Nach dem Bundesliga-Aufstieg geht bei Union Berlin die Angst vor der Gentrifizierung um. Andrej Holm, Union-Fan und Stadtsoziologe an der Humboldt-Universität in Berlin, befürchtet keine Verdrängung, sieht aber Parallelen zum Wohnen in der Hauptstadt.
Wie wirkt sich die soziale Herkunft aus?
Union ist eher geeignet, um auch von Menschen aus den urbanen Dienstleistungsmilieus in den eigenen Lebensstil eingebaut zu werden. Das ist paradox, denn das Stadionerlebnis bei Hertha ist ja viel anschlussfähiger. Aber die Attraktivität von Union basiert auf dem Distinktionspotential: Auf einer WG-Party, oder bei Leuten, die eher ins Theater gehen, kannst du Union besser vermitteln, als regelmäßige Besuche im Olympiastadion.
Die gleichen Leute ziehen wahrscheinlich auch eher nach Neukölln oder Kreuzberg als Charlottenburg oder Steglitz.
Der klassische Gentrifier, der sich vom coolen Berlin angelockt fühlt, sich eine Wohnung in Kreuzberg neben dem ehemals besetzten Haus kauft, wird eher zu Union als zu Hertha gehen. Aus der Stadtforschung kennen wir die Imagination von angeblicher Authentizität für bestimmte Lebensstilgruppen. Leute, die unbedingt in einem hundert Jahre alten Viertel wohnen wollen, weil sie den „Altbau“ so toll finden, gehen auch lieber in ein Stadion das eine Fußballkultur „wie früher“ verspricht.
Das kann man doch den Stadtteilen ebenso wenig vorwerfen wie dem Verein?
Natürlich nicht. Und beide werden das Image nicht verstecken, auch wenn es von anderen kapitalisiert werden kann. Wir werden keine Red-Bull-Getränke verkaufen, nur um Leute abzuschrecken, die ein authentisches Stadionerlebnis suchen.
Dennoch: Wie in einem Stadtviertel bringen die Newcomer doch notwendigerweise Veränderungen mit sich.
In der Stadt läuft es so: Die subkulturelle Attraktivität, das Image eines Viertels ist für Besserverdienende attraktiv, sie ziehen dorthin und verdrängen die angestammten Bewohner. In den Fußball übersetzt heißt das, Leute kommen mit Erwartungen in das Stadion, die sie aus Medien und Erzählungen zusammensetzen. Da werden völlig skurrile Bilder vermittelt: die süßen Ossis, die am Tag der Werktätigen feiern und sowas. In der städtischen Gentrifizierung bilden sich aber komplett ortsferne Enklaven. Dann dominieren statt proletarischer Eckkneipen auf einmal die berüchtigten Latte-Macchiato-Bars. Im Fall von Union und dem Fußballerlebnis im Stadion An der Alten Försterei erscheint mir so eine Entwicklung ausgeschlossen. Wie sollte das auch gehen? Bringen dann die Neuen beim ersten Bundesliga-Heimspiel ihre Klappstühle auf die Stehtribüne?
Aber der Preis beeinflusst doch nicht nur in der Stadt sondern auch im Stadion die Zusammensetzung des Publikums. Beispiel: Premier League.
Tatsächlich merken wir dahingehend eine Aufwertung. Die hohe Nachfrage, das fast immer ausverkaufte Stadion führen zu einer schrittweisen Preiserhöhung. Der Verein hat darauf reagiert und privilegiert Vereinsmitglieder. Aber die Mitgliedschaft können viele auch nicht einfach aus der Hosentasche bezahlen, das Fußballerlebnis über eine ganze Saison ist in den letzten Jahren teurer geworden.