Auf Südkoreas Superstar Heung-Min Son lastet großer Druck. Nach dem WM-Aus bleibt ihm eine letzte Chance, um dem zweijährigen Wehrdienst zu entgehen.
Kee-hee Kim richtete seinen Kopf auf. Hatte Coach Hong Myung-bo gerade seinen Namen gerufen? Ja, tatsächlich. Gerade lief die 90. Minute im Spiel um Platz 3 der Olympischen Spiele. Es hatten den Charakter eines besseres Freundschaftsspiels. Und Südkoreas Trainer wollte beim Stand von 2:0 ein letztes Mal wechseln. Eine Entscheidung, die das Leben von Kee-hee Kim maßgeblich verändern würden. Denn mit dieser einen letzten Spielminute wurde Kim zum Bronzemedaillengewinner – und entging so dem südkoreanischen Militärdienst.
In seinem Heimatland sind die Regeln des Wehrdienstes streng, Ausnahmen werden kaum gemacht. Amnesty International rechnete vor, dass in Südkorea mehr Menschen wegen Kriegsdienstverweigerung in Gefängnissen sitzen würden als in allen anderen Ländern der Welt zusammen. Seit 2010 seien mehr als 10.000 Verweigerer zu Haftstrafen verurteilt worden. Doch eine Minute Fußball können von zwei Jahren Militärdienst befreien.
Aus dem Urteil gelernt
Freigesprochen vom Wehrdienst werden nur Sportler, die internationale Titel gewonnen haben. Olympische Medaillen zählen dazu. Für Fußballer genügt das Erreichen eines WM-Halbfinals, wie 2002, als die Südkoreaner erst gegen Deutschland scheiterten. Kee-hee Kim, der nur eine Minute während des Olympischen Turniers 2012 in London spielte, musste ebenfalls nicht zur Waffen greifen. Ein Glück, das dem südkoreanischen Superstar Heung-Min Son bisher nicht vergönnt war. Bei der Weltmeisterschaft vor wenigen Wochen schied Südkorea – trotz des Sieges über Deutschland – in der Gruppenphase aus. Nun genügt nur noch die Goldmedaille bei den Asienspielen, um dem zweijährigen Wehrdienst zu entgehen. Ansonsten würde Son im Sommer 2019 eingezogen werden.
Für das Land zählen nur sportliche Erfolge mit der Nationalmannschaft. Auch der südkoreanische Profigolfer Sang-moon Bae, der in seiner Sportart bereits hunderttausende Dollar Preisgeld gewann und ein nationaler Star ist, wurde 2015 nach einem Gerichtsverfahren eingezogen. Bae zeigte sich öffentlich dankbar für die Gelegenheit: „Aus dem Urteil habe ich gelernt, dass es für mich viel wichtiger ist, meine Pflicht als Koreaner statt als Golfer zu erfüllen.“ Mittlerweile ist er zurück auf der PGA-Tour.
Soldatensold statt Millionengage
2021, wenn Heung-Min Son voraussichtlich aus dem Militärdienst entlassen würde, wäre er 29 Jahre alt. Und seine sportliche Hochzeit vorbei. Die südkoreanische Botschaft stellte auf Nachfrage klar, dass der Premier-League-Profi vermutlich keine Sonderbehandlung zu erwarten habe. Ein Schicksal, das er mit vielen Teamkollegen teilt, doch kein Fall hätte größere Auswirkungen. Statt 400.000 Pfund pro Monat würde Son zwischen 150 und 200 Dollar Soldatensold verdienen. Dass der Star so lange ausfallen würde, ist wohl auch der Grund, weshalb ihn die Vereinsführung der Tottenham Hotspur so bereitwillig zu den Asienspielen schickte. Denn Sons Vertrag läuft noch bis 2023 – und würde ohne Goldmedaille für zwei Jahre ausgesetzt werden.
Nur ein Turniersieg bei den Asian Games im August könnte das noch ändern. Immerhin: Bei den Asian Games startet Südkorea als Titelverteidiger, 2014 gewann das Land die kontinentale Variante des olympischen Turniers. Alle Spieler wurden – wie das im Land eben so üblich ist – vom Militärdienst freigesprochen. Nur Superstar Heung-Min Son nahm nicht teil. Sein Arbeitgeber Bayer Leverkusen hatte ihn für das Turnier nicht beurlaubt. Dabei hätte eine Minute sein Leben verändern können.