Im vergangenen Sommer rettete sich der albanische Erstligist FK Vllaznia nur knapp vor dem Abstieg. Dann wurde Thomas Brdaric Trainer und machte die Mannschaft zum Titelkandidaten. Über Albaniens neuen Startrainer.
Über den Profifußball in Albanien wurde schon so einiges geschrieben. Zumeist negatives. So berichtet Lutz Pfannenstiel in seiner Biographie beispielsweise über ein Spielfeld voller Glasscherben. Eine andere Anekdote erzählt von einem Schiedsrichter, der in der Halbzeitpause von Polizisten festgehalten wird. Nicht aus Jux, sondern damit der verärgerte Vereinspräsident der Gästemannschaft mit seinen Schuhen in der Hand gegen den Kopf des Unparteiischen dreschen kann. Neben diesen Geschichten geraten immer wieder Wettskandale ans Tageslicht. Zuletzt sorgte eine Strafe des Internationalen Sportgerichtshof CAS für Aufsehen. Dabei wurde der albanische Verein KF Skenderbeu für zehn Jahre von allen europäischen Klubwettbewerben verbannt und musste zudem eine Strafe von eine Millionen Euro zahlen.
Als Thomas Brdaric im vergangenen Sommer Cheftrainer des albanischen Erstligisten FK Vllaznia Shkodra wurde, dürfte ihm dementsprechend klar gewesen sein, dass er in keiner ganz gewöhnlichen Liga gelandet war. Und auch keine leichte Aufgabe auf ihn wartete. Der Verein hatte nur kurz zuvor seinen Platz in Albaniens höchster Spielklasse über ein Relegationsspiel gesichert. Die vergangenen Jahre waren ohnehin schon geprägt von finanziellen Problemen, sportlichen Misserfolgen und unzähligen Trainerwechseln. Entsprechend groß war die Hoffnung des Klubs, als der ehemalige deutsche Nationalspieler den Chefposten übernahm. Dass der Verein nach der Halbserie Tabellenprimus ist, dürfte jedoch auch die größten Optimisten überraschen.
Weil der albanische Fußballverband und die Politik monatelang im Zwist um Steuersenkungen im Zuge der Coronakrise lagen, wurde der Start in die Saison 2020/2021 mehrmals verschoben. Thomas Brdaric hatte mehr als ausreichend Zeit, seine Mannschaft vorzubereiten und auf sein System einzustellen: „Es ist wie im neunten Monat schwanger zu sein, es muss jetzt langsam mal losgehen. Die Wartezeit war lange genug“, sagte ein ungeduldiger Brdaric im Sommer gegenüber dem Portal Sportbuzzer.
Als die neue Saison dann endlich geboren wurde, spielte FK Vllaznia groß auf und gewann Spiel nach Spiel. In zwanzig Spielen kassierte seine Mannschaft gerade einmal zwölf Gegentore. Spitzenwert. Insgesamt gingen nur drei Spiele verloren. Brdaric hat seine Mannschaft vor allem defensiv gut aufgestellt und spielt bevorzugt mit einer Dreierkette im 3 – 5‑2-System. Offensiv dagegen brennt die Mannschaft des ehemaligen Stürmers selten ein Feuerwerk ab. Gleich sieben Spiele endeten schnörkellos mit 1:0. Aber auch ohne Spektakel wird Thomas Brdaric von der Presse gefeiert. Nicht nur, wenn er sich bei den Pressekonferenzen und Interviews, in denen er eigentlich zwischen Deutsch, Englisch und Kroatisch changiert, mal auf der Landessprache des Balkanstaates bedankt.
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