Es gibt gute Werbung und schlechte Werbung. Und dann gibt es noch Mister 3:1. Der Fußballfans im ganzen Land seit bald einem Jahr auf die Nerven geht. Eine Abrechnung mit der anstrengendsten Werbung der Saison.
Benny fucking Fuchs. Wobei, wahrscheinlich heißt er gar nicht Benny Fuchs, wahrscheinlich hat sich diesen Namen ein durchtriebener Werbeagentur-Mensch ausgedacht, wahrscheinlich gibt es sogar Studien dazu, welche Namen für welche Produkte am vertrauenswürdigsten klingen und würde es nicht um Werbung für Fußballwetten gehen sondern um Werbung für Jever, dann hieße er statt Benny Fuchs Finn-Frode Andersen oder einfach nur Jasper. Aber nein, er heißt Benny Fuchs. Beziehungsweise Mister 3:1. Wobei ich ihn so nie nennen würde. Weil ich nicht sein Kumpel bin. Und wir auch nie Kumpels sein werden. So Gott will.
Es gibt gute Werbung und schlechte Werbung, egale Werbung und nervige, teure Werbung und billige. Werbung, die unser Unterbewusstsein manipuliert und Werbung, die tatsächlich dazu beiträgt, dass sich das beworbene Produkt besser verkauft. Und dann gibt es noch ihn, Benny fucking Fuchs, und seine „Wenn die Statistik passt, wette ich immer 3:1“-Noch-einmal-dieser-Spruch-und-die-verschissene-Glotze-landet-in-der-nächsten-Schrottpresse-Werbung. Er kickt selbst, sagt er in dem Spot, der mich und uns alle seit bald einem Jahr heimsucht, und hat, sagt er außerdem, „schon ein bisschen Ahnung“ davon. Was mich erstens dazu veranlasst, mich an dieser Stelle als jemand, der selbst gerne Fußball spielt, ausdrücklich von ihm zu distanzieren. Und mich zweitens zu ein paar Fragen führt: Wenn er wirklich Ahnung hat, warum jubelt er dann auf Knien und mit Doppelfaust über ein räudiges Parkwiesen-Stolper-Tor, so als hätte er grade die vierte binomische Formel erfunden? Und wenn er wirklich Ahnung hat, warum kicken er und seine Kumpels (von denen ich mich ebenfalls distanziere, allein schon, weil sie ihn Mister 3:1 nennen) dann in voller Montur, also mit Stutzen und Schienbeinschonern und Stollenschuhen, in einem gottverdammten Park? Ich meine: Schienbeinschoner? Im Park? Im Ernst? Nicht mal bei Neunjährigen ist das so richtig in Ordnung. Und wenn er wirklich Ahnung hat, wieso tippt er dann immer 3:1, obwohl jeder Affe weiß, dass Spiele am häufigsten 2:1 ausgehen? Mit Mister 2:1 könnte ich leben, den gibt es in jeder WM-Endrunden-Tippgemeinschaft, da würde man sich wiederfinden, damit könnte man umgehen. Aber Mister 3:1? Was soll das?
Müsste ich die Werbung irgendwo einsortieren, ich würde sie wohl am ehesten in die Nervig-und-Billig-Schublade stecken, die ich in der Kombination weiter oben noch gar nicht erwähnt hatte. Nun mögen Werber und Werberinnen mir mit einem etwas zu selbstbewussten Lächeln und in einem definitiv zu selbstgefälligen Tonfall entgegnen, dass sie selbst Werbung machen und schon ein bisschen Ahnung davon haben und dass die Werbung allein schon deswegen ihren Zweck erfüllt, weil sich so viele Menschen darüber aufregen. Worauf ich wiederum mit einer Wette antworten würde: Wetten, dass auf jeden Neukunden, der sich die App aufgrund der Werbung besorgt, drei Bestandskunden kommen, die die App wegen Mister 3:1 wieder löschen? Und außerdem ist es ja so: Obwohl Benny Fuchs mir seit Monaten in den Ohren liegt, kann ich immer noch nicht mit Gewissheit sagen, von welchem der 6297 Wettanbieter, die in einer durchschnittlichen Sky-Halbzeit-Analyse Werbung schalten, er eigentlich erschaffen wurde. So kann das doch nicht geplant gewesen sein. Beziehungsweise: Wo ist diese Cancel Culture, von der reaktionäre Politiker immer reden, wenn sie gerne weiterhin rassistische Sprache verwenden wollen, wenn man sie mal wirklich braucht?
Nicht falsch verstehen, ich will die Sache nicht moralisch aufladen, auch wenn Werbungen für Wetten ein bisschen sind wie Werbungen für Heroin, beide Produkte machen kurz Spaß und auf Strecke kaputt, beide Produkte zerstören Existenzen, beide Produkte helfen am Ende nur dem, der sie anbietet, aber darum geht es nicht. Wetten sind nicht verboten, Wettanbieter sind nicht verboten, alles klar, kann ich akzeptieren. Ich will nur einfach nicht länger von Benny Fuchs belästigt werden, das ist alles. Denn es ist ja so: Von im Vergleich zur eigentlichen Fußballübertragung viel zu lauter Werbung geweckt zu werden, nachdem man bei irgendeinem Augsburg-Spiel glücklich und zufrieden eingepennt war in dem Wissen, eh nichts zu verpassen, ist schon ätzend genug. Aber wenn es Benny Fuchs ist, der einen weckt, dann landet vor Schreck oder vor Wut am Ende irgendwann noch die Fernbedienung im Bildschirm, und dann muss die Kohle, die potentiell hätte verwettet werden können, in einen neuen Fernseher investiert werden. Am Ende schneidet sich der Wettanbieter mit dieser Werbung also vor allem ins eigene Fleisch.
Apropos geschnittenes Fleisch: Es gibt ja durchaus unterschiedliche Vorstellungen von der Hölle. Viele denken an ewige Qualen und Verdammnis, einige an Feuer und Fratzen und Finsternis, einige wenige an ein Gespräch über Demut mit Karl-Heinz Rummenigge und ich für meinen Teil denke aktuell an einen unbequemen Stuhl, auf dem ich sitze, gefesselt und geknebelt, und um den Mister 3:1 gemeinsam mit der Check24-Familie Händchen haltend herumtanzt, während er ununterbrochen ruft, dass er selber kickt und auch ein bisschen Ahnung davon hat. Keine angenehme Vorstellung. An die ich nicht vor und während jeder Bundesliga-Partie erinnert werden will. Es wäre also schön, wenn die Werbung einfach verschwinden oder zumindest ersetzt werden würde. Auch wenn ich weiß, dass die Chancen dafür schlecht stehen. Wahrscheinlich 3:1 gegen mich und alle, die ähnlich genervt sind. Und 3:1 für Benny fucking Fuchs.