Markus Steinhöfer steht mit dem FC Basel im Europa-League-Halbfinale gegen den FC Chelsea. Wir sprachen mit dem deutschen Legionär über den Schweizer Fussball, die Europa League und seine Beziehung zu Thorsten Fink.
Markus Steinhöfer, kaum eine Nation ist im schweizerischen Profifussball so selten vertreten wie Deutschland. Neben Dejan Janjatovic vom FC St. Gallen sind Sie der einzige Deutsche in der Super League. Fühlen Sie sich als Exot?
(lacht) Nein, nein, so weit würde ich nicht gehen. Es ist ein deutschsprachiges Land und das erleichtert vieles. Aber ich weiß natürlich, dass es etwas besonderes ist und wir beiden die einzigen sind.
Woran könnte das liegen?
Das weiß ich nicht. Früher war es ja durchaus anders. Vielleicht kann ich es heute als eine Art Privileg ansehen. Ich bin jedenfalls wahnsinnig froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe.
Was hat Sie überhaupt zu diesem Wechsel bewogen?
Der Hauptgrund war Thorsten Fink, der damals noch Trainer beim FC Basel war. Wir haben kurz vor seinem Karriereende noch in der zweiten Mannschaft der Bayern zusammengespielt. Als ich dann zu RB Salzburg gewechselt bin, war er dort unter Giovanni Trapattoni Assistenztrainer. Mir war damals schon klar, dass er mal ein guter Cheftrainer werden wird. Deshalb habe ich keine Sekunde gezögert, als er mich im Winter 2011 kontaktiert hat. Ich habe mich noch kurz mit meinem ehemaligen schweizer Mannschaftskollegen Pirmin Schwegler, der gleichzeitg auch mein Nachbar war, unterhalten und dann ging alles ganz schnell.
Bei Eintracht Frankfurt erhielten Sie zuvor lediglich 60 Einsatzminuten in der gesamten Hinrunde.
Ja, Michael Skibbe wollte mich nicht. Er sagte mir immer, dass ich gut trainiere. Am Ende habe ich aber nie gespielt. Deshalb musste und wollte ich mich verändern.
Welchen Stellenwert hat die Super League im Vergleich zur östereichischen und zur deutschen Bundesliga?
Ich glaube, man sieht es auch an der Nationalmannschaft, dass der schweizerische Fußball enorme Fortschritte macht. Ein Xherdan Shaqiri, der vor dieser Saison aus Basel zu den Bayern gewechselt ist und dort inzwischen für Furore sorgt, ist da ein gutes Beispiel. Das ist kein Zufall. Deshalb würde ich die Schweiz auf jeden Fall vor Österreich einordnen. Im Vergleich zu Deutschland fehlen natürlich die großen Stadien und auch die Bandbreite an konkurrenzfähigen Mannschaften. Aber als Spieler des FC Basel ist es schwer, sich über die anderen schweizerischen Verein ein Bild zu machen.
Inwiefern?
Der FC Basel ist der Top-Klub der Schweiz und wird auch so geführt. Dementsprechend unterscheidet er sich nicht von einem Bundesligaverein. Es geht hier also nicht so zu wie beispielsweise beim FC Sion, wo der Präsident immer wieder vor Gericht zieht. Solche Dinge sind natürlich schlecht für die Außendarstellung der Liga.
Sie haben bereits die deutlich kleineren Stadien angesprochen. Muss sich ein Bundesligaprofi, der bisher meist vor mindestens 30.000 Zuschauern aufgelaufen ist, in dieser Hinsicht umstellen?
Es ist sicher eine Umstellung, aber man muss zwischen Heim- und Auswärtsspielen unterscheiden. Als ich neu hierhin kam, hat Thorsten Fink auch mit mir darüber gesprochen und mich darauf vorbereitet, dass auswärts deutlich weniger Zuschauer zu den Spielen kommen. Die Atmosphäre ist deshalb etwas anders. Aber auch in diesem Zusammenhang tut sich etwas. In den knapp zweienhalb Jahren, in denen ich jetzt in der Schweiz spiele, haben noch zwei, drei Vereine ein neues Stadion bekommen. Die Liga wird immer weiter aufpoliert.
Den Schweizern eilt ja immer der Ruf voraus, eher ruhig und überlegt aufzutreten. Macht sich dieses Klischee auch in der Fankultur bemerkbar?
Das lässt sich nicht pauschal für die ganze Schweiz sagen. Basel ist eine absolut fußballverrückte Stadt. Wir sind in den vergangenen beiden Jahren zweimal Meister geworden und es kamen jeweils 50.000 bis 60.000 Menschen auf den Barfüsser Platz in der Innenstadt. Ich habe zuletzt noch eine Sendung im Fernsehen gesehen, in der die Top Fünf der Meisterfeiern in Europa gekürt wurden. Da waren wir mit dabei. Basel muss sich also keinesfalls vor Deutschland verstecken.
Sie scheinen sich in Basel sehr wohl zu fühlen. Auch die schweizerischen Medien hatten Sie schnell ins Herz geschlossen und lobten Sie besonders für Ihre rasante Integration. Hatten Sie nicht mal Probleme mit dem recht eingenwillig klingenden Schweizerdeutsch?
Hochdeutsch und Schweizerdeutsch sind schon etwas unterschiedlich. Aber für mich ist es sehr schnell ganz normal geworden. Meine Mannschaftskameraden reden auch nur noch Schweizerdeutsch mit mir, antworten muss ich allerdings auf Hochdeutsch. Insgesamt hat es eigentlich wirklich nur ein bis zwei Woche gedauert bis ich mich hier wohl gefühlt habe. Eine schnelle Integration war auch wichtig, um direkt auf dem Platz Leistung zeigen zu können.
Abseits des Fußballs zieht es immer mehr Deutsche in die Schweiz. Ist die Lebensqualität in der Schweiz höher?
Ich muss gestehen, dass ich vorher nicht viel über die Schweiz wusste. Aber seit den vergangenen zweinhalb Jahren kann ich schon sagen, dass es wohl kaum ein schöneres Land zum Leben gibt. Man hat hier Berge, man hat die Seen und dazu noch ein warmes Klima. Vielleicht ist die Lebensqualität also minmal höher als in Deutschland, aber dafür ist das Leben auch wesentlich teurer (lacht).
Sportlich könnte es für Sie auch kaum besser laufen. Sie sind Stammspieler und stehen nun dank eines 4:1‑Erfolgs im Elfmeterschießen gegen Tottenham Hotspur im Europa-League-Halbfinale – der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte des FC Basel. Wie haben Sie diese spektakuläre Europapokalnacht erlebt?
Wir haben in Tottenham ein Wahnsinnsspiel gemacht, wussten aber gleichzeitig, dass das Rückspiel schwierig werden würde. Es wurde eine emotionale Achterbahnfahrt. Das Drehbuch hatte an diesem Abend wohl ein Elfmeterschießen vorgesehen. Als unser Sieg letztendlich feststand, war es einfach Freude pur. Das lässt sich nicht mit Worten beschreiben. Man kann die Emotionen vielleicht mit den Champions-League-Erfolgen gegen Manchester und die Bayern aus der vergangenen Saison vergleichen.
Dabei wird die Europa League zumeist nur noch als Auslaufmodell abgestempelt.
Als wir die Champions-League-Qualifikation gegen Cluj verpasst hatten, sagte ein Journalist auf einer Pressekonferenz: „Es ist nur die Europa League“. Ich finde diese Aussage ein wenig despektierlich, denn es ist immer noch ein Wettbewerb bei dem man sich mit Top-Mannschaften aus ganz Europa misst, den sollte man nicht unterschätzen.Wir haben zum Beispiel in dieser Saison schon gegen Sporting Lissabon, Zenit St. Petersburg und Tottenham gespielt. Es kann eben nicht jeder in die Champions League. Es würde etwas fehlen, wenn es die Europa League nicht mehr geben würde.
Im Halbfinale trifft der FC Basel nun auf den FC Chelsea – ein Wunschlos?
Ich hätte mir Chelsea lieber für das Finale aufgehoben und gegen Fenerbahce gespielt. Aber durch die Siege gegen Manchester in der letzten Champions-League-Saison und den Sieg gegen Tottenham vor ein paar Wochen haben wir uns großen Respekt in England verschafft. Wir wissen, was wir können und müssen deshalb nicht mit zitternden Knien nach London fahren.
Haben Sie eine Erklärung, warum Ihnen die englischen Teams so gut liegen?
Gegen Manchester und Tottenham haben wir einfach versucht, unser Spiel beizubehalten und uns nicht zu verstecken. Es war immer ein Kampf mit offenem Visier. Die Engländer haben ähnlich offensiv agiert wie wir. Vielleicht liegt uns diese Spielweise ein wenig.
Müssen Sie sich eigentlich manchmal kneifen, wenn Sie daran denken, dass Sie noch vor zwei Jahren bei der Eintracht auf der Bank saßen und sich inzwischen Woche für Woche mit den großen Mannschaften Europas messen dürfen?
Nein. Das war eben auch ein Grund, warum ich mich für den FC Basel entschieden habe. Ich hatte das internationale Geschäft immer im Hinterkopf. Mein erstes Champions-League-Spiel war dann allerdings schon ein ganz besonderer Moment. Acht Monate lang saß ich in Frankfurt fast nur auf der Bank oder sogar auf der Tribüne und hatte zu diesem Zeitpunkt fast nicht mehr daran geglaubt, irgendwann mal in der Champions League spiele zu dürfen. Plötzlich stand ich auf dem Platz und hörte die Champions-League-Hymne, die jedem Fußballer eine Gänsehaut verschafft. Das war schon Wahnsinn.
Als Sie in der A‑Jugend vom 1.FC Nürnberg zum FC Bayern wechselten, galten Sie als eines der größten deutschen Talente. Was hat Ihren Durchbruch in Deutschland verhindert?
Mir wurde damals beim FC Bayern ein großes Talent attestiert. Mit 18 saß ich unter Ottmar Hitzfeld sogar einmal bei einem Bundesligaspiel auf der Bank. Dann kam Felix Magath und er war kein großer Fan von mir. Ab diesem Zeitpunkt hat sich das Blatt für mich gewendet. Bei der U‑19-Europameisterschaft 2005 habe ich mir dann noch das zweite Mal das Innenband gerissen und musste acht Wochen pausieren. In dieser Zeit haben andere Spieler einen Schritt vorne gemacht haben. Ich habe am Ende der Saison gemerkt, dass es für mich schwierig wird. Deshalb habe ich mich nach Salzburg ausleihen lassen.
Denken Sie oft darüber nach, wie Ihre Karriere verlaufen wäre, wenn Sie diese Verletzungen nicht gehabt hätten?
Ich hätte es natürlich gerne bei den Bayern gepackt, aber die unglücklichen Umstände haben es eben nicht zugelassen. Ich hatte trotzdem eine sehr schöne Zeit in München. Letztendlich ist alles gut so, wie es gekommen ist. Ich trauere dem Ganzen deshalb nicht nach.
Ihr ehemaliger Mitspieler bei den Bayern, Timo Heinze, beschreibt in einem Buch, wie er an dem großen Druck zerbrochen ist. Ging es Ihnen in dieser schwierigen Zeit einmal ähnlich?
Ich habe mir sein Buch direkt gekauft und bin gerade dabei, es zu lesen. Der Druck bei Bayern war wahnsinnig hoch. Wir waren gerade erst 17, 18 Jahre alt und mussten uns verhalten wie Männer, obwohl wir eigentlich noch keine waren. Das ist schwierig und daran scheitern dann viele. Im Nachhinein bin ich aber froh, dass bei Bayern dieser Druck herrschte. Wenn man damit aufwächst, fällt es einem später leichter, im Profi-Fußball zu bestehen. Der Umgang mit dem ungeheuer großen Druck, gibt am Ende den Ausschlag, ob man erfolgreich ist oder nicht.
In dieser Phase ist auch Ihr Kontakt zu Thorsten Fink entstanden. Wie würden Sie Ihr Verhätnis zu ihm beschreiben?
Ich kam damals als A‑Jugendlicher in die zweite Mannschaft, in der Thorsten Fink zum Ende seiner Karriere gespielt hat. Er war dort Kapitän und hatte die Aufgabe uns junge Spieler an die Hand zu nehmen. Dabei bin ich ihm aufgefallen und wir haben uns seitdem nicht aus den Augen verloren. In Salzburg und in Basel haben sich unsere Wege dann wieder gekreuzt.
Thorsten Fink ist aktuell Trainer beim Hamburger SV und könnte noch einen guten Abwehrspieler gebrauchen. Wäre das nicht die perfekte Konstellation, um in die Bundesliga zurückzukehren?
(lacht) Ich verfolge natürlich seinen Weg in Hamburg und freue mich für ihn, wenn er gewinnt. Ich habe immer gesagt, dass die Bundesliga für mich als Deutscher noch einmal ein Ziel ist. Mein Vertrag läuft im Sommer aus und dann werden wir sehen, wo die Reise hin geht oder ob ich beim FC Basel bleibe. Aber wenn beim HSV Bedarf besteht, würde ich mir das sicherlich anhören.