Manchester United hat rund 50 Millonen Euro für Anthony Martial bezahlt. Er könnte sogar noch wesentlich teurer werden. Zurecht?
Wayne Rooney war dann doch etwas irritiert. Nach einem mäßigen Saisonstart von Manchester United und in einer Phase, in der der Klub mit nahezu jedem Stürmer der Welt in Verbindung gebracht wurde, war er immer noch ganz allein auf weiter Sturmfront. Mit Robin Van Persie, Angel Di Maria und Falcao hatte Coach Luis Van Gaal zudem prominente Offensivkräfte vom Hof gejagt, offenbar in der wahnwitzigen Annahme stattdessen einen Hochkaräter wie Thomas Müller oder Neymar ins Old Trafford zu locken. Eine fatale Fehleinschätzung.
Und so trat Rooney am Sonntag auf dem Rückflug von der niederschmetternden 1:2‑Niederlage gegen Swansea City an seinen französischen Mitspieler Morgan Schneiderlein heran und fragte frei heraus: „Wer ist Anthony Martial?“ Der Name des 19-jährigen Franzosen geisterte seit Tagen durch die Medien, aber gehört hatte Rooney noch nie von ihm. Und damit war er wohl nicht allein.
Ausdruck der Perversion
Dass jener Martial keine 24 Stunden später durch eine Ablöse von 50 Millionen Euro zum teuersten Fußballteenager der Welt wurde, sagt viel über die Perversion der aktuellen Transferperiode aus. Dass er sein Geld in ein paar Jahren durchaus wert sein könnte, ist nicht ausgeschlossen. Ob ihm der überhitzte Weltfußball die Zeit dazu lässt, sei mal dahingestellt.
Wie viele andere talentierte französische Nachwuchshoffnungen stammt Martial aus der Jugendakademie von Olympique Lyon, wohin er bereits im Alter von 14 Jahren wechselte. Seine ersten Gehversuche auf dem Feld unternahm er allerdings beim CO Les Ulis. Der Klub südlich von Paris gilt als kleine Brutstätte für kommende Stars. Von hier aus starteten etwa Patrice Evra und Arsenals Yaya Sanogo bereits ihre Laufbahn. Und einer, der sie alle überstrahlt: Thierry Henry.
Vielleicht ist es eine jener kleinen Geschichten, die eben nur der Fußball schreibt, dass Martial auf einem Platz, den Henry einst seinem Heimatverein spendetet, seine ersten Tore schoss. Und vielleicht wird es irgendwann Teil des Mythos, dass der kleine Anthony mit glitzernden Augen zum großen Thierry aufblickte und entschied, ebenfalls den Fußball im Sturm zu erobern. Wie Martial verließ übrigens auch Henry seine Heimat Frankreich über den AS Monaco.
Unverkennbar ist jedenfalls, dass sich Martial und Henry auch auf dem Platz ähneln. Martial gilt als eleganter Spieler, von dem seine Gegner meistens die Hacken sehen werden. „Er ist schnell wie der Blitz, hat eine starke Technik und einen guten Abschluss“, sagte der französische Journalist Philippe Auclair jüngst gegenüber der BBC und ergänzte: „Aber diese Ablösesumme macht die Franzosen sprachlos.“
Schon auf dem Abstellgleis geparkt
Sprachlos waren sie auch im Jahr 2013. Da traf Martial für die U17 von Lyon in 21 Spielen ganze 32 Mal, und plötzlich ploppte sein Name auf den Zettel der Topklubs auf. Im Sommer 2013 holte schließlich der AS Monaco den damals 17-Jährigen für knapp fünf Millionen aus Lyon und stach dabei Juventus Turin aus. Seine Leistungen in Monaco gaben aber erstmal wenig Anlass zur Euphorie. Wenn er in seinem ersten Jahr überhaupt im Kader war, kam er fast ausschließlich der Bank. In elf Spielen erzielte er zwei Tore. In der Hinrunde 2014/15 netzte er nur ein Mal ein, spielte kein Spiel über 90 Minuten, sorgte aber dafür neben dem Platz für Schlagzeilen. Martial galt als Bruder Leichtfuß. Als einer, der die Vorzüge des Profilebens in Monaco in vollen Zügen genoss und sich vielleicht ein bisschen zu sehr auf sein herausragendes Talent verließ.
Frankreich, so murmelten sich Scouts aus ganz Europa Mitte der abgelaufenen Saison zu, sei gerade dabei, mal wieder eines seiner größten Talente zu verlieren. Weil man ihn alleine lässt. Mit sich. Dem Wahnsinn um ihn herum. Und dem vielen Geld.