Passend zur Veröffentlichung unseres „Panini“-Albums erzählen 11FREUNDE-Redakteure von ihren schönsten Erlebnissen mit Fußball-Sammelbildchen. Heute: Wie Michael Bradley der Liebe im Weg stand.
Ich bin in der DDR aufgewachsen, und wir hatten bekanntlich nichts, nicht einmal Panini-Bildchen. Dabei hätte es die passenden Fußballer durchaus gegeben. Hans-Uwe Pilz, Thorsten Gütschow oder Heiko Scholz: Eigentlich war die gesamte DDR-Oberliga eine Ansammlung flockiger Vokuhilas. Aber nichts da. Ein „VEB Abziehbildchen“ sollte es nie geben. Vielleicht lag es daran, dass die DDR ohnehin eine einzige Tauschgesellschaft war. Also sammelten wir als Kinder Kastanien, Leergut oder Altpapier, bekamen dafür ein paar Pfennige und kauften uns, was immer der Konsum hergab.
Auch nach der Wende hatte ich mit Panini-Stickern nichts am Hut. Das änderte sich erst zur Weltmeisterschaft 2010. Seit einigen Jahren hatte ich meine Stammbar, in der ich Woche für Woche Bundesliga schaute. Freunde von mir arbeiteten dort, und manchmal half auch ich hinterm Tresen aus. Während der WM war ich mehr in dieser Bar als zu Hause. Was an den drei Spielen pro Tag lag, und an Anna.
Glitzersticker des Ladens
Anna stand hinter der Theke und war wunderschön. Der Glitzersticker des Ladens. Und Anna war nett. Wenn ich mal wieder mehr getrunken hatte, als es mir mein studentisches Portemonnaie erlaubte, rundete sie meinen Deckel auf ein erträgliches Maß ab oder gab mir ein Bier aus. Kurzum: Ich war verliebt.
Als ich mitbekam, dass Anna, die sich eigentlich nicht viel aus Fußball machte, zur Weltmeisterschaft völlig im Panini-Fieber war, war auch ich infiziert. Ich kaufte mir mein Starterpaket und ein paar Packungen und begann zu kleben und zu tauschen. Die ganze Stammkundschaft war in kindlicher Begeisterung. Bald stellte sich heraus, dass man vom Sammelverhalten leicht Rückschlüsse auf das Fantum des Sammlers vornehmen konnte. Da gab es den Statistiker, der jeden Tag mit einer aktualisierten Liste in die Bar kam, auf der detailliert vermerkt war, welche Sticker in welcher Anzahl bereits in seinem Besitz waren und welche noch fehlten. Das waren meistens Stuttgart oder Nürnberg-Fans.
Der beste Freund vom Statistiker war der Vielkäufer. Der wollte einfach so schnell wie möglich seine Sammlung vollbekommen und kaufte so viele Packungen, dass es billiger gekommen wäre, hätte er sich direkt bei Panini das vollständige Heft bestellt. Das waren meistens Bayern-Fans. Und dann gab es mich. Ich war Anna-Fan. Mein Bestreben war es, vor allem die Sticker in die Hände zu bekommen, die ihr noch fehlten.
So kam Michael Bradley ins Spiel, Sticker-Nummer 210. Das war der einzige Sticker, der Anna noch fehlte. Das war meine Chance. Mir war klar, wenn ich ihr Michael Bradley schenken würde, könnte Anna nicht mehr umhin sich auch in mich zu verlieben. Michael Bradley aber war Mangelware. Also ging ich zum nächsten Kiosk und wurde zum Vielkäufer. Ich weiß nicht mehr, wie viele Packungen es waren oder was ich dafür ausgegeben habe, nur noch, dass ich mir dadurch sehr viele Wayne Rooneys und doch nicht einen Michael Bradley gekauft hatte. Also versuchte ich, mit den Listen führenden Statistikern ins Geschäft zu kommen. Verhandlungsmasse hatte ich inzwischen genug. Ich tauschte die Wayne Rooneys gegen seltenere Exemplare, aber auch hier: Kein Michael Bradley.
Schmerz der Erinnerung
Dann gewann Deutschland gegen England mit 4:1. In der Bar brachen alle Dämme. Irgendwann im Rausch des Abends hörte ich aus einer Ecke des Raumes die magische Zahl: 210. Und sah, wie Sticker ihren Besitzer wechselten. Ich stürzte durch den Laden, das musste es sein, und tatsächlich: Michael Bradley. Ich bot meinen kompletten Bestand doppelter Bilder, versicherte meinem Gegenüber, dass Bradley bei weitem keine Seltenheit sei, er nur der einzige wäre, der mir noch fehlen würde, und bekam, wonach ich so lange gegiert hatte. Beseelt flog ich weiter durch die Bar, auf der Suche nach Anna, und fand sie an den Lippen eines mir völlig Unbekannten. Ein bisschen sah er aus wie Michael Bradley, denke ich mir heute, aber das ist sicher nur der Schmerz der Erinnerung. Ich machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in die Nacht. Am nächsten Tag verschenkte ich alle Panini-Bilder an den Sohn eines Freundes. Ich habe seither nie wieder einen Sticker in die Hand genommen.
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