Bei Fortuna Köln gab sich Roy Präger den Spitznamen „Chancentod“, später schoss er den VfL Wolfsburg in die Bundesliga – 174 Zentimeter geballte Energie eben. Heute hat er Geburtstag. Der Brandenburger Wirbelwind über teambildende Saunarituale, Bundeswehr-Biwaks und die längste Raupe der Welt.
Roy Präger, Ihr Sohn heißt Brian.
Nach Brian Laudrup, der zur Wendezeit für Uerdingen spielte. Ein dribbelstarker, quirliger Spieler, damals eine Art Vorbild für mich.
Gibt’s auch eine Geschichte zu Ihrem ungewöhnlichen Vornamen?
Jute Frage. Ehrlich gesagt bin ich nie auf die Idee gekommen, meine Eltern zu fragen. Wahrscheinlich stand Roy Black Pate – oder Roy Rogers? (Lacht.)
Ihr Jugendtrainer beim SC Kummersdorf war Ihr Vater. Später sagten Sie: „Der härteste Trainer, den ich je hatte.“
Er war der Coach der U10, mit der wir Kreismeister wurden. Wenn der eigene Vater trainiert, hat man als Kind natürlich ein besonderes Standing. Aber wenn ich die Klappe zu weit aufriss, nahm er mich runter. Bei ihm habe ich viel über Fairness und Teamplay gelernt.
Wollte Ihr Vater, dass aus Ihnen ein Fußballer wird?
Ach was. Ich konnte ein bisschen kicken, mit 14 gab es die Möglichkeit, auf die Sportschule nach Brandenburg wechseln. Ich hätte auch die Chance gehabt, zum 1. FC Magdeburg zu gehen, aber dafür reichten meine Fähigkeiten nicht ganz.
Wie war das Leben auf der Sportschule?
Bei einem großen Klub wie Magdeburg hätte ich zwei Mal am Tag trainiert und wäre quasi Profi gewesen. Bei der BSG Stahl Brandenburg war morgens Schule und am Nachmittag Training. Und am Wochenende heizte ich mit meiner gelben Simson die 80 Kilometer über Sperenberg und Beelitz wieder nach Hause.
Den langen Weg mit dem Moped zurück nach Kummersdorf?
Die Simson war eine Megamaschine, die fuhr locker 60 km/h.
Später absolvierten Sie im Stahl- und Walzwerk parallel zum Fußball eine Ausbildung als Industriemechaniker.
War eine schöne, anstrengende Zeit. Jeden Morgen um 5 Uhr ging ich vom Lehrlingswohnheim rüber ins Werk, zog meine Privatklamotten am Seil hoch und stand bis mittags bis zu den Schultern in der Schmiere, wenn wir wieder eine Walze austauschten.
Sie galten als Frechdachs. Wie kamen Sie bei den gestandenen Spielern von Stahl Brandburg an?
Ich stammte vom Dorf, glauben Sie mir, am Anfang war ich sehr schüchtern. Wenn die Alten in den Massageraum kamen, sprang ich sofort von der Liege auf und rief: „Leg dich hin, ich komm später noch mal wieder.“ Vor Typen wie Detlef Zimmer, Christoph Ringk, Uwe Schulz oder Eberhard Janotta hatte ich allergrößten Respekt.
Was haben Sie aus diesen frühen Jahren für die Profizeit mitgenommen?
In der Sportschule standen jeden Dienstagabend zwei Stunden Sauna auf dem Plan. Da mussten wir in den Katakomben bleiben und gemeinsam Zeit verbringen. Da wurde gequatscht und auch mal ein, zwei Bier getrunken. Der Dienstag hat sehr dazu beigetragen, dass das Zwischenmenschliche im Team gestärkt wurde. Deshalb habe ich diesen Abend später in Wolfsburg und beim HSV als festes Datum mit eingeführt, an dem wir uns als Mannschaft trafen. In der Bundesliga war es zwar nicht mehr verpflichtend, aber es kamen stets 12 bis 15 Leute. Und ich war immer dabei!
kam mit 14 Jahren zu Stahl Brandenburg. Als der Klub nach der Wende aus der zweiten Liga abstieg, wechselte er für drei Jahre zu Fortuna Köln. Mit dem VfL Wolfsburg (1995 – 99, 2002-05) gelang ihm der Erstligaaufstieg. Beim entscheidenden 5:4‑Sieg über Mainz im Mai 1997 erzielte er zwei Tore. Mit dem HSV (1999 – 2002) spielte er später sogar Champions League. In 173 Bundesligaspielen erzielte er 42 Tore. Heute leitet er die Fußballschule des VfL Wolfsburg.
Sie waren 18 Jahre alt, als die Mauer fiel. Mal überlegt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn die Wende nicht gekommen wäre?
Schwer zu sagen. Damals wollte ich um jeden Preis Fußball spielen. Ich hatte ein Angebot von Dynamo Fürstenwalde, damals so was wie das Ausbildungsteam des großen BFC Dynamo. Um es annehmen zu können, sollte ich mich nach meiner Ausbildung bei der Nationalen Volksarmee verpflichten. In den drei Jahren beim Militär wäre ich dann zu den Grenztruppen gekommen. Über die Konsequenzen habe ich mir damals keine Gedanken gemacht.
Hatten Sie vorher schon mit der Staatsmacht zu tun?
In der zehnten Klasse wurde ich mit einigen Teamkollegen ins Brandenburger Stasibüro geladen. Da saß so ein Dicker und fragte: Wie steht ihr zur DDR? Wir waren 16, und er machte uns deutlich: Wenn wir weiter Fußball spielen wollen, müssen wir uns mit dem Staat arrangieren. Zum Glück blieb es bei diesem einen Gespräch, wir waren noch zu jung, um der Stasi dienlich zu sein. Die Wende war auch so gesehen ein großes Glück für mich.