Heribert Bruchhagen hätte Lehrer bleiben können. So aber prägte er über Jahrzehnte die Bundesliga. Heute wird er 70 Jahre alt, hier erzählt er seine schönsten Geschichten.
Gegen den Mainstream
Als ich Ende 2003 Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt wurde, war noch Willi Reimann dort Trainer, dem das Verdienst gebührt, Alexander Meier entdeckt zu haben. Nach dem Bundesligaabstieg im Sommer 2004 haben wir dann aber Friedhelm Funkel verpflichtet, und das, obwohl ich anfangs gar nicht richtig von ihm überzeugt war. Doch er erwies sich als Volltreffer, der in seinen fünf Jahren bei der Eintracht einen richtigen Neuaufbau gestaltet hat, mit Meier, Köhler, Russ und Ochs. Funkel hat hervorragend gearbeitet, bei ihm sieht man, wie Fleiß bloßes Marketing schlägt. Dass ich ihn immer wieder gegen Angriffe verteidigen musste, hat mir nichts ausgemacht. Denn das ist doch die Aufgabe eines Managers: gegen den Mainstream zu arbeiten, oder nicht?
Der Junge aus Buchholz
Seine Mutter wollte ihn anfangs nicht ziehen lassen und sagte: „Frankfurt? Da sind die Leute doch alle kriminell.“ Alex Meier wohnte damals noch zu Hause in Buchholz unterm Dach, als wohlbehütetes Einzelkind von ganz tollen Eltern. Für mich gibt es bis zum heutigen Tag keinen Fußballer, bei dem Bescheidenheit und Können so zusammenkommen wie bei Alexander Meier.
Als er vor einem Jahr die Torjägerkrone überreicht bekam, war das vielleicht der schönste Moment in meiner Zeit als Vorstandsvorsitzender. Dass einer, den man fast von Kindheit an begleitet und unterstützt hat, vor einem Aubameyang oder Lewandowski die Torschützenliste anführt, das ist etwas ganz Besonderes. Und dass in Frankfurt alle Menschen böse sind, hat sich glücklicherweise auch nicht bewahrheitet.
Stollenschuh-Trainer
Man hat mir stets nachgesagt, ich hätte eine Vorliebe für die Pragmatiker unter den Trainern. Das mag schon sein, andererseits habe ich mit Christoph Daum bewusst etwas Anderes versucht, weil man mir immer vorgeworfen hat: „Du und deine Konservativen!“ Leider hat es nicht funktioniert, obwohl Daum fleißig und akribisch war. Auch Armin Veh war nun wirklich kein klassischer StollenschuhTrainer.
Letztlich wählt man doch einen Trainer aus, weil in der Stoffsammlung das Positive gegenüber dem Negativen überwiegt. Was Entlassungen und Abfindungen angeht, bin ich in der Bundesliga Tabellenletzter, und dazu stehe ich. Was ich nicht begreife: Dass alle immer nur sagen, der oder der Trainer sei zu spät entlassen worden! Es findet sich keine Geschichte, wo die Medien später sagen, den Mann hätte man besser behalten sollen. Der Vorgang der Entlassung wird immer als gut empfunden. Warum ist das so? Da bin ich noch auf der Suche nach einer Antwort.
Onkel Dagobert
Die kleine Dagobertfigur stand bis zum Schluss auf meinem Schreibtisch. Wer sie dort hingestellt hat, weiß ich nicht, aber es gibt eindeutige Indizien. Ich denke, dass Stefan Aigner und Alex Meier in die Sache verwickelt sind, vielleicht noch andere. Das Sparer-Image hat mich nie gestört, außerdem ist es Quatsch. Ich habe ein Eigenkapital von fünf Millionen Euro nie unterschritten, alles andere habe ich ausgegeben. Das Eigenkapital war ein Risikopuffer, abgestimmt mit dem Aufsichtsrat.
Ich war immer davon überzeugt, das Richtige zu tun, und glaube, dass ich nach dreizehn Jahren bei Eintracht Frankfurt erreicht habe, dass der Realitätssinn im Umfeld größer geworden ist. Seit es die Bundesliga gibt, war Eintracht Frankfurt nie Deutscher Meister oder auch nur Zweiter. In der Ewigen Tabelle liegt der Verein auf Platz 11, im TV-Ranking auf Platz 12. Das Argument, angesichts der Banken in Frankfurt müsste doch viel mehr möglich sein, wird auch meine Nachfolger verfolgen. Fredi Bobic hat übrigens den Wunsch geäußert, die Dagobertfigur zu behalten.
Drama zum Abschied
Nach einer so langen Zeit im Amt ist die Abstiegsrelegation der Wahnsinn: Noch 24 Minuten zu spielen, und du brauchst unbedingt ein Tor! Ich wusste, dass Nürnberg mit jeder Minute stärker wird, obwohl sie nicht wirklich stark waren, und dass wir immer hektischer und nervöser werden. Wenn man sich überlegt, wie viele Mitarbeiter man hat und was ein Abstieg in die zweite Bundesliga bedeutet – und auch wie die eigene Arbeit bewertet würde, da ist man sicher ein wenig eitel –, dann ist solch ein Sieg eine große Erlösung. Danach war ich vielleicht ein bisschen überemotional, wie man an diesem Foto sieht, das überall kursierte. Freunde haben mir eine SMS geschickt: „Hast du das Tor geschossen?“ So wie ich mich da habe fotografieren lassen, sieht es tatsächlich so aus.
Stressjob Bundesliga?
Das ist nur ein Mythos. Wir verdienen ja alle ein paar hunderttausend Euro und müssen deshalb den Eindruck erwecken, permanent gestresst und am besten mit zwei Handys am Ohr im Trainingslager am Spielfeldrand zu telefonieren. Die Wahrheit ist allerdings eine ganz andere. Man hat ja Mitarbeiter und im besten Fall einen ganzen Apparat um sich herum. Sicher, man hat zweifellos einen Job, der sich dann, wenn sich die Ergebnisse nicht einstellen, hart ist – weil man einer sehr kritischen Bewertung unterliegt. Und natürlich muss man Entscheidungen treffen können.
Fußballmanagement hat keine Grammatik, es gibt keine physikalischen Gesetze, an denen man sich orientieren kann. Vieles ist Abwägungssache, und bei dieser Abwägung kann man sich nur wenigen Menschen anvertrauen. Aber in den Abläufen ist das inzwischen alles so sehr professionalisiert, dass das kein wirklich schwerer Job ist. Davon, dass ich einmal ein Bestandteil der Bundesliga sein würde, habe ich als Kind in der Schülermannschaft der TSG Harsewinkel allenfalls geträumt. Deshalb bin ich für all das, was seitdem passiert ist, sehr dankbar.