der seine erste Station im Seniorenbereich auf dem Ascheplatz von Wacker Bergeborbeck in der Bezirksliga verbracht hat und der erst im Alter von 25 Jahren so richtig im Profifußball angekommen ist?