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Ich bin in der DDR auf­ge­wachsen, und wir hatten bekannt­lich nichts, nicht einmal Panini-Bild­chen. Dabei hätte es die pas­senden Fuß­baller durchaus gegeben. Hans-Uwe Pilz, Thorsten Güt­schow oder Heiko Scholz: Eigent­lich war die gesamte DDR-Ober­liga eine Ansamm­lung flo­ckiger Vokuh­ilas. Aber nichts da. Ein VEB Abzieh­bild­chen“ sollte es nie geben. Viel­leicht lag es daran, dass die DDR ohnehin eine ein­zige Tausch­ge­sell­schaft war. Also sam­melten wir als Kinder Kas­ta­nien, Leergut oder Alt­pa­pier, bekamen dafür ein paar Pfen­nige und kauften uns, was immer der Konsum hergab.

Auch nach der Wende hatte ich mit Panini-Sti­ckern nichts am Hut. Das änderte sich erst zur Welt­meis­ter­schaft 2010. Seit einigen Jahren hatte ich meine Stammbar, in der ich Woche für Woche Bun­des­liga schaute. Freunde von mir arbei­teten dort, und manchmal half auch ich hin­term Tresen aus. Wäh­rend der WM war ich mehr in dieser Bar als zu Hause. Was an den drei Spielen pro Tag lag, und an Anna.

Glit­zer­sti­cker des Ladens

Anna stand hinter der Theke und war wun­der­schön. Der Glit­zer­sti­cker des Ladens. Und Anna war nett. Wenn ich mal wieder mehr getrunken hatte, als es mir mein stu­den­ti­sches Porte­mon­naie erlaubte, run­dete sie meinen Deckel auf ein erträg­li­ches Maß ab oder gab mir ein Bier aus. Kurzum: Ich war ver­liebt.

Als ich mit­bekam, dass Anna, die sich eigent­lich nicht viel aus Fuß­ball machte, zur Welt­meis­ter­schaft völlig im Panini-Fieber war, war auch ich infi­ziert. Ich kaufte mir mein Star­ter­paket und ein paar Packungen und begann zu kleben und zu tau­schen. Die ganze Stamm­kund­schaft war in kind­li­cher Begeis­te­rung. Bald stellte sich heraus, dass man vom Sam­mel­ver­halten leicht Rück­schlüsse auf das Fantum des Samm­lers vor­nehmen konnte. Da gab es den Sta­tis­tiker, der jeden Tag mit einer aktua­li­sierten Liste in die Bar kam, auf der detail­liert ver­merkt war, welche Sti­cker in wel­cher Anzahl bereits in seinem Besitz waren und welche noch fehlten. Das waren meis­tens Stutt­gart oder Nürn­berg-Fans.

Der beste Freund vom Sta­tis­tiker war der Viel­käufer. Der wollte ein­fach so schnell wie mög­lich seine Samm­lung voll­be­kommen und kaufte so viele Packungen, dass es bil­liger gekommen wäre, hätte er sich direkt bei Panini das voll­stän­dige Heft bestellt. Das waren meis­tens Bayern-Fans. Und dann gab es mich. Ich war Anna-Fan. Mein Bestreben war es, vor allem die Sti­cker in die Hände zu bekommen, die ihr noch fehlten.

So kam Michael Bradley ins Spiel, Sti­cker-Nummer 210. Das war der ein­zige Sti­cker, der Anna noch fehlte. Das war meine Chance. Mir war klar, wenn ich ihr Michael Bradley schenken würde, könnte Anna nicht mehr umhin sich auch in mich zu ver­lieben. Michael Bradley aber war Man­gel­ware. Also ging ich zum nächsten Kiosk und wurde zum Viel­käufer. Ich weiß nicht mehr, wie viele Packungen es waren oder was ich dafür aus­ge­geben habe, nur noch, dass ich mir dadurch sehr viele Wayne Roo­neys und doch nicht einen Michael Bradley gekauft hatte. Also ver­suchte ich, mit den Listen füh­renden Sta­tis­ti­kern ins Geschäft zu kommen. Ver­hand­lungs­masse hatte ich inzwi­schen genug. Ich tauschte die Wayne Roo­neys gegen sel­te­nere Exem­plare, aber auch hier: Kein Michael Bradley.

Schmerz der Erin­ne­rung

Dann gewann Deutsch­land gegen Eng­land mit 4:1. In der Bar bra­chen alle Dämme. Irgend­wann im Rausch des Abends hörte ich aus einer Ecke des Raumes die magi­sche Zahl: 210. Und sah, wie Sti­cker ihren Besitzer wech­selten. Ich stürzte durch den Laden, das musste es sein, und tat­säch­lich: Michael Bradley. Ich bot meinen kom­pletten Bestand dop­pelter Bilder, ver­si­cherte meinem Gegen­über, dass Bradley bei weitem keine Sel­ten­heit sei, er nur der ein­zige wäre, der mir noch fehlen würde, und bekam, wonach ich so lange gegiert hatte. Beseelt flog ich weiter durch die Bar, auf der Suche nach Anna, und fand sie an den Lippen eines mir völlig Unbe­kannten. Ein biss­chen sah er aus wie Michael Bradley, denke ich mir heute, aber das ist sicher nur der Schmerz der Erin­ne­rung. Ich machte auf dem Absatz kehrt und ver­schwand in die Nacht. Am nächsten Tag ver­schenkte ich alle Panini-Bilder an den Sohn eines Freundes. Ich habe seither nie wieder einen Sti­cker in die Hand genommen.

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