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Seite 2: Die Jagd auf Zoffs Rekord

So ist das eben bei Tor­hü­tern – was in Erin­ne­rung bleibt, das sind meis­tens die Patzer. Vor allem im Fall von Walter Zenga ist das fast schon tra­gisch, denn der Ita­liener war einer der besten Keeper seiner Gene­ra­tion. Viel­leicht sogar mehr als das; immerhin wurde er zwi­schen 1989 und 1991 dreimal in Folge zum Welt­tor­hüter des Jahres ernannt. Die Inter-Tifosi liebten ihn, schließ­lich war er gebür­tiger Mai­länder, machte aus seiner tiefen Liebe für den Klub nie einen Hehl und gehörte – zusammen mit Brehme und Lothar Mat­thäus – zu der großen Elf, die 1989 end­lich wieder die Meis­ter­schaft holte.

Auch im Natio­nal­trikot konnte man sich auf ihn ver­lassen. Viel­leicht hätte seine inter­na­tio­nale Kar­riere schon früher begonnen als erst im Herbst 1986, wenn er nicht solch ein Hal­lodri gewesen wäre. Anfang 1985 wollte Enzo Bearzot ihn näm­lich in den Kader für das Spiel gegen Irland in Dublin berufen, doch zwei Tage lang war Zenga wie vom Boden ver­schluckt und für nie­manden zu errei­chen, nicht mal für den Natio­nal­trainer. (Laut Gaz­zetta dello Sport“ hatte er sich bei einer Freundin ver­steckt, um end­lich mal Ruhe vor den Frauen zu haben, die ihn nach dem Trai­ning so hys­te­risch ver­folgten, wie man das sonst nur aus Beatles-Filmen kennt.)

Seit Oktober ohne Gegentor

Der Höhe­punkt seiner Kar­riere sollte die WM 1990 im eigenen Land sein. Zenga war in groß­ar­tiger Ver­fas­sung. Der berühmte ita­lie­ni­sche Jour­na­list Gianni Brera hatte ihm sogar einen der besten Spitz­namen aller Zeiten ver­passt: del­ta­plano – der Dra­chen­flieger. Der Begriff sollte aus­drü­cken, dass Zenga seine Stärken auf der Linie hatte und gerne durch die Luft flog, um Bälle noch aus dem Winkel zu fischen. Weil Brera ein kluger Kopf war, schwang in dem schönen Spitz­namen wahr­schein­lich auch ein klein wenig Kritik mit. Denn Zenga liebte die Flug­ein­lagen so sehr, dass man ihm manchmal vor­warf, er zeige lieber spek­ta­ku­läre Ret­tungs­taten auf der Linie, als raus­zu­kommen und Flanken schnöde abzu­fangen.

In dieser Hin­sicht war er ganz anders als die größte ita­lie­ni­sche Tor­wart-Ikone, der extrem sach­liche Dino Zoff. Und doch hörte man dessen Namen wäh­rend der WM 1990 immer öfter in Ver­bin­dung mit Walter Zenga. Denn Zoff hatte einst einen unfass­baren Rekord auf­ge­stellt: 1143 Minuten lang war er im Natio­nal­trikot ohne Gegen­treffer geblieben. Nun jedoch wackelte diese Best­marke. Seit einem 0:1 gegen Bra­si­lien im Oktober 1989 hatte man Zenga nicht mehr bezwungen. Vor dem Halb­fi­nale gegen Argen­ti­nien stand er bei 913 Minuten. Und in dieser ent­schei­denden Partie waren schon wieder 67 Minuten hin­zu­kommen, als Diego Mara­dona einen etwas rat­losen Pass raus zu Julio Olar­ti­coe­chea spielte.

Ita­lien lag durch ein Tor von Sal­va­tore Toto“ Schil­laci mit 1:0 in Füh­rung und dachte viel­leicht schon an das End­spiel gegen Deutsch­land. Denn obwohl man sich nach der Pause – nicht zuletzt im Ver­trauen auf Zenga – ein wenig zu weit zurück­ge­zogen hatte, strahlte eine höchst durch­schnitt­liche argen­ti­ni­sche Elf nur selten Gefahr aus. Auch Olar­ti­coe­chea fiel jetzt nicht mehr ein, als vom linken Straf­raumeck eine gelöf­felte, halb­her­zige Flanke in den Lauf von Claudio Caniggia zu schlagen, der in Rich­tung kurzer Pfosten eilte. Eine ganze Gene­ra­tion von Tifosi hat die nächsten zwei Sekunden auch dreißig Jahre später noch so deut­lich vor Augen, als wären sie ges­tern pas­siert.