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In fast jeder Bun­des­liga-Saison ste­chen Keeper von Teams aus dem Tabel­len­keller mit heroi­schen Leis­tungen hervor. Oft emp­fehlen diese Tor­hüter sich für einen Wechsel zu einem bes­seren Verein – und bleiben, selbst wenn der eigene Klub absteigt, der Liga ent­halten. Kevin Trapp bei Kai­sers­lau­tern, Oliver Bau­mann und Roman Bürki beim SC Frei­burg oder Ørjan Nyland einst bei Ingol­stadt: Sie alle wech­selten von klei­neren“ Ver­einen zu grö­ßeren Bun­des­li­ga­klubs oder auf die Insel.

Ande­rer­seits gibt es auch die klas­si­schen Fahr­stuhl­keeper“, deren Leis­tungen vom geneigten Sport­schau-Publikum falsch wahr­ge­nommen werden. Durch die hohe Anzahl an geg­ne­ri­schen Schüssen können sie sich öfter aus­zeichnen als andere Keeper, ständig tau­chen sie in den Spieltag-High­lights auf.

Aller­dings ist nicht jeder Tor­hüter, der im Abstiegs­kampf mit tollen Paraden Auf­sehen erregt, auto­ma­tisch für die Bun­des­liga prä­de­sti­niert. Oft ver­zerrt das Mehr an Schüssen die eigent­liche Leis­tungs­fä­hig­keit und somit das öffent­liche Bild des Kee­pers.

Eigent­lich ist er zu klein!

In den ver­gan­genen Wochen und Monaten hat sich vor allem ein ver­meint­li­cher Ver­treter dieser Kate­gorie in den Vor­der­grund gespielt: Stefan Ortega.

Bei Auf­steiger Bie­le­feld hat der Deutsch-Spa­nier in dieser Saison bei­leibe genug Mög­lich­keiten, sich aus­zu­zeichnen. Nach 24 Spiel­tagen musste nur Schalke 04 mehr Schüsse auf das eigene Tor hin­nehmen als der Schluss­mann der Arminia. Auch wehrte kein Tor­hüter in der lau­fenden Spiel­zeit mehr Schüsse ab als Ortega (91).

Gegen Union Berlin oder den FC Bayern über­zeugte der gebür­tige Kas­seler mit her­aus­ra­genden Paraden und fiel zuvor bereits mit seinem oft eigen wir­kenden Tor­wart­spiel auf. Ortega ist mit 1,85 Metern Kör­per­größe ein ver­hält­nis­mäßig kleiner Schluss­mann in der Bun­des­liga, wes­halb er seine Spiel­weise an die Gege­ben­heiten ange­passt hat.

Er greift nicht daneben

Selten sieht man ihn durch den Straf­raum segeln oder Flanken abfangen. Von den 239 Her­ein­gaben, die laut Daten­an­bieter fbref​.com in den Bie­le­felder Straf­raum flogen, schnappte er sich ledig­lich 13 – also nur etwas mehr als fünf Pro­zent. Ein Wert, mit dem er im unteren Tabel­len­mit­tel­feld der Bun­des­liga-Keeper landet.

Aller­dings muss man ihm zugu­te­halten, dass er beim Abfangen von Flanken durchaus ent­schlossen ist. Wenn er sich näm­lich dazu ent­scheidet, seine Linie zu ver­lassen und den Ball zu atta­ckieren, hat Ortega eine Erfolgs­quote von erstaun­li­chen 87 Pro­zent.

Beim furiosen 3:3 gegen den FC Bayern bestach er weniger durch direkte Paraden als durch seine Straf­raum­be­herr­schung. Von den 26 Flanken und Quer­pässen des Rekord­meis­ters fing er vier ab, nicht einmal griff er daneben.

Der ehe­ma­lige 1860-Schluss­mann bringt in sol­chen Szenen viel Mut auf und nutzt seine Schnel­lig­keit in Ver­bin­dung mit seiner Sprung­kraft per­fekt aus. Sein Timing im Abdruck ist selten ungenau, wes­halb er die feh­lenden Zen­ti­meter Kör­per­größe in der Regel aus­glei­chen kann.

Mit dieser Ent­schlos­sen­heit ver­leiht er seinen Vor­der­män­nern gerade in engen Spielen eine enorme Sicher­heit. Die Ruhe und Sou­ve­rä­nität, die Ortega aus­strahlt, wird oft unter­schätzt. Viel­leicht auch, weil sie sich nur schwer in Spiel­tags-High­lights abbilden lässt.

Tat­säch­lich ist ein Keeper mit guter Straf­raum­be­herr­schung für Teams, die sich häufig in der Defen­sive befinden und viele Pässe in den Straf­raum zulassen, ein ebenso großer Trumpf wie ein starker Lini­en­keeper. Chancen werden dadurch bereits im Keim erstickt.

Wenn man Stefan Ortega in seinen Defen­siv­ak­tionen beob­achtet, fallen einem sofort seine unor­tho­doxen und gleich­zeitig geschmei­digen Bewe­gungen ins Auge. Der 28-Jäh­rige ver­hält sich einer­seits so, wie es für einen Schluss­mann seiner Statur typisch ist. Wo Koen Cas­teels oder Manuel Neuer direkt abspringen, macht er noch einen schnellen Zwi­schen­schritt, um anschlie­ßend spek­ta­kulär zu hechten.

Bei ihm kommt es noch mehr auf das Stel­lungs­spiel an, da er etwaige Fehler in der Posi­tio­nie­rung nicht durch lange Arme aus­glei­chen kann. Hier weiß der Arminia-Keeper in der Regel zu über­zeugen.

Ist das schon Futsal?

Gibt der Gegner Schüsse inner­halb des Straf­raums ab, nimmt Ortega seine Posi­tion oft früh­zeitig ein und wird somit selten von einem plötz­li­chen Abschluss über­rascht. Seine Kör­per­hal­tung ist dabei stets in der Waage: Einer­seits macht er sich bei Abschlüssen aus kurzer Distanz groß und ver­sucht so viel Raum wie mög­lich zu blo­cken. Ande­rer­seits kann er durch seine Geschmei­dig­keit stets abtau­chen und Steck­pässe abfangen.

Beson­ders im Eins-gegen-Eins hilft ihm seine Fle­xi­bi­lität enorm. Ähn­lich wie ein Futsal-Keeper ist er in diesen Szenen sehr schnell am Boden und blockt eine Viel­zahl der Schüsse mit seinem Körper ab. Im Ver­gleich zu Yann Sommer oder Oliver Bau­mann steht Ortega aber viel auf­rechter und hat ebenso einen leicht engeren Stand.

Dadurch kann er die Bälle auf beide Arten abwehren: Ent­weder mit der Hand, falls der Ball weiter von ihm ent­fernt ist. Oder eben im großen Block“, der auch gerne als Spreiz­schritt bezeichnet wird. Dabei ist es beim Bie­le­felder weniger ein Schritt und viel­mehr ein Sprung. Auch hier zeigen sich Ähn­lich­keiten zu Futsal-Tor­hü­tern.

Ortega lässt sich gera­dezu aus seiner auf­rechten, hohen Posi­tion in den Block fallen und streckt dabei die Arme zur Seite, um seine Kör­per­fläche zu maxi­mieren. Bei der Parade vor wenigen Wochen gegen Erling Haa­land Ende der ersten Halb­zeit hätte sich wohl jeder Hob­by­ki­cker sämt­liche Bänder im Hüft- und Bein­be­reich gerissen.

Keiner für den Fahr­stuhl

In der Bun­des­liga gibt es daher kaum einen Tor­hüter, der in Eins-gegen-Eins-Duellen schwie­riger zu über­winden ist. Seine Fle­xi­bi­lität und Explo­si­vität ließen Stürmer zuletzt rei­hen­weise ver­zwei­feln.

Mit Ball am Fuß ist der Deutsch-Spa­nier in dieser Saison eben­falls ein Hin­gu­cker. Gechipten Pässe auf die Flügel, weite Bälle hinter die Abwehr­reihe des Geg­ners – sein Reper­toire ist viel­seitig. Mehr­fach lei­tete er durch einen schnellen Abschlag oder einen prä­zisen weiten Ball gefähr­liche Szenen für die Arminia ein.

Gegen den 1. FC Köln berei­tete er am zweiten Spieltag sogar den Sieg­treffer durch Edmundsson direkt vor, indem er seinen Team­kol­legen mit einem langen Ball bediente. Bis­lang spielte kein Keeper in der Bun­des­liga mehr Pässe als Ortega. Nach 24 Spiel­tagen hat er mehr als 1200 Pässe gespielt. Lukas Hra­decky auf Platz Zwei dieser Liste kommt (bei drei Spielen weniger) auf 922.

Und obwohl kein Tor­hüter in der Liga im Schnitt wei­tere Pässe spielt als der Bie­le­felder (42,2 Meter), kommt er noch immer auf eine ordent­liche Pass­quote von 85 Pro­zent. Darauf ange­spro­chen, wo er sich als Feld­spieler sieht, sagt er: Ent­weder rus­tikal auf der Sechs oder hinter den Spitzen mit vielen Frei­heiten.“

Vom Gesamt­paket her hebt sich Stefan Ortega deut­lich von den typi­schen Kee­pern von Auf­stiegs­mann­schaften ab. Er kann seinem Team sowohl mit seiner Straf­raum­be­herr­schung als auch durch spek­ta­ku­läre Paraden Sicher­heit geben. Dies bescherte der Arminia unter anderem gegen Union Berlin jüngst einen Punkt.

Gut mög­lich, dass sich ambi­tio­nierte Teams wie Bayer Lever­kusen im Sommer um den 28-Jäh­rigen bemühen. Egal in wel­cher Liga die Bie­le­felder in der nächsten Saison spielen werden, Stefan Ortega hat sich bereits jetzt für einen per­sön­li­chen Liga­ver­bleib emp­fohlen.