Im Prozess gegen Sergej W. äußern sich Ex-Trainer Thomas Tuchel und mehrere BVB-Spieler. Es wird klar: Die Spieler leiden noch immer. Und der Verein hat nach dem Anschlag Fehler gemacht.
Als Thomas Tuchel nach seiner Aussage den Raum 130 des Dortmunder Landgerichts verlässt, steht eine Frau auf den Zuschauerbänken auf. Sie applaudiert dem ehemaligen Trainer der Borussia. Als wenn der Prozess gegen Sergej W. eine Podiumsdiskussion wäre. Als wenn es darum gehen würde, ob und aus welchen Umständen Tuchel Dortmund hat verlassen müssen. Als wenn es um die Klärung der Schuldfrage in diesem ermüdenden, vergessen geglaubten Glaubensstreit zwischen den Bewunderern des Fußballtrainers und denen des Fußballvereins ginge.
Tuchel also gehören nach seinem Auftritt die Schlagzeilen. Sie überlagern die starken, die klaren Aussagen der anderen Zeugen an diesem zehnten Verhandlungstag im historischen Prozess gegen den 28-jährigen Sergej W. Dieser hatte bereits Anfang Januar gestanden, drei Explosionen ausgelöst zu haben. Er habe eine möglichst realistisches Terrorszenario kreieren, und niemanden verletzten wollen. Er habe den Verein nachhaltig schaden wollen, um aus einbrechenden Aktienkursen Kapital zu schlagen. In diesem Prozess geht es um die Frage, ob Sergej W. mit dem Anschlag den Tod der Insassen des Busses in Kauf genommen hat. Es geht um versuchten Mord. 28-fach. Das wird ihm zur Last gelegt.
Was macht so ein Anschlag mit denen, die ihn durchleben mussten?
Es geht nicht um Thomas Tuchel, es geht nicht um Hans-Joachim Watzke. Es geht um andere Fragen. Die juristischen Fragen klärt das Gericht. Die anderen nicht. Die großen aus sportlicher Sicht: Was macht so ein Anschlag mit denen, die ihn durchleben mussten? Was macht diese Inszenierung des Terrors mit dem Verein? Kann man die Spieler, kann man den Verein aktuell nach normalen Maßstäben beurteilen?
Am Montag gibt es im Dortmunder Landgericht dazu keine Antworten, aber Andeutungen. Der Anschlag verunsichert die Spieler zutiefst. Sie haben noch mit den Folgen zu kämpfen, und sie wissen, dass es dauern wird. Manche sind schreckhafter, manche haben wiederkehrende Träume, alle wurden durch die Ladung wieder an das Ereignis erinnert. Manchen nehmen psychologische Hilfe in Anspruch. All das erzählen Felix Passlack, Sven Bender, Marcel Schmelzer und Roman Weidenfeller am Montag. Sergej W. schaut in die Leere. Niemand ihn an.
Maschinen müssen funktionieren, Menschen nicht
Wir sind Menschen, wir sind keine Maschinen, betonen die Spieler. Manchmal ist die öffentliche Vorstellung eine andere. Maschinen müssen funktionieren, Menschen nicht. Das ist der Unterschied, den die vier Fußballprofis immer wieder betonen. Am 12. April, nicht einmal 24 Stunden nach dem Anschlag, waren sie bereits wieder Maschinen in der Manege. Eine Woche später ging es wieder um Ballzirkulation, um die Halbräume, um Ballbesitzzeiten. Alles raushauen!