Viele Fans, aber auch Funktionäre waren fassungslos ob des Quasi-Freispruchs für ManCity. Nun fordert ausgerechnet RB-Leipzig-Boss Oliver Mintzlaff härtere Regeln, was angesichts der eigenen Machenschaften mindestens kurios ist.
Viele haben sich in den vergangenen Tagen zu Wort gemeldet und ihre Meinung zur „Begnadigung“ von Manchester City durch den internationalen Sportgerichtshof CAS kundgetan: Jürgen Klopp („Kein guter Tag für den Fußball“), Spurs-Coach José Mourinho („Eine Schande“) oder Spaniens Ligaboss Javier Tebas („Manchester City wird in der nächsten Saison nicht deshalb in der Champions League spielen, weil sie sich gut geschlagen haben, sondern weil der CAS einen schlechten Job gemacht hat“). Sie alle haben natürlich Recht, weil es nur zu offensichtlich ist, dass City und seine mehrheitlich arabischen Eigentümer die Financial-Fairplay-Regeln der UEFA massiv gebrochen haben – was selbst beim CAS unbestritten blieb.
Wenn nun aber auch Oliver Mintzlaff in der Causa ManCity mitredet, kann man schon mal zusammenzucken. „Wie Sie wissen, sind wir absoluter Befürworter des Financial Fairplay und dessen Einhaltung“, ereiferte sich der Vorstandsvorsitzende von RB Leipzig in einem „Bild“-Interview. Und: „Es braucht Regeln, die von allen eingehalten werden und keine Hintertüren offen lassen.“
Dabei ist Mintzlaffs eigene Hintertür noch immer schwer angekratzt, weil vor etwas mehr als einem Jahr ein dickes, fettes 100-Millionen-Paket hindurch gewuchtet wurde: Im April 2019 hatte Eigentümer Red Bull seiner ostdeutschen Fußballfiliale landläufig ausgedrückt 100 Millionen Euro an Schulden erlassen – also quasi geschenkt. Auch wenn man dies bei Rasenballsport Leipzig lieber als „Umwandlung von Verbindlichkeiten in eine Kapitalrücklage“ bezeichnet. Klingt ja auch viel besser.
Diese Hintertür-Transaktion ist (warum auch immer) vereinbar mit dem Financial-Fairplay-Statut – anders als die Maßnahmen der City-Eigentümer, die den englischen Ex-Meister mit völlig überhöhten Sponsorenverträgen ausgestattet hatten, um frisches Geld rein zu pumpen. Den Leipziger Vorgang erklärte der Wirtschafts-Professor Ludwig Hierl gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“ so: „Red Bull hat auf die ausstehenden Forderungen verzichtet und hat die Summe vereinfacht ausgedrückt nachträglich auf den Kaufpreis für den Klub (ursprünglich 2,5 Millionen Euro für 99 Prozent der Anteile; die Redaktion) drauf gelegt.“ Ohne erkennbare Gegenleistung.
Dabei hatte Mintzlaff noch im Januar dieses Jahres (also ein Dreivierteljahr nach der lange Zeit unbeachteten 100-Millionen-Spritze) etwas ganz anderes erklärt – und dabei offenbar, ähem, leicht geschwindelt: „Unsere Darlehen kommen nicht von der Sparkasse Leipzig, sondern zu marktüblichen Konditionen von Red Bull“, erzählte der 44-jährige Ex-Leichtathlet dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Das Geld wurde uns nicht geschenkt, das sind Darlehen, die getilgt werden müssen.“
Rückblickend hat es den bösen Schein, als hätte RB Leipzig seine Verbindlichkeiten beim Brausekonzern gar nicht zurückzahlen können – oder wenn, dann nur nach einem sportlichen Komplettausverkauf. Nach Abschluss des Geschäftsjahres 2018/19 betrugen die Schulden des hochdefizitären RB-Konstrukts 124 Millionen Euro. Ohne die Umwandlung von 100 Millionen Euro Verbindlichkeiten in Eigenkapital durch den Mutterkonzern hätte RB Leipzig vor einem Berg von 224 Millionen Euro gestanden. Damit wäre man so gut wie bilanziell überschuldet gewesen – und hätte beispielsweise Schalke (aktuell ausgewiesene Verbindlichkeiten: 197 Millionen) locker übertroffen.
Auf die Bild-Frage, ob der Retortenklub sich finanziell übernommen habe, entgegnete Mintzlaff fast schon frech: „Das haben wir nicht.“ Der Marketingexperte verwies darauf, dass es eben nicht ganz billig ist, als Erstliga-Novize gleich mal in die Champions League durchzustarten: „Wir haben bisher erst vier Bundesliga-Saisons gespielt. Natürlich haben wir in den vergangenen Jahren in diverse Bereiche unseres Vereins investiert, aber wir haben immer auf Nachhaltigkeit gesetzt und junge, hochtalentierte Spieler zu uns geholt, die sich bei uns entwickeln konnten.“
Allerdings waren die Sabitzers oder Werners in ihrer Gesamtheit viel zu teuer, um sie durch das operative Geschäft gegenfinanzieren zu können: „Womöglich hat man bei Rasenballsport Leipzig veritable Liquiditäts-Engpässe auf sich zukommen sehen, sonst hätte der Red-Bull-Konzern einem solchen Schritt vielleicht gar nicht zugestimmt“, erklärte bereits im Juni Professor Christoph Breuer gegenüber 11freunde.de: „Leipzig weist ja schließlich eines der am stärksten negativen Transfer-Saldos der vergangenen Jahre auf“, gab der der renommierte Sport-Ökonom von der Deutschen Sporthochschule in Köln zu bedenken.
Laut transfermarkt.de beträgt das kumulierte Ablöse-Minus von RB seit 2015 rund 150 Millionen Euro. Das sind zwar Peanuts gegenüber den 670 Millionen, die Manchester City im selben Zeitraum auftürmte, aber eben doch viel Geld für einen frei erfundenen Verein, der es bei Sponsoren noch immer schwer hat – wohl auch deshalb, weil er unter Fußballfans auf bundesweite Ablehnung stößt.
Vielleicht ist es dieser Liebesentzug, der Mintzlaff treuherzig sagen lässt, „ein neuer Denkprozess über strengere Strafen und stärkere Überwachung“ ergäbe sicherlich Sinn. Vielleicht hat der Leipzig-Boss auch im Hinterkopf, dass Red Bull bislang noch immer Mittel und Wege gefunden hat, um ein „Go“ der Regelhüter von UEFA, DFB oder DFL zu bekommen. Frei nach dem Motto: Wenn sich irgendwo eine Hintertüre schließt, tut sich woanders ein Fenster auf.