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Am Morgen nach dem 1:0‑Sieg über Flo­renz über­schlagen sich die ita­lie­ni­schen Zei­tungen mit Lob. Miroslav Klose allein sei für Lazios Sieg ver­ant­wort­lich, jubi­liert die Gaz­zetta dello Sport“ und der Cor­riere de la Sera“ ergänzt nicht minder eupho­risch: Klose ist ein Tor­phä­nomen.“ Der so gerühmte Stürmer liest die Schlag­zeilen nicht, er sitzt bereits im Flug­zeug, das ihn zum Län­der­spiel der deut­schen Natio­nalelf gegen Frank­reich in Bremen bringt. Es ist ein letzter Lack­mus­test für die deut­sche Elf, der zuge­traut wird, dass sie im Sommer in Polen und der Ukraine nach 16 sieg­losen Jahren end­lich wieder einen Titel holen wird. Und weil der Münchner Philipp Lahm ver­letzt fehlt, wird Klose die Mann­schaft als Kapitän aufs Feld führen. Keine schlechte Bilanz für einen 33-Jäh­rigen.

Am Diens­tag­morgen sitzt Miroslav Klose in einem Sessel in der Lobby des noblen Bremer Park­ho­tels und wirkt bei­nahe ein wenig ver­wun­dert, dass er tat­säch­lich immer noch mit von der Partie ist. Als ich 2001 mein erstes Län­der­spiel gemacht habe, spielten noch Jens Jere­mies und Carsten Ramelow“, erin­nert er sich. Dann kamen neue Leute wie Philipp Lahm und Bas­tian Schwein­steiger. Und jetzt gibt es schon wieder einen Schwung junger Spieler.“ Einer dieser Jung­spunde, der Dort­munder Mats Hum­mels, schlurft in diesem Moment gerade durch die Lobby und es fällt plötz­lich auf, wie sehr sich der deut­sche Fuß­ball und wie sehr sich auch Miroslav Klose ver­än­dert hat, seit jenem 24. März 2001, als Team­chef Rudi Völler in der 73. Minute des Län­der­spiels gegen Alba­nien in Lever­kusen beim Stand von 1:1 seinen Stürmer Oliver Neu­ville vom Feld holte und dafür den Debü­tanten Miroslav Klose aufs Feld schickte.

Sein erster Klub: SG Blau­bach-Diedel­kopf

Damals rum­pelte sich die Natio­nal­mann­schaft mühsam durch die Qua­li­fi­ka­tion zur Welt­meis­ter­schaft in Japan und Süd­korea. Die argen Pro­bleme, welche die Elf im Vor­wärts­gang hatte, traten beim Spiel gegen die Albaner schaurig klar zu Tage. Fan­ta­sielos rannte die Elf gegen die viel­bei­nige Abwehr der Gäste an. Und als die Albaner in der 66. Minute die deut­sche Füh­rung durch Sebas­tian Deisler aus­gli­chen, wurde das deut­sche Spiel eher schlechter als besser, bis zwei Minuten vor Schluss Miroslav Klose einen von rechts auf Hüft­höhe in den Straf­raum getre­tenen Ball per Kopf ins Netz bug­sierte. Was nicht nur die deut­sche Elf auf Qua­li­fi­ka­ti­ons­kurs hielt, son­dern auch den vor­läu­figen Kar­rie­re­hö­he­punkt eines jungen Mannes mar­kierte, der drei Jahre zuvor noch für den pfäl­zi­schen Bezirks­li­gisten SG Blau­bach-Diedel­kopf gegen den Ball getreten hatte. Dass Rudi Völler ihn über­haupt zum Län­der­spiel ein­ge­laden hatte, war der Lohn einer Blitz­kar­riere, die ihn über den Regio­na­li­gisten FC Hom­burg zunächst in die Reserve und schließ­lich in den Bun­des­li­gakader des 1. FC Kai­sers­lau­tern geführt hatte. Schon dieser Auf­stieg war in der Pfalz mit Staunen regis­triert worden. Ich bin jetzt seit vierzig Jahren dabei und kann mich nicht erin­nern, dass ein deut­scher Spieler jemals eine solche Ent­wick­lung genommen hätte“, gab FCK-Prä­si­dent Jürgen Fried­rich ehr­füchtig zu Pro­to­koll. Der kann es ja selbst ab und zu nicht glauben. Der ist aus dem abso­luten Nichts gekommen.“

Nach dem Sieg gegen Alba­nien trat jeden­falls ein schüch­terner Youngster vor die Mikro­fone. Höher geht‘s nichts“, stellte er ehr­fürchtig fest und nannte den Team­chef, sonst für alle der Rudi, brav Herrn Völler“. Warum er bei seinem Tor den Ball nicht mit dem Fuß ange­nommen habe, wurde er gefragt. Ich hatte mir halt vor­ge­nommen, meinen Kopf zu benutzen.“

Kloses Zurück­hal­tung stand im scharfen Kon­trast zu den Elogen, die sei­ner­zeit auf den Nach­wuchs­stürmer gesungen wurden. Mehmet Scholl wusste zu berichten, er habe Klose in der Kabine pro­phe­zeit, er werde ers­tens spielen und zwei­tens ein Tor machen. Und Rudi Völler fühlte sich spontan an einen großen deut­schen Stürmer, näm­lich an sich selbst, erin­nert.

In den fol­genden Tagen waren die Zei­tungen gut gefüllt mit Ver­su­chen, die rasante Kar­riere des Miroslav Klose zu erklären, die ja eigent­lich schon mit 16 Jahren zu Ende schien, noch bevor sie richtig ange­fangen hatte. Damals wurde Klose, noch in Blau­bach aktiv, bereits am ersten Tag eines über­re­gio­nalen Sich­tungs­lehr­gangs in der Sport­schule Edenk­oben wieder nach Hause geschickt – gewogen und zu leicht befunden. Wer einmal als Talent durch solch ein Raster fällt, wird nicht noch einmal ein­ge­laden. Das war auch Klose klar. Aber da haben mir meine Eltern sehr geholfen“, sagt er heute. Beide wussten als Sportler, dass es immer wieder Hin­der­nisse gibt, über die man hin­weg­steigen muss.“

Vater: Fuß­baller, Mutter: Hand­bal­lerin

Die Eltern. Beides Sportler. Bei Jozef Klose und Bar­bara Jez, er Fuß­baller beim pol­ni­schen Erst­li­gisten Odra Opole, sie ehe­ma­lige Hand­ball­na­tio­nal­spie­lerin, landen viele Erklä­rungs­ver­suche. Denn von Geburt an gehörte der Leis­tungs­sport mit zur Familie. Klose kam 1978 im ober­schle­si­schen Oppeln zur Welt, doch noch im glei­chen Jahr zog die Familie nach Frank­reich, wo Vater Jozef im gesetzten Fuß­bal­ler­alter unter Guy Roux für den AJ Auxerre stürmte und später bei einem Viert­li­gisten die Kar­riere aus­klingen ließ. 1985, ein Jahr nach der Rück­kehr nach Polen, über­sie­delte die Familie als Ange­hö­rige der deut­schen Min­der­heit in die Bun­des­re­pu­blik, nach Kusel im Nord­pfälzer Berg­land. In einem Land, das Mitte der acht­ziger Jahre der wach­senden Zahl der Aus­siedler aus Polen und Russ­land zuneh­mend skep­tisch gegen­über­stand, kein leichter Schritt, weder für die Eltern noch für die Kinder.

Klose selbst hat die erste Zeit in Deutsch­land oft als schwierig beschrieben. Die Wochen in den tristen Bara­cken des Grenz­durch­gangs­la­gers Fried­land mit all dem Geschrei, der Enge und den Ängsten der Neu­an­kömm­linge, die Fremd­heit in der pfäl­zi­schen Pro­vinz, die schwer zu ler­nende Sprache, die Pro­bleme in der Schule, wo sich Klose frei­willig von der vierten in die zweite Klasse zurück­stufen ließ. Man darf nie ver­gessen, wo man her­kommt“, wurde Klose in den ersten Por­träts über ihn zitiert.

Es war dann auch vor allem der Fuß­ball, der Klose aus der Iso­la­tion des Neu­lings und Außen­sei­ters holte. Zunächst auf dem Schulhof, später bei der SG Blau­bach-Diedel­kopf, zu der ihn der Schul­haus­meister Erich Berndt lotste. Auf dem Fuß­ball­platz lernte Klose die deut­sche Sprache, schneller noch als die Eltern.

Kei­nes­wegs jedoch ist Kloses emi­nente Bega­bung damals jedem Übungs­leiter auf­ge­fallen. Andere Kicker seines Jahr­gangs wurden zunächst als talen­tierter ein­ge­schätzt, und der abge­bro­chene Lehr­gang schien jene zu bestä­tigen, die Kloses Poten­tial für begrenzt hielten. Erst der Wechsel zum FC Hom­burg brachte seine Kar­riere in Schwung. Der ehe­ma­lige Bun­des­li­gist war in finan­zi­ellen Nöten und beför­derte des­halb Klose kur­zer­hand aus der zweiten Mann­schaft in die Regio­nal­liga. Seine Auf­tritte dort weckten wie­derum das Inter­esse des 1. FC Kai­sers­lau­tern, in dessen Reser­ve­team er ab 1999 auf­lief. Unge­achtet der steten For­de­rung an die Bun­des­li­gisten, dem eigenen Nach­wuchs eine Chance zu geben, war für die meisten Spieler aus der Zwoten des FCK der Sprung in den Pro­fi­kader illu­so­risch. Auf dem Papier galt das auch und beson­ders für Miroslav Klose, der mit 22 Jahren für ein hoff­nungs­volles Talent eigent­lich schon zu alt war. Und doch nahm seine Kar­riere nun richtig Fahrt auf, weil Ama­teur­coach Michael Dusek ein ums andere Mal bei Chef­trainer Otto Reh­hagel vor­stellig wurde, um für Klose ein gutes Wort ein­zu­legen. Ich hatte Glück, immer Trainer zu haben, die auf mich standen“, stellte Klose später fest. Das galt auch für Reh­hagel, der nach den ersten Auf­tritten, damals noch im Mit­tel­feld, gleich ins Schwärmen geriet: Klose ist end­lich mal wieder ein Kom­bi­na­ti­ons­spieler, der ball­tech­nisch sehr gut ist.“ Erst Reh­ha­gels Nach­folger Andreas Brehme und Rein­hard Stumpf sollten ihn dann in den Sturm ver­setzen – nicht die schlech­teste Ent­schei­dung des ansonsten glück­losen Duos.

Im Trikot von Olaf Mar­schall am Bet­zen­berg

Es waren Etappen eines rasanten Auf­stiegs, den nie­mand auf dem Zettel hatte. Mög­lich geworden war diese Blitz­kar­riere durch Dis­zi­plin, Talent und Ehr­geiz, mög­lich geworden auch durch den Fuß­ball selbst. Ein Jahr zuvor hatte Klose noch im Trikot von Olaf Mar­schall im Fan­block auf dem Bet­zen­berg gestanden, nun skan­dierten die Anhänger seinen Namen. Viel­leicht rührt noch aus dieser Zeit die Begeis­te­rung, mit der Klose heute über Fuß­ball spricht. Aus­führ­lich kann er erläu­tern, wie sehr sich die Natio­nalelf in den letzten Jahren unter Joa­chim Löw weiter ent­wi­ckelt habe, wie sie gereift sei an den Anfor­de­rungen, die sie sich selbst gestellt hat. Die Mann­schaft ist viel fle­xi­bler geworden. Wir können unter­schied­liche Sys­teme spielen. Toni Kroos, Bas­tian Schwein­steiger, Mesut Özil sind jeder für sich unglaub­lich variabel“, sagt er und fügt hinzu, als könne das über­sehen werden: Und ich selbst hab ja auch eine Ent­wick­lung durch­ge­macht.“

Diese Ent­wick­lung begann im Norden, beim SV Werder. In den frühen Jahren in Kai­ser­lau­tern war Klose, unge­achtet seiner tech­ni­schen Fer­tig­keiten, doch ein klas­si­scher Stürmer, unge­mein kopf­ball­stark und ein pas­sio­nierter Straf­raum­spieler. Das änderte sich, als er 2004 dem Werben von Thomas Schaaf nachgab. Erst in Bremen habe ich mich zum mit­spie­lenden Stürmer wei­ter­ent­wi­ckelt“, sagt Klose heute. Ein­drucks­volle Zahlen belegen das. Am Ende seiner ersten Saison hatte Klose 15 Treffer selbst geschossen, zugleich aber neun Vor­lagen zu Toren gegeben. In den fol­genden Jahren war dieses Ver­hältnis nicht weniger beein­dru­ckend. Urs Sie­gen­thaler wird später einen Begriff finden, der diese Spielart auf den Punkt bringt. Klose sei ein per­fekter Wand­spieler“. Einer, der den lau­fenden Ball in der Vor­wärts­be­we­gung in höchstem Tempo für die nach­rü­ckenden Mit­tel­feld­spieler wei­ter­leiten oder prallen lassen kann, der wahl­weise Vor­be­reiter oder Voll­stre­cker ist.

Als am Mitt­woch­abend im aus­ver­kauften Weser­sta­dion das Freund­schafts­spiel gegen die Fran­zosen ange­pfiffen wird, ist schnell klar, wie unge­mein per­fekt Klose inzwi­schen diese Rolle des varia­blen, kom­bi­nie­renden Stür­mers spielt. Anders etwa als Kon­kur­rent Mario Gomez, der sein Heil in der Regel klas­sisch in der Box sucht, lässt sich Miro Klose von Beginn an zurück­fallen. Mein Platz ist meis­tens in der Schnitt­stelle, dort wo die Ver­tei­diger an die Mit­tel­feld­spieler über­geben“, hat er am Dienstag erklärt. Schon in der Vor­be­rei­tung auf das Spiel schaue ich, welche Schwä­chen und Stärken die beiden Innen­ver­tei­diger haben.“ Im Spiel gegen die Fran­zosen ent­zieht er sich so kon­se­quent dem Zugriff der fran­zö­si­schen Abwehr­leute Adil Rami und Phil­ippe Mexès, sein Zusam­men­spiel ins­be­son­dere mit Mesut Özil ist intuitiv. All das macht Klose der­zeit zu einem der wich­tigsten Spieler in Joa­chim Löws Plan­spielen für die Euro­pa­meis­ter­schaft im Sommer. 

Hat sich Klose mit seinem Wechsel zu Lazio ver­schlech­tert?

Was auch dann gegolten hätte, wenn sich Kloses Wechsel zu Lazio Rom im Sommer letzten Jahres als großer Irrtum her­aus­ge­stellt hätte. Ein Transfer, der zumin­dest in Deutsch­land für etwas Ver­wun­de­rung gesorgt hatte, und das nicht nur, weil zeit­gleich der spa­ni­sche Spit­zen­klub Valencia um ihn gebuhlt hatte. Aus­ge­rechnet Lazio, hieß es nase­rümp­fend, das Schmud­del­kind unter den ita­lie­ni­schen Ver­einen, mit noto­risch rechten Anhän­gern und tra­di­tio­nell chao­ti­schen Füh­rungs­struk­turen. Ein Klub, der zuletzt auch Thomas Hitzl­sperger ein frus­trie­rendes halbes Jahr beschert hatte. Dass Lazio als Tabel­len­fünfter nur in der schlecht beleu­mun­deten Europa League spielen würde, ver­stärkte den Ein­druck hier­zu­lande, dass Klose sich durch den Wechsel eher ver­schlech­tert hatte.

Es waren Pro­gnosen mit geringer Halb­werts­zeit. Zwar begrüßten die Anhänger der Irri­du­ci­bili Lazio“, der Unbeug­samen, die Neu­ver­pflich­tung Klose gleich einmal geschmacks­si­cher mit einem Plakat Klose mit uns“ und ver­wen­deten dabei Runen­schrift, um nicht miss­ver­standen zu werden. Anschlie­ßend blieben rechstra­di­kale Aus­setzer jedoch die Aus­nahme. Allen­falls werden bei Heim­spielen ein paar Deutsch­land­fahnen im Fan­block geschwenkt. Und seit dem Sommer ver­geht kaum ein Wochen­ende, ohne dass eupho­ri­sche Schlag­zeilen über den Wun­der­stürmer im him­mel­blauen Trikot über den Apennin kommen. Nach seinem Füh­rungstor gegen den AC Milan in seinem ersten Spiel für Lazio, nach dem Sieg­treffer gegen den AC Cesena zwei Wochen später, seinem späten Tor zum 2:1 über den AC Flo­renz aber­mals zwei Wochen danach: Stets über­schlug sich die ohnehin gefüh­lige ita­lie­ni­sche Sport­presse mit ihrem Lob für Klose. Der Deut­sche mit dem eisigen Blick und dem warmen Herzen hat die Lazio­fans mit seiner Per­sön­lich­keit, seinem Team­geist und seinen Toren erobert“, schwärmte gewohnt poe­tisch die Gaz­zetta“. Da hatte Klose gerade mit einem Flach­schuss in der dritten Minute der Nach­spiel­zeit das Derby gegen den AS Rom ent­schieden. Worauf auch Ste­fano Mauri, alt­ge­dienter Mit­tel­feld­mann und halt­loser Euphorie unver­dächtig, den Klub auf dem Weg zu höchsten Ehren wähnte: Mit einem Spieler wie Klose haben wir rea­lis­ti­sche Chancen, um den Titel mit­zu­spielen.“

Mitte März, nach dem 27. Spieltag der Serie A, ist das Thema Meis­ter­schaft tat­säch­lich immer noch nicht ganz vom Tisch. Zwar ist der AC Milan sechs Punkte voraus und macht wenig Anstalten, zu schwä­cheln. Und doch ist es erstaun­lich, dass weder zahl­lose Ver­let­zungen noch die Que­relen um den selbst­be­wussten Coach Edy Reja, der sich mit dem erra­ti­schen Prä­si­denten Claudio Lotito über­worfen hatte, die Mann­schaft nach­haltig aus der Bahn geworfen haben. Am Wochen­ende nach dem Län­der­spiel in Bremen hat Lazio Rom auch das zweite römi­sche Derby mit 2:1 für sich ent­schieden. Eigent­lich ist die Saison bereits gerettet.

Als Spieler kannst du in Rom kon­zen­trierter arbeiten“

Und die Ver­eh­rung für Miroslav Klose ist unge­bro­chen. Vor den kleinen Läden in Roms Gassen, die Tou­risten mit nach­lässig gefälschten Tri­kots großer Fuß­ball­stars locken, ist Klose ebenso prä­sent wie Lionel Messi oder Cris­tiano Ronaldo. Wenn Klose in Roms Innen­stadt unter­wegs ist, erregt er rasch Auf­sehen unter den Ein­hei­mi­schen. Den­noch hat er in der ver­meint­lich heiß­blü­tigen ita­lie­ni­schen Kapi­tale mehr Muße, sich auf den Sport zu kon­zen­trieren, als in Deutsch­land. Das Trai­ning in Lazios weit­läu­figem Übungs­zen­trum For­mello, einige Kilo­meter nörd­lich von Rom, ist nicht ver­gleichbar mit dem täg­li­chen Volks­fest an der Säbener Straße in Mün­chen. Als Spieler kannst du in Rom kon­zen­trierter trai­nieren“, findet er. Die Ein­heiten finden ohne Publikum statt, das war in der Bun­des­liga anders.“ In der Hin­runde durften die Anhänger gar nur bei einer ein­zigen Trai­nings­ses­sion dabei sein. Am Montag nach dem Der­by­sieg hatte Coach Reja eine Aus­nahme gemacht. Das war dann auch für uns Spieler etwas Beson­deres“, sagt Klose. Was ihm in Ita­lien gefällt, ist der enorme Respekt, der den Spie­lern von den Anhän­gern ent­ge­gen­ge­bracht wird. Wenn Klose etwa von Fans in einem Restau­rant ent­deckt wird, führt das wider Erwarten nicht zu grö­ßeren Men­schen­an­sammm­lungen am Tisch. Wäh­rend wir gegessen haben, wurden wir nicht gestört. Erst hin­terher wurden wir um gemein­same Fotos gebeten.“

Das Leben, das Klose in Rom führt, ist so unprä­ten­tiös und boden­ständig wie zuvor in Deutsch­land. Ich war nie ein Typ für Dis­ko­theken und lange Abende. Ich habe mich immer kom­plett auf den Fuß­ball kon­zen­triert“, sagt er. Es liegt darin bei Miroslav Klose eine Abso­lut­heit, die bis­weilen irri­tiert, weil sie wenig Platz lässt für das, was jungen Men­schen eigent­lich an Bedürf­nissen zuge­bil­ligt wird. Von dieser ado­les­zenten Lust an Aus­schwei­fungen kündet etwa die Schlag­zeile, mit der am Freitag nach dem Län­der­spiel die spa­ni­sche Gazette AS“ auf­ge­macht hat. Die Real­profis Mesut Özil und Sami Khe­dira sollen nach dem Län­der­spiel noch bis zum Zap­fen­streich in einer Bremer Bar gefeiert haben. Eine Peti­tesse, die schon zwei Tage später wieder ver­gessen ist, weil die beiden Deut­schen beim 5:0‑Kantersieg Reals gegen Espanyol Bar­ce­lona beein­dru­ckend kom­bi­niert haben. Von vielen anderen Kickern sind ähn­liche Geschichten über­lie­fert, die ja letzt­lich nur kleine Aus­brüche aus dem umfas­senden Pflich­ten­ka­talog sind, denen sich pro­fes­sio­nelle Fuß­ball­spieler tag­täg­lich unter­werfen müssen. Sie müssen sich gesund ernähren, richtig trai­nieren, dürfen im Spiel keine Fehler machen, und wenn sie abends zu lange in der Kneipe sitzen, findet sich immer jemand, der ent­weder stra­fend auf die Uhr tippt oder gleich einen Han­dy­schnapp­schuss an die Presse wei­ter­reicht. Klose jedoch ist in seiner langen Kar­riere nicht ein ein­ziges Mal durch der­ar­tige Schlag­zeilen auf­fällig geworden. Was sym­pa­thisch ist, zugleich aber dazu geführt hat, dass er im flir­renden Show­busi­ness Fuß­ball seit jeher als ver­gleichs­weise sperrig und für die nach Ver­feh­lungen dürs­tende Bou­le­vard­presse uner­giebig emp­funden wird.

Alex Schütt, ehe­mals Hockey­spieler und Jour­na­list und nun Kloses Berater, müsste diesen Zustand eigent­lich beklagen – weil Geschichten über neue Fri­suren, neue Freun­dinnen, neue Autos in der Öffent­lich­keit schnell mit Profil und Cha­risma ver­wech­selt werden, was wie­derum die Fuß­baller attrak­tiver für Wer­be­kunden macht. Dass Oliver Bier­hoff, einst Kloses Mit­spieler und nun Manager der Natio­nalelf, ihn als Vor­bild preist, mag ehren­haft sein, der Ver­markt­bar­keit steht ein mus­ter­gül­tiges Pro­fi­leben jedoch bis­weilen ent­gegen. Ein Straf­zettel für den falsch geparkten Fer­rari, eine Foto­strecke mit der drei­vier­tel­nackten Freundin, so schnell und billig ist Gla­mour bis­weilen pro­du­ziert. Statt­dessen lobt Schütt die Boden­stän­dig­keit seines Freundes und Kli­enten. Die ist im Fuß­ball­ge­schäft schon des­halb nicht leicht zu bewahren, weil sich inzwi­schen um jeden halb­wegs talen­tierten Profi bereits in jungen Jahren unzäh­lige Schul­ter­klopfer und Geschäf­te­ma­cher scharen. Klose hat sich diesen Mecha­nismen bis­lang in beein­dru­ckender Kon­se­quenz ent­zogen, geht in der Som­mer­pause lieber mit Freunden angeln als mit dem Schnell­boot durchs Mit­tel­meer zu kreuzen, und kann ziem­lich über­zeu­gend davon erzählen, dass ihn der Gedanke ans Kar­rie­re­ende nicht im Min­desten schreckt, weil er dann end­lich mehr Zeit für Frau Sylwia und die Zwil­linge Luan und Noah hat.

In all den Jahren nur ein ein­ziger kleiner Skandal

Über­haupt ist Klose wäh­rend seiner langen Lauf­bahn nur ein ein­ziges Mal in die Nähe eines kleinen Skan­dals geraten, und der war dann auch nur for­maler Natur. 2007 wurde er in einem Han­no­ve­raner Hotel zusammen mit den Bay­ern­bossen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rum­me­nigge gesehen. Ein Geheim­treffen, aus­ge­rechnet kurz vor einem wich­tigen euro­päi­schen Spiel seines Ver­eins Werder Bremen. Klose stand plötz­lich da als einer, dem das Geld und sein per­sön­li­ches Fort­kommen wich­tiger waren als sein Verein. Die Auf­re­gung ent­puppte sich hin­terher als Thea­ter­donner und als Vor­spiel knall­harter Ver­hand­lungen um die Ablö­se­summe. Gleich­wohl haben viele Beob­achter seither den Ein­druck, dass Klose noch ein wenig vor­sich­tiger geworden ist in dem, was er öffent­lich kundtut. Miro ist jemand, der ein sehr genaues Gespür dafür hat, wer es ehr­lich meint und wer unlau­tere Absichten hat“, sagt einer aus dem DFB-Tross, der Miroslav Klose nun schon länger begleitet.

Zur Skepsis gegen­über den Ver­rückt­heiten des Medi­en­be­triebs bei­getragen haben sicher auch die Erfah­rungen, die Miroslav Klose rund um die Welt­meis­ter­schaft 2010 gemacht hat, als er unver­mit­telt in eine Dis­kus­sion geriet, die nur wenig mit ihm und viel mit deutsch-pol­ni­schen Aggre­gat­zu­ständen zu tun hatte. Nach den berau­schenden Auf­tritten der deut­schen Mann­schaft in Süd­afrika wiesen Ver­treter der deut­schen Min­der­heit in Ober­schle­sien nicht ohne Stolz darauf hin, dass die meisten deut­schen Tore von gebür­tigen Ober­schle­siern, von Miroslav Klose aus Oppeln und Lukas Podolski aus Glei­witz, erzielt wurden. Was wie­derum das pol­ni­sche Bou­le­vard-Magazin Fakt“ zum Anlass nahm, Kloses Vater Jozef mit allerlei Sätzen zu zitieren, die ver­meint­lich wenig zur fra­gilen deutsch-pol­ni­schen Aus­söh­nung passten. Ich bin Schle­sier und Euro­päer. Alles, was Miroslav im Fuß­ball erreicht hat, ver­dankt er deut­schen Klubs und mir.“ Schlag­zeilen voller Kol­por­tage, die Miroslav Klose heute noch sicht­lich zornig machen. Es ist damals so viel Blöd­sinn und Quatsch in den pol­ni­schen Medien erfunden und geschrieben worden“, sagt er. Meine Eltern und ich haben so etwas nie gesagt.“

Zumal Kloses Lebens­wirk­lich­keit mit den holz­schnitt­ar­tigen Kli­schees nur wenig zu tun hat. Da sind Onkel und Tante und deren Kinder, die bis heute in Schle­sien leben. Da sind Kloses Kinder, die zwei­spra­chig auf­wachsen. Da ist schließ­lich Klose selbst, der um die bewegte Geschichte Schle­siens und seiner Bevöl­ke­rung im 20. Jahr­hun­dert weiß, und dem schon des­halb jeg­liche Res­sen­ti­ments fremd sind. Und so gab er dann auch vor dem Test­spiel gegen Polen im Herbst letzten Jahres zu Pro­to­koll, der freund­schaft­liche Kick sei etwas ganz Beson­deres“, um dann in der ihm eigenen Unei­gent­lich­keit fest­zu­stellen: Man ist dort geboren, man beherrscht die Sprache.“ Klose weiß natür­lich auch, dass er und Lukas Podolski im Sommer ganz beson­ders unter Beob­ach­tung stehen werden, unge­achtet der Tat­sache, dass die deut­sche Elf in der Grup­pen­phase zunächst nur in ukrai­ni­schen Sta­dien antreten wird. Doch der Spiel­plan führt die deut­sche und die pol­ni­sche Gruppe schon im Vier­tel­fi­nale zusammen. Viel Stoff wäre das für die nie­dere Sport­psy­cho­logie, für melo­dra­ma­ti­sche Artikel über die von zwie­späl­tigen Hei­mat­ge­fühlen geplagten Stürmer. Womög­lich hilft tat­säch­lich eine euro­päi­sche Per­spek­tive, wie Klose über­haupt schon den Blick über das Tur­nier hinaus richtet. Noch ein Jahr läuft der Ver­trag bei Lazio. Und die Natio­nalelf? Wenn ich mich kör­per­lich fit fühle, wäre auch die WM 2014 in Bra­si­lien ein loh­nendes Ziel.“ Und wie­derum danach? Wie schon erwähnt, mehr Zeit für die Familie. Und beruf­lich? Miroslav Klose weiß es noch nicht. Viel­leicht wird er den Trai­ner­schein machen. Er hat sich jeden­falls auch in diesem Fall vor­ge­nommen, seinen Kopf zu benutzen. Wie damals in Lever­kusen gegen Alba­nien.