Thomas Müller schrie die Arena zusammen, Uli Hoeneß hingegen zeigt sich nach dem Spiel ungewohnt milde. Und trotzdem ist die Meisterschaft noch lange nicht entschieden. Oder?
Favre selbst sprach von einer „Lehrstunde“. Mag durchaus sein, dass sein Plan, Götze draußen zu lassen, um mit Dahoud, Sancho, Bruun Larsen und eben Reus viele schnelle Offensivkräfte aufzubieten, die in die Tiefe starten können, die falsche Idee war. Aber wahrscheinlich hätte jede andere Aufstellung und Taktik, ja selbst ein frühes Tor von Dahoud, der Dortmunds einzige wirklich Chance in 90 Minuten vergab, das Debakel nicht verhindern können. Die Machtdemonstration der Bayern gegen überforderte Dortmunder hat vor allem wieder einmal gezeigt: Fußball ist, wie so vieles im Leben, auch oder gerade Kopf- und Willenssache.
Noch beim Stand von 4:0 brüllte ein Thomas Müller seine Anweisungen in einer Lautstärke über dem Platz, dass sie trotz der Gesänge des Münchner Publikums bis auf die Tribünen zu hören waren. Da reckte ein Edeltechniker wie Thiago nach einer Grätsche an der Außenlinie die Faust. Und ein alternder Fahrensmann wie Mats Hummels war sich für keinen noch so langen Sprint zu schade. Hummels war überall. Auch um allen zu zeigen, dass er besser ist, als ihn andere – vor allem die Journalisten (Hummels) – derzeit sehen. Und dazu dieser für die Mannschaft arbeitende Lewandowski, der bei aller Freude und Stolz über seine Bundesligatore 200 und 201 nach dem Abpfiff betonte, dass es jetzt vor allem wichtig sei, die nächsten drei Punkte zu machen.
Noch alles möglich
Zwei Zähler Rückstand vor dem Heimspiel gegen den Tabellenführer – die Konstellation vor der Partie sei optimal gewesen, um so eine Energieleistung abzurufen, meinte ein paar Meter weiter ein bestens aufgelegter Thomas Müller. Da mag der Bayern-Antreiber recht haben. Andererseits war die Ausgangslage für das BVB-Team auch wie gemalt, um mit einem beherzten Auftritt und einem daraus resultierenden Sieg für eine kleine Vorentscheidung im Meisterschaftsrennen zu sorgen.
Und so haben die vergangenen Wochen vor allem eines gezeigt: sowohl dem FC Bayern München als auch Borussia Dortmund fehlt derzeit die Konstanz – was alle neutralen Fußballinteressierte in Deutschland freuen sollte. Es nährt die Hoffnung, dass es in dieser Saison tatsächlich wieder einmal ein spannendes Rennen um den Meistertitel geben könnte. Gut möglich, dass Uli Hoeneß nach dem 34. Spieltag wieder den stillen Genießer geben kann. Aber auch ein polternder Bayern-Präsident mit in Zornesröte im Gesicht liegt noch immer im Bereich des Möglichen.