Gestern ist HSV-Legende Özcan Arkoc im Alter von 81 Jahren in Hamburg verstorben. Er war der erste türkische Fußballprofi in Deutschland – und sprach mit uns einst über Döner in Hamburg, Pionierarbeit und ein kaputtes Tornetz.
Ab 1973 übernahm Dr. Peter Krohn die Geschicke beim HSV. Er führte Showtrainings ein, bei denen Mike Krüger den Linienrichter machte und ließ die Spieler auf Elefanten einreiten. Wie kamen Sie mit ihm zurecht?
Ich habe nie ein Problem mit ihm gehabt.
Ach, kommen Sie…
Nein, wirklich. Einmal hat er mir sogar eine Reise in die Türkei spendiert, weil mein Nachfolger, Rudi Kargus, dort sein erstes Länderspiel machte. Krohn sah das als mein Verdienst, denn ich hatte in den Jahren zuvor viel mit Kargus trainiert und ihn an die Mannschaft herangeführt. Kargus blieb ohne Gegentor – Deutschland gewann 5:0.
Aber Sie wissen, dass einige Spieler nicht mit Krohn zurechtkamen.
Klar, er trat sehr dominant auf und manchmal auch überheblich, doch er verstand was von Marketing und PR. Kuno Klötzer (HSV-Trainer von 1973 bis 1977, d. Red.) wurde es irgendwann zu viel, denn Krohn stand oft in der Kabine und diktierte die Mannschaftsaufstellung. Irgendwann mussten wir sogar in rosa Trikots spielen. Er dachte, so würden mehr Frauen ins Stadion kommen.
Waren Sie da froh, dass Sie Ihr Torwarttrikot selbst wählen konnten?
(lacht) Nein, ich war damals schon Co-Trainer von Klötzer. Aber die Spieler fanden es nicht gerade toll.
Auf Klötzer folgte Rudi Gutendorf, der weder bei den Spielern noch bei Krohn gut gelitten war. Und auch mit Ihnen gab es Streit.
Rudi glaubte, ich hätte mich mit den Spielern gegen ihn verschworen und wäre mitverantwortlich für seinen Rauswurf. Das war totaler Quatsch. Er behauptete außerdem, dass ich kein Mitglied im Deutschen Trainer-Bund sei. Es gab einen Rechtsstreit, aber das ist alles lange her. Wir haben die Sache aus der Welt geräumt, und ich habe Rudi viele Male wiedergetroffen – in aller Freundschaft.
Herr Arkoc, Sie klingen sehr milde.
Ist das so?
In einem Interview haben Sie mal gesagt: „Wenn ich fluche, dann nur auf Türkisch oder Italienisch.“
Ich habe selten geflucht. Ich habe immer daran geglaubt, dass die Spieler immer alles geben wollten. Fußball ist eben viel Tagesform, viel Glück, viel Pech.
Kurz nachdem Sie 1977 die HSV-Mannschaft als Chefcoach übernommen hatten, war häufig zu lesen, Sie seien zu weich gewesen, um ein Starensemble zu trainieren. Was glauben Sie: Brauchte der HSV 1977/78 eine harte Hand?
Einmal befahl Präsident Paul Benthien sogar Günter Netzer als Berater in die Kabine. Doch was hätte ich tun sollen? Mich verstellen? Ich bin nun mal wie ich bin. Ich hätte gerne ein bisschen mehr Zeit gehabt, doch nach einem Jahr war Schluss, auch weil der HSV keinen Erfolg hatte.
Immerhin wurde er 1976 Vizemeister und gewann 1977 gegen den RSC Anderlecht den Europapokal der Pokalsieger.
Mit mir als Co-Trainer und meinem Chef Kuno Klötzer, der danach entlassen wurde. Der HSV war erfolgreich, aber man wollte mehr. Man wollte den großen Rummel. Letztendlich kann man den Klub für meine oder Klötzers Entlassungen nicht kritisieren, denn er hat in den Folgejahren die Bundesliga dominiert und reifte zur europäischen Spitzenmannschaft.
Haben Sie damals schon geahnt, dass der HSV am Vorabend einer großen Ära steht?
Kevin Keegan war damals schon eine Ausnahmeerscheinung. Einer, der besessen war, der immer mehr wollte als seine Mitspieler. Doch auch den anderen – Felix Magath oder Manfred Kaltz – habe ich große Karrieren zugetraut. Einmal belauschte ich ein Gespräch zwischen Manni und einem Mitspieler. Manni sagte: „Ich wette mit dir, dass ich ein Länderspiel mehr machen werde als du!“ Der Mitspieler wettete dagegen. Manni behielt Recht.
Wieso haben Sie danach nie als Trainer bei einem höherklassigen Verein Fuß fassen können?
Ich war in Deutschland noch bei Wormatia Worms und Holstein Kiel, schließlich in der Türkei bei Kocaelispor. Wir wurden 1983/84 Achter in der Süper Lig, ein beachtliches Ergebnis, doch für die Präsidenten zählten nur Titel. Ich hätte gerne als Trainer weitergearbeitet, doch es hat nicht geklappt, weil ich Hüftprobleme hatte und dachte, es gehöre zu einem Trainer, die Übungen selbst vorzumachen. Also habe ich mich mit einem Kurierdienst selbständig gemacht. Mit dem Auto habe ich Unterlagen von A nach B gebracht. Das habe ich bis zu meinem 71. Lebensjahr gemacht, denn es hat mir Freude bereitet.
Den Fußball haben Sie nie vermisst?
Das Fußballgeschäft war mir und meiner Frau oftmals viel zu schnell. Als ich etwa in Kiel Trainer war, pendelte ich die ersten Monate. Irgendwann sagte der Klub, dass er eine Wohnung für uns gefunden hätte. Wir haben die Umzugskartons gepackt und sind losgefahren. Ein paar Tage später war ich entlassen. Der Fußball hat mich dennoch nie ganz losgelassen, ich bin bei jedem HSV-Heimspiel, und circa einmal die Woche bekomme ich sogar noch Fanpost.
Adressiert an Arkoc Özcan?
Wieso fragen Sie?
In Zeitungsartikeln aus den sechziger Jahren ist immer von Arkoc Özcan die Rede. Dabei ist Özcan doch Ihr Vorname.
(lacht) Der Fehler nahm seinen Anfang an meinem ersten Tag bei Austria Wien. Damals fragte mich jemand nach meinem Namen, und ich sagte, ich heiße Özcan – in meinem Heimatdorf in der Türkei war es nämlich üblich, dass man sich mit Vornamen vorstellt. Bei Austria nahm man aber an, dass dies mein Nachname sei. So hieß ich außerhalb der Türkei über Jahrzehnte Arkoc Özcan. Genervt hat es mich nie – und die Fanpost ist meistens eh an „Ötschi“ adressiert.